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Tanz auf dem Vulkan

Dieser Beitrag ist Teil 10 von 10 der Beitragsserie "Reise nach Neuseeland & Singapur"
Wie ich auf Lava wandelte und trotzdem keine brennenden Sohlen bekam

Als ich am vierten Tag unseres Aufenthalts in Auckland – es ist der siebte unserer Reise – kurz nach dem Aufstehen aus dem Fenster unseres Hotelzimmers blicke, ist der Himmel wolkenverhangen. Nicht wie tags zuvor einfach nur stärker bewölkt, sondern über weite Strecken grau. Es sieht nach Regen aus. Nun, es kann ja nicht immer nur die Sonne scheinen.

Und wie ich da so stehe und hinausschaue, habe ich das Gefühl, daß das Wetter irgendwie ganz gut zu meinem momentanen Empfinden paßt. Denn auch mir ist gewissermaßen ein wenig grau zumute, verspüre ich doch seit dem gestrigen Tag die ersten Anzeichen einer sich nähernden Erkältung. Nichts, was wirklich schlimm wäre. Doch was sich vordem lediglich als ein leichtes Kratzen im Hals bemerkbar gemacht hatte, ist heute bereits ein dauerhaft spürbarer Schmerz, den ich als störend empfinde. Dabei fühle ich mich ansonsten überhaupt nicht krank. Und doch drückt die Aussicht, in den nächsten Tagen möglicherweise an einer Erkältung herumzulaborieren, auf meine Stimmung, die dementsprechend ausfällt, wie der Himmel aussieht: grau.

„Ach was“, rufe ich mich selbst zur Ordnung. „Ich werde nicht krank!“

Wahrscheinlich verspüre ich nur eine allergische Reaktion auf irgendwelche hier herumfliegenden Pollen, die ich nicht gewohnt bin, versuche ich mir einzureden, um mich aus meiner trüben Stimmung zu reißen. Schließlich bin ich nicht um die halbe Welt gereist, um hier krank herumzusitzen, wo es doch soviel zu sehen und zu unternehmen gibt.

Und um mich von dem Schmerz in meinem Hals abzulenken, packe ich meine Siebensachen für den heutigen Tag zusammen. Als ich damit fertig bin, ist es auch schon Zeit, zum Frühstück hinunterzugehen. Das ist in unserem Hotel ganz anständig. Eier, Speck und Würstchen gehören ebenso wie Pancakes zum Angebot, was in Ländern, die im Einflußbereich des einstigen britischen Empires lagen, eine Selbstverständlichkeit ist. Wer es konventioneller oder einfach nur der Gesundheit weniger abträglich mag, hat meist auch die Wahl, das sogenannte kontinentale Frühstück zu nehmen – eine Bezeichnung, die den Blickwinkel der Bewohner der britischen Inseln auf die Frühstücksgewohnheiten, die auf dem europäischen Kontinent vorherrschend sind, widerspiegelt. Interessant ist, daß man das in allen Ländern des Commonwealths so nennt, also auch hier in Neuseeland, wo die Bezeichnung eigentlich nicht sonderlich viel Sinn ergibt, würde man sie doch bestenfalls auf den australischen Kontinent beziehen können. Doch auch dort spricht man, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, vom kontinentalen Frühstück und meint eines, das man für ein europäisches hält. Nun kenne ich mich, wenn ich ehrlich bin, nicht mit allen Frühstücksgewohnheiten in den vielen verschiedenen Ländern unseres schönen Kontinents aus. Doch als Deutscher sollte man, wenn man das kontinentale Frühstück bestellt, nicht erwarten, dabei etwas vorgesetzt zu bekommen, was man von zu Hause kennt. Man würde mit ziemlicher Sicherheit enttäuscht werden, es sei denn, man zieht es vor, lediglich Toastbrot zu frühstücken, das mit Butter bestrichen und etwas Wurst oder Käse belegt ist. Marmelade und Honig sind natürlich auch im Angebot. Viel mehr aber nicht. Brötchen? Fehlanzeige. Schwarzbrot? Hier völlig unbekannt. Immerhin kann man die Brotscheiben toasten. Dennoch ißt man sich an dem Zeug eher hungrig. Jedenfalls geht es mir stets so.

Eine besondere Erwähnung verdient ein Brotaufstrich, der in Australien überall zum Frühstücksangebot gehört, aber auch hier in Neuseeland anzutreffen ist: Vegemite. Ausgesprochen wird das in etwa als „Wedschimeit“. Als ich ihn auf dem Frühstücksbüfett gewahre, fällt mir eine Begebenheit wieder ein, die sich zweieinhalb Jahre zuvor während unserer Australienreise in dem kleinen Ort Erldunda zugetragen hat. Nun, eigentlich ist Erldunda gar kein Ort, sondern lediglich ein sogenanntes Roadhouse an der Kreuzung, wo der Lasseter Highway auf den Stuart Highway trifft. Letzterer verbindet Port Augusta im Süden mit Darwin im Norden und durchquert das inmitten des australischen Outbacks gelegene Alice Springs. Der Lasseter Highway zweigt von ihm ab und führt in westlicher Richtung zum Uluru, jenem berühmten Berg, der in unseren Breiten auch als Ayers Rock bekannt ist. Während unseres Besuchs in Alice Springs hatten wir eine zweitägige Tour unternommen, die uns zunächst zum Kings Canyon führte und tags darauf zum Uluru. Zu beiden Orten führt der Weg von Alice Springs über Erldunda. Um nun nicht die gesamten 250 Kilometer, die Erldunda von Alice Springs entfernt liegt, an beiden Tagen zurücklegen zu müssen, hatten wir in dem Roadhouse übernachtet. Mit diesem Begriff bezeichnet man in englischsprachigen Ländern Raststätten, die Durchreisenden alles für die Reise Notwendige bieten, wozu bei Bedarf natürlich ein Dach über dem Kopf gehört. So verfügt auch Erldunda über eine Tankstelle, ein Restaurant, ein Motel und einen Caravanpark sowie eine Landebahn für Flugzeuge. Das ist dann aber auch schon nahezu alles. Da sich die Unterhaltungsmöglichkeiten lediglich auf ein Gehege für Emus und in klaren Nächten den phantastischen Sternenhimmel beschränken, plant hier niemand längere Aufenthalte ein. Doch dafür ist ein Roadhouse wie Erldunda auch nicht gedacht.

Am Ende des ersten Tages fuhr uns unser Bus also zu dieser Raststätte, wo ein Zimmer auf uns wartete, verbunden mit einem guten Abendbrot im Restaurant. Dieses nahmen wir gemeinsam mit unserer Reisegruppe ein, der wir uns für diese zwei Tage angeschlossen hatten, ein bunt zusammengewürfelter Trupp von netten Menschen aus verschiedenen Gegenden Australiens und der Welt. Einen gewichtigen Teil zur Unterhaltung trug unser Tour-Guide bei – die hiesige Bezeichnung für jemand, der in sich die Funktionen eines Fahrers, eines Reiseleiters, eines Organisators und eines Problemlösers für alle Belange der ihm anvertrauten Touristen vereint. Unserer war ein waschechter Australier, der uns den ganzen ersten Tag zum Kings Canyon und zurück kutschiert und uns die interessantesten, am Weg gelegenen Orte im Outback gezeigt hatte, die wir ohne ihn mit Sicherheit nie gefunden und gesehen hätten. Lautstark erzählte er nun uns am Tisch Versammelten einige Geschichten, an die ich mich nicht mehr genau erinnere, bis er schließlich auf Vegemite zu sprechen kam.

„Wir Einheimische“, so erklärte er grinsend, „haben stets einen Heidenspaß, wenn wir Touristen, vorzugsweise Europäer, dabei beobachten können, wie sie das erste Mal Vegemite probieren.“

Ganz besonders lustig sei es, so erzählte er uns, wenn es sich dabei um Deutsche handle. Die würden Vegemite wegen seiner braunen Farbe stets für so etwas wie ihre geliebte Haselnußcreme halten. Oder, wenn sie doch einmal genauer hinsehen, für einen süßen, sirup­artigen Brotaufstrich. Aber nie, wirklich nie, rechneten sie mit dem, was Vegemite tatsächlich ist. Ganz offensichtlich bereitete ihm seine Geschichte großes Vergnügen, denn während er sie erzählte, brach er zwischendurch immer wieder in Gelächter aus, ohne daß die meisten seiner Zuhörer noch genau wußten, was ihn daran so amüsierte, war er doch bis zur Pointe noch gar nicht vorgedrungen.

Die bestand darin, daß es in den von ihm beschriebenen Situationen fast immer kommt, wie es wohl kommen muß: der unbedarfte, vorzugsweise deutsche Tourist streicht sich eine kräftige Portion Vegemite auf seinen Toast, beißt in froher Erwartung herzhaft hinein – und erstarrt förmlich. Langsam, ganz langsam, verzieht er angewidert das Gesicht, ganz offensichtlich mit sich ringend, ob er die als völlig ungenießbar empfundene Masse in seinem Mund herunterschlucken oder sich ihrer doch lieber entledigen soll. Daß dies ihn dabei möglicherweise beobachtende Einheimische stets köstlich amüsiert, dafür war unser Tourführer, der uns all dies beschrieb, mit seinem dröhnenden Gelächter, das seine Erzählung begleitete, der beste Beweis.

Denn der arme Tourist verspürt nun in seinem Mund anstatt der erwarteten Süße die Empfindung eines salzigen, malzigen, leicht bitteren Geschmacks. Vegemite hat nämlich nichts, aber auch gar nichts mit Nutella, Nudossi oder wie all die Nuß-Nougat-Cremes so heißen, zu tun. Und auch nicht mit süßem Sirup. Vegemite ist konzentrierter Hefeextrakt. Da es nur sehr wenig Zucker, dafür aber viel Vitamin B und andere der Gesundheit förderliche Stoffe enthält, kann man es durchaus als ein gesundes Lebensmittel ansehen, wenn man die acht Prozent Salz außer Acht läßt. Ein starker Gegensatz zu unseren Nußcremes. Oder eben Sirup. Der Geschmack ist, vorsichtig ausgedrückt, auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig. So sehr, daß das 1922 von Cyril Callister entwickelte Produkt auch in Australien zunächst kein Erfolg war. Es bedurfte erst der kostenlosen Beigabe eines Glases Vegemite zu dem ebenfalls von Callister erfundenen, überaus erfolgreichen Schmelzkäse und der Zeit der Großen Depression um 1930, als die Verschwendung jeglicher Lebensmittel tabu war, um die Australier an den Geschmack zu gewöhnen. Heute gilt die braune Paste als der Inbegriff der typischen australischen Ernährung. Und weil ihr Geschmack so ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig ist, bezeichnen ihn die Australier als „the taste of Australia“ – den Geschmack Australiens. Auch unser Tourführer versäumte damals nicht, uns das stolz unter die Nase zu reiben. Soweit ich mich erinnere, wußte ich damals nicht so recht, ob ich seiner Geschichte und des Vergnügens, mit dem er sie erzählte, wegen amüsiert oder beleidigt sein sollte. Denn immerhin waren es seiner Meinung nach gerade wir Deutschen, die bei den Einheimischen für besonderes Amüsement sorgten. Da ich es jedoch nicht schaffte, angesichts der Herzlichkeit, die er gleichzeitig ausstrahlte, während er redete, mich wirklich beleidigt zu fühlen, amüsierte ich mich schließlich mit. Erst recht, weil mir meine eigene erste Begegnung mit Vegemite gleich am ersten Tag nach unserer Ankunft in Australien wieder in den Sinn kam, die, ich muß es gestehen, ziemlich exakt so abgelaufen war, wie er es beschrieben hatte. Auf der gesamten Reise durch den großen Kontinent war es mir anschließend nicht gelungen, mich an Vegemite zu gewöhnen. Und so mache ich nun, als ich es hier in Neuseeland wieder auf dem Frühstücksbüfett stehen sehe, einen weiten Bogen darum. Ich habe es damals übrigens nicht über’s Herz gebracht, unserem Tourführer zu erzählen, daß wir beide zu eben jenen Deutschen gehörten, die er in seiner Geschichte für ihr Potential, ihn zu amüsieren, so sehr gewürdigt hatte. Diese Verlegenheit wollte ich ihm dann doch lieber ersparen…

Nachdem der letzte Toast aufgegessen und die letzte Tasse Kaffee beziehungsweise Tee ausgetrunken ist, erheben wir uns von unseren Stühlen und gehen zurück in unser Zimmer, doch nur, um unsere Sachen zu holen, die wir für unsere heutige Tagestour benötigen. Kurz darauf verlassen wir durch die große Eingangstür in der Lobby unser Hotel und finden uns auf der Wellesley Street wieder. Zu Fuß spazieren wir erneut in Richtung des an der Waterfront gelegenen Fährterminals, denn unser heutiges Ziel ist nur mit dem Schiff zu erreichen. Weil dessen Abfahrt aber noch eine ganze Weile hin ist, lassen wir uns viel Zeit und gehen gemächlich durch die kleineren Nebenstraßen des Central Business Districts Aucklands.

Nicht allzu weit von unserem Hotel entfernt entdecke ich in der Elliott Street etwas, das ich in Auckland bisher noch kaum irgendwo wahrgenommen habe: ein Graffiti. Allerdings ist es keines, wie man es in deutschen Städten so oft findet und das man eher als Schmiererei bezeichnen muß. Nein, hier handelt es sich um ein kleines Kunstwerk, das sich dem Betrachter auch erst mit einigem Abstand offenbart, verziert es doch die Vorderseiten der Stufen einer Treppe im Eingang eines Gebäudes. Es zeigt das Gesicht einer jungen Frau, die den Blick nach oben richtet, um den sie einhüllenden Schneeflocken entgegenzusehen. Ihr Gesicht und ihre Haare scheinen sich nach hinten immer mehr in den Schwaden wallenden Nebels aufzulösen oder aber aus diesen hervorzugehen, je nach Fantasie des Betrachters. Die purpurnen und blau-schwarzen, winterliche Stimmung vermittelnden Farbtöne der wabernden Luftschichten gehen mit zunehmender Entfernung von ihrem Gesicht mehr und mehr in helle Gelb- und Rottöne über, die den Eindruck lodernden Feuers erwecken. Ob es den Winter besiegen kann? Oder wird es von diesem überwältigt werden? Ich bin mir nicht recht schlüssig. Auf jeden Fall ist es ein schönes Bild, das mich da im Vorbeigehen gefesselt und zum Innehalten bewegt hat.

Graffiti in der Elliott Street in Auckland
Kunst in der Stadt – ein Treppengraffiti in der Elliott Street in Auckland.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Als wir wenig später dort, wo die Queen Street auf die Quay Street trifft, die Waterfront erreichen, liegt das Kreuzfahrtschiff, das zwei Tage zuvor bereits am Queens Wharf längsseits festgemacht hatte, immer noch dort vor Anker. Offenbar hat die Crystal Serenity, wie das Schiff den großen Lettern an seinem Rumpf zufolge heißt, es nicht sonderlich eilig. Nun, Auckland hat ja auch einiges zu bieten, was anzusehen sich lohnt, wie wir nun aus eigener Erfahrung bestätigen können.

Da unsere Fähre erst in knapp zwei Stunden abfahren wird, nutzen wir die uns dadurch zur Verfügung stehende Zeit, um die Waterfront noch ein wenig zu erkunden. An unserem ersten Abend waren wir die Quay Street in Richtung des Viaduct Bassins entlanggegangen, daher schlagen wir jetzt die entgegengesetzte Richtung ein und spazieren den Roten Zaun entlang, der uns nun auf der linken Seite der Straße begleitet. Hinter den durchgehend roten Zaunstäben dehnt sich das Hafengelände, im vorderen Bereich meist eine weitgehend leere, betonierte Fläche, auf der vereinzelt Autos parken, während dahinter die Wasser des Waitematā Harbours mal näher, mal weiter entfernt wogen, je nachdem, ob wir gerade einen der zahlreichen Piers oder eines der zwischen ihnen liegenden Hafenbecken passieren. Hafenkräne, Lagerhallen, vor Anker liegende Kutter, Schlepper und große Frachtschiffe bestimmen das Bild, das sich uns bietet, wenn wir den Blick durch den Zaun lenken.

Die gegenüberliegende Straßenseite gehört hingegen vollständig der Stadt. Hier bestimmen zunächst moderne Geschäfts- und Bürohäuser das Bild, einige mehr, anderer weniger hoch. Nichts jedoch, was sonderlich in Erinnerung bleiben würde. Das ändert sich erst, als wir die von links in die Quay Street einmündende Gore Street passiert haben. An der Straßenecke erhebt sich ein dreistöckiges Gebäude, das mit seiner gelben Ziegelfassade und den die Stockwerke voneinander trennenden Gesimsen so offensichtlich aus einer anderen Zeit stammt, daß es der an dem oben aufgesetzten, terrassenartig ansteigenden und mit weißen Steinkugeln verzierten Scheingiebel plazierten Jahreszahl 1898 gar nicht bedarf, um das 19. Jahrhundert als seinen zeitlichen Ursprung zu vermuten. Die Vorderfront dieses Hauses Quay Street 266 gliedert sich in fünf Fensterachsen, die voneinander durch Pilaster getrennt werden, deren zwei weitere die Fassade an den beiden Außenseiten abschließen. An der mittleren Achse sind die sie einfassenden Pilaster gedoppelt und gehen nach oben hin direkt in den Scheingiebel über, der sie mit einem kleinen, bekrönenden Giebeldreieck abschließt. Das Erscheinungsbild der Fassade wird von den regelmäßig angeordneten, nahezu quadratischen, meist zweigeteilten Fenstern im zweiten und dritten Stock bestimmt. Lediglich in der hervorgehobenen mittleren Achse sind diese etwas größer und bestehen nicht aus zwei, sondern aus drei Scheiben. Das Erdgeschoß ist mit großen, repräsentativen Rundbögen versehen, die sowohl die hier stets dreiteiligen Fenster als auch die beiden Eingangsportale überwölben, deren eines sich in der mittleren Achse befindet und angesichts des dreieckigen Türgiebels zweifellos das Hauptportal ist, während das andere in der linken äußeren Achse ohne einen solchen Schmuck auskommt. Über den Rundbögen befindet sich unter dem Gesims, das den ersten Stock vom Erdgeschoß abgrenzt, ein durchgängiger weißer Streifen, auf dem große, steinerne, etwas vorstehende und ebenfalls weiße Lettern aufgebracht sind. „The Northern Steamship Company Ltd.“ ist dort zu lesen – fünf Wörter über fünf Fenstern, je Fenster eines.

Das Gebäude der einstigen Northern Steamship Company in Auckland
Ein ehrwürdiges, geschichtsträchtiges Gebäude – der einstige Sitz der Northern Steamship Company Ltd. in der Quay Street 122.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Die auch kurz als NSS bezeichnete Schiffahrtsgesellschaft befuhr in den Jahren von 1881 bis 1974 die Gewässer rund um die nördliche Hälfte der Nordinsel Neuseelands. Als sie Ende des 19. Jahrhunderts ein neues Geschäftsgebäude benötigte – das alte in der Queen Street war zu klein geworden -, ließ sie das Gebäude, das wir nun vor uns sehen, vom Architekten Arthur P. Wilson entwerfen und anschließend nach seinen Plänen errichten. 1898 fertiggestellt, wurde es von der Firma im Jahr darauf bezogen.

Der neue Unternehmenssitz befand sich dabei auf einem Areal, das man vom Auckland Harbour Board, der städtischen Betreibergesellschaft des Hafens, gepachtet hatte und das noch wenige Jahrzehnte zuvor von den Fluten des Waitematā Harbours überspült wurde. In den 1860er Jahren hatte man für den weiteren Ausbau der Siedlung Auckland, zu dem unter anderem auch die Anlage einer Eisenbahnstrecke gehörte, begonnen, Land aufzuschütten, was die Küstenlinie vor dem heutigen Central Business District dramatisch veränderte. Ganze Buchten und Landzungen verschwanden, als man das Wasser Stück für Stück zurückdrängte, um neue Gebiete zu schaffen, die man bebauen konnte. Namen wie Freemans Bay, Commercial Bay, Official Bay und Mechanics Bay, Point Stanley und Point Britomart sind heute nur noch in den Geschichtsbüchern oder auf alten Karten zu finden. So bekommt der Name Waterfront, unter dem das Areal heute bekannt ist, eine ganz neue Bedeutung.

Das Firmengebäude der Northern Steamship Company besaß zunächst lediglich zwei Stockwerke. Gußeiserne Säulen stützten die hohen Decken mit dem dunkelgrünen Gebälk. Hier war genug Platz für das öffentliche Büro der Gesellschaft, einen Telefonraum, das Büro des Managers, weitere Räume für die Mitarbeiter und einen Sitzungssaal. War all das über das zentrale Portal zu erreichen, so führte die östliche Tür, die ich links an der Frontseite bemerkt hatte, vom Gebäude zu den Kais, die die Passagiere über einen Steg erreichen konnten – ein Umstand, der es ihnen erlaubte, den damals noch allgegenwärtigen Schlamm zu vermeiden, denn das Gelände war noch lange nicht so mit Beton und Asphalt versiegelt, wie es heute der Fall ist. Ein Lagerhaus, das sich auf der Rückseite des Firmengebäudes befand, war ebenfalls über diese Tür zu erreichen. Als das expandierende Unternehmen im Jahre 1921 mehr Platz für Unterkünfte und eine Wäscherei benötigte, erweiterte man das zweistöckige Haus um eine dritte Etage.

Bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts machte der nach wie vor auf die Schiffahrt konzentrierten Gesellschaft die Konkurrenz von Eisenbahn und Straße zu schaffen. Die Zahl der Passagiere ging mehr und mehr zurück, was das Unternehmen zwang, deren Transport immer weiter einzuschränken und entsprechende Schiffahrtslinien einzustellen. Es verlegte sich daher auf den Handel und den Transport von Waren, doch auch das erwies sich mit der Zeit als immer weniger profitabel, da deren Beförderung mit Eisenbahn und Lastkraftwagen einfach schneller vonstattenging. Eine Zeitlang konnte die Northern Steamship Company, die natürlich längst nicht mehr mit Dampfschiffen unterwegs war, noch mit dem Handel zwischen den neuseeländischen Inseln und auch mit Australien überdauern, doch 1974 wurde das Unternehmen dann schließlich aufgelöst. Das Gebäude ging in den Besitz des Auckland Harbour Boards über, dem das Land, auf dem es stand, sowieso gehörte. Heute beherbergt der einstige Sitz einer Schiffahrtsgesellschaft eine Bar.

Direkt gegenüber befinden sich im Roten Zaun mehrere nebeneinanderliegende Tore, die, wären sie geöffnet, Zugang zum Hafengelände dahinter gewährten. Für uns ist das eine weitere Gelegenheit, die kunstvolle Gestaltung dieser gewaltigen schmiedeeisernen Konstruktion eingehend zu betrachten und angemessen zu bewundern. Auch hier sind in der Mitte der Torflügel die großen wappenartigen Siegel des Auckland Harbour Boards angebracht, wie sie uns schon am Tor zum Queens Wharf begegnet waren. Und auch die großen Laternen mit den kleinen bärtigen Männerköpfen an ihren Sockeln fehlen natürlich nicht und bekrönen elegant-gewaltig die Torpfosten.

Das Wappen des Auckland Harbour Board am Roten Zaun in Auckland
Das Wappen des Auckland Harbour Boards am Roten Zaun an der Waterfront in Auckland.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Wir setzen unseren Weg fort und spazieren weiter den Roten Zaun entlang. Meine Hoffnung, noch einige weitere altehrwürdige Gebäude wie das der einstigen Northern Steamship Company zu sehen zu bekommen, erfüllt sich allerdings leider nicht, sieht man einmal von einem als Quay Buildings bezeichneten Bau ab, bei dem ich mir allerdings nicht ganz sicher bin, ob es sich dabei nicht einfach nur um einen auf alt getrimmten modernen Bau handelt. Das einzige weitere wirklich ältere Gebäude ist ein langgestreckter einstöckiger Ziegelbau mit Spitzdach, den wir an der Ecke Quay Street und Britomart Place antreffen und bei dem es sich, wie ich zunächst vermute, um ein altes Lagerhaus handeln könnte. Heute scheint der Aufschrift „Brew on Quay“ und den wenigen Tischen und Stühlen auf dem schmalen Gehsteig nach zu urteilen darin ein Restaurant der Art untergebracht zu sein, die man bei uns Brauhaus nennt. Daß ich mit der Lagerhaustheorie falsch liege, finde ich bei späteren Recherchen heraus. Tatsächlich handelt es sich bei dem im Jahre 1903 errichteten Gebäude um den einstigen Hauptsitz der Colonial Sugar Refining Company, was man mit Koloniale Zuckerraffinerie-Gesellschaft übersetzen könnte. Die Gesellschaft hatte ihr Hauptquartier nahe dem Hafen errichtet, mußte es später aber aufgeben, als sich das Zuckergeschäft auf dessen andere Seite verlagerte. So brachte man in dem Gebäude die Polizei unter, die es als Operationsbasis für ihre Suche nach Kriminellen an den Kais benutzte. Weil das nahe der Innenstadt gelegene Hafengelände schließlich seiner ursprünglichen Funktion verlustig ging, als der Hafen von Auckland mehr und mehr in östlicher Richtung verschoben wurde, schloß man 1993 diese Polizeistation. Vielleicht ist es ein Hinweis auf die Art und Weise, wie unsere heutige, schwerpunktmäßig auf Dienstleistungen ausgerichtete westliche Gesellschaft tickt, daß auch dieses historische Gebäude, genau wie das einstige Firmengebäude der Northern Steamship Company, nun ein Etablissement des Gastgewerbes beherbergt.

Wir gehen noch ein Stück weiter. Die Gegend wird jedoch immer uninteressanter. Auf der rechten Straßenseite zieht sich nun ein Parkhaus scheinbar endlos hin. Links haben wir immer noch den Roten Zaun neben uns, der jetzt aber lediglich aus einfachen, völlig schmucklosen Zaunfeldern besteht, in denen sich Stab an Stab reiht. Gerade überlegen wir, unsere Wanderung die Quay Street entlang abzubrechen und umzukehren, da hört der Rote Zaun neben uns plötzlich auf und tritt etwa zwei Meter vom Gehweg zurück, um einer mit Ziegeln gepflasterten geneigten Ebene Platz zu machen, die an ihrem hinteren Ende von einer merkwürdigen langgestreckten Wand begrenzt wird, deren Sinn sich mir nicht so recht erschließt. Sie ist durch einen massiven blau-grauen Stahlrahmen eingefaßt und in eine Reihe von Wandfeldern unterteilt, deren jedes aus einer großen gerippten Metallplatte besteht, die links, rechts und unten von Glasscheiben umgeben ist, durch die man auf das Hafengelände dahinter sehen kann. Dieses wird auf der gesamten Länge der Wand etwa fünf Meter weit von einem Dach überschattet, das von großen, galgenartigen Metallpfeilern gehalten wird, die zum Balanceausgleich über rückwärtige Ausleger verfügen, deren Stützen als Säulen am vorderen Ende der schrägen Ebene stehen und diese so in zu den Wandfeldern passende Bereiche einteilen. Ganz schön viel Aufwand für die lediglich teilweise Überdachung eines großen Platzes. Aber es wird sich schon jemand etwas dabei gedacht haben, geht es mir durch den Kopf, und ich wende mich einem ungleich interessanteren Detail zu, das mir just in diesem Augenblick zu meinen Füßen ins Auge springt.

Im zweiten der Felder, in die die geziegelte Schrägebene durch die Stützsäulen unterteilt wird, ist nämlich ein vornehmlich in Blau und Gelb gehaltenes Mosaik in den Boden eingelassen. Es ist in zwei Teile geteilt, deren linker, größerer ein Segelschiff mit tiefblauen Segeln inmitten eines aufgewühlten Meeres von ebensolcher Farbe zeigt, über dem sich ein gelber Himmel wölbt, an dem links das Kreuz des Südens prangt, während rechts ein Schweifstern herniederstürzt. Der Rumpf des Schiffes zeigt am Bug einen breiten Streifen in den Farben des Regenbogens, während an seiner Seite in großen Buchstaben das Wort GREENPEACE zu lesen ist. Umrahmt ist das Mosaik von einem Streifen aus schwarzen Fliesen, über die sich am linken, oberen und rechten Rand ein blaues Band windet. Der untere Rand ist ebenfalls mit großen Lettern beschriftet. RAINBOW WARRIOR lese ich, gefolgt von der Wiederholung des Wortes GREENPEACE.

Der rechte Teil des Mosaiks setzt das Bild des gelben Himmels und des blauen Meeres fort, über das jedoch das Bild mit dem Gerippe einer Echse gelegt ist, das mich in seiner Darstellung irgendwie an ein Röntgenbild erinnert. Darüber befinden sich drei weiße Bereiche, die mit dem Text, den sie enthalten, ein wenig wie Sprechblasen in einem Comic wirken. Als ich beginne, den Text zu lesen, wird mir sehr schnell klar, daß ich hier ein Denkmal vor mir habe, das an ein sehr ernstes Ereignis der Weltgeschichte erinnert[1]Der Text lautet im Original: At Marsden Wharf in July 1985 the Rainbow Warrior, the flagship for Greenpeace, was bombed and sunk by agents of the French Government killing photograper Fernando … [Weiterlesen]:

Im Juli 1985 wurde die Rainbow Warrior, das Flaggschiff von Greenpeace, am Marsden Wharf von Agenten der französischen Regierung bombardiert und versenkt, wobei der Fotograf Fernando Pereira getötet wurde. Das Schiff war auf dem Weg in den Pazifik, um friedlich gegen französische Atomtests zu protestieren. Die öffentliche Empörung und der anhaltende Druck führten dazu, daß Frankreich die Bombentests nach 1995 einstellte und irreparable Schäden auf Moruroa hinterließ.

Heute inspiriert die Rainbow Warrior II die Menschen überall auf der Welt, da sie weiterhin rund um den Globus ein „Zeugnis ablegt“ gegen Atomwaffen und alle anderen zerstörerischen Umweltpraktiken.

„Einen Regenbogen kann man nicht versenken“

Das Denkmal für die Rainbow Warrior in Auckland
Das Mahnmal für die Rainbow Warrior vor dem Marsden Wharf an der Quay Street in Auckland.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Die Rainbow Warrior war, wie hier zu lesen ist, nicht nur irgendein Gefährt der Umweltschutzorganisation Greenpeace, sondern deren Flaggschiff. Sie war aus dem Nordpazifik eingetroffen, wo sie bei der Evakuierung der durch die Atomtests der 1950er und 1960er Jahre gesundheitlich geschädigten Bewohner des zu den Marshall­inseln gehörenden Rongelap-Atolls geholfen hatte, um nun an einer Protestaktion teilzunehmen, mit der sich die Organisation gegen die Atomwaffentests wandte, die Frankreich nach wie vor auf dem Mururoa-Atoll[2]Bei uns ist die Namensvariante Mururoa gebräuchlich. In der Sprache der Polynesier lautet der Name des Atolls allerdings Moruroa. durchführte. Geplant war, daß die Mannschaft der Rainbow Warrior die Auswirkungen dieser Tests überwachen sollte – ein Vorhaben, das der französischen Regierung offenbar ein Dorn im Auge war und das sie zu verhindern trachtete.

Und so brachten, als das Schiff am 10. Juli des Jahres 1985 am Marsden Wharf, einem Pier des Hafens von Auckland, vor Anker lag, Agenten des französischen Geheimdienstes unter Wasser Sprengsätze an seinem Rumpf an, deren Detonation nicht nur die Rainbow Warrior so stark beschädigten, daß sie schließlich sank, sondern auch den an Bord befindlichen niederländisch-portugiesischen Greenpeace-Fotografen Fernando Pereira das Leben kosteten. Heute würde man solch einen Anschlag, verübt auf ein ziviles Schiff, ungeschminkt als das bezeichnen, was er ist: Terror. Und es war eine westliche Regierung, die ihn in Auftrag gab.

Natürlich nahmen die Neuseeländer ein solches Verbrechen, das auf ihrem Territorium verübt wurde, nicht einfach hin. Die Polizei konnte zwar nicht alle, aber immerhin zwei der Attentäter ausfindig machen und verhaften. Sie wurden in der Folge zu jeweils zehn Jahren Gefängnis verurteilt, später jedoch auf Vermittlung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Javier Pérez de Cuéllar, an Frankreich übergeben, das sie zwar zunächst vereinbarungsgemäß auf einem französischen Stützpunkt im Pazifik in Haft behielt, doch einige Zeit später zurückholte. So kam es schließlich, daß sie zwar als einzige der an der Tat Beteiligten überhaupt zur Verantwortung gezogen wurden, ihre Strafe aber dennoch nicht vollständig absitzen mußten.

Als die Umweltschutzorganisation Greenpeace im September 2001 ihr dreißigjähriges Bestehen feiern konnte, nahm man das zum Anlaß, dieses Denkmal vor dem Marsden Wharf zu errichten. Die Künstlerinnen Vicki Worthington und Claudia Pond Eyley entwarfen das Mosaik und Jan Morrison übernahm die Realisierung. Wir waren bereits in der St. Mary’s Church einem Werk der neuseeländischen Malerin und Filmemacherin Pond Eyley begegnet. Dort hatte sie die sogenannten Frauenfenster gestaltet.

Heute ist der Anschlag auf die Rainbow Warrior wohl weitgehend in Vergessenheit geraten, auch wenn Denkmale wie dieses – ein weiteres befindet sich bei den Cavalli-Inseln vor der Matauri Bay, wohin man das Wrack der Rainbow Warrior schließlich brachte, um es endgültig zu versenken – daran erinnern. Und so besteht leider auch nur wenig Hoffnung, daß die Aufforderung, die inmitten des Mosaiks dessen beide Teile miteinander verbindet, in der aktuellen Zeit und der näheren Zukunft beherzigt werden wird[3]Im Original: „Let the world be nuclear-free!“:

Laßt die Welt atomwaffenfrei sein!

Für uns ist es nun an der Zeit, den Rückweg in Richtung Fährterminal anzutreten, denn die Abfahrtszeit unseres Schiffes rückt langsam näher. Damit wir nicht denselben Weg zurückgehen müssen, den wir gekommen sind, biegen wir, als wir den Britomart Place wieder erreichen, in diesen ein, zur Kenntnis nehmend, daß der Name für uns als Deutsche, die wir Place wegen der klanglichen Ähnlichkeit zuerst mit Platz übersetzen, etwas irreführend ist, handelt es sich doch keineswegs um einen Platz, sondern um eine Straße. Wäre es einer, spräche man hier wohl eher vom Britomart Square. Um jedoch nicht zu weit von dem Weg zu unserem Ziel, dem Fährterminal, abzukommen, nehmen wir bereits die nächste Querstraße, die wir nun in Richtung Queen Street entlangwandern. Viel Erinnernswertes bekomme ich hier allerdings nicht zu sehen. Die Tyler Street ist lediglich eine schmale Straße, die zwischen vergleichsweise gesichtslosen Häusern entlangführt, bis sie schließlich am Britomart Transport Centre auf die Queen Street trifft. Das gibt uns noch einmal Gelegenheit, sowohl dessen rückwärtigen Glaspavillon als auch sein an der Queen Street gelegenes Empfangsgebäude, das einstige Hauptpostamt der Stadt, zu betrachten.

Gegenüber dem altehrwürdigen Gebäude, das ebenso wie das Ferry Building im Stil des Edwardianischen Barocks gestaltet ist, liegt auf der anderen Seite der Queen Street ein kleiner Platz. Um ihn zu erreichen, müssen wir den Busbahnhof, zu dem die westliche Straßenseite umfunktioniert worden ist, durchqueren. Eigentlich ist es einfach eine lange Abfolge von Haltestellen, die zwischen Quay Street und Customs Street West aneinandergereiht und mit einem auf Stützen ruhenden Dach versehen sind, das die Wartenden vor möglicherweise vom Himmel herniederstürzenden Wasser schützt. Der besagte kleine Platz, von dem ich nicht einmal weiß, ob er überhaupt einen Namen besitzt, ist zwischen zwei Hochhäusern gelegen und an sich nicht sonderlich spektakulär. Mein Interesse weckt lediglich ein kleiner Brunnen in seiner Mitte, der aus zwei großen, übereinandergelegten Steinen dunkelbrauner Färbung besteht, in die kunstvolle Schnörkel und Ornamente eingemeißelt sind. Während am oberen Ende der beiden Steine unaufhörlich Wasser austritt, an ihnen herunterrinnt und sich in ein kleines, quadratisches Becken mit vielleicht eineinhalb Metern Seitenlänge ergießt, ist das eigentlich Interessante das, was sich nur gelegentlich ereignet. An der Spitze des oberen Steins flammt in unregelmäßigen Abständen immer wieder ein kleines Feuer auf, brennt für ein paar Augenblicke und erlischt dann wieder. Ob ihm der Brennstoff immer wieder entzogen wird oder ob das Wasser es nach kurzer Dauer wieder löscht, kann ich, der ich lediglich zu ihm hinaufschauen kann, nicht ergründen. Letztlich spielt es aber auch keine Rolle. Mich fasziniert die diesem Brunnen innewohnende Koexistenz der beiden gegensätzlichen „Elemente“ Feuer und Wasser. Beiden gemein ist, daß es für uns Menschen stets ein Quell der Ruhe ist, ihrer steten, sich beständig ändernden Bewegung zuzusehen und den sanften Geräuschen, die sie begleiten – das Rauschen der Wellen oder das Tröpfeln und Wispern rinnenden Wassers ebenso wie das Knistern und Prasseln von Flammen – zu lauschen. In diesem überaus interessanten und ästhetisch schönen Kunstwerk sind beide Elemente harmonisch miteinander vereint.

Der Brunnen mit Feuer und Wasser in Auckland
Der Feuer-und-Wasser-Brunnen an der Queen Street in Auckland, direkt gegenüber dem Empfangsgebäude des Britomart Transport Centres.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Nachdem wir dem Brunnen eine Zeitlang fasziniert zugesehen haben, ist es jedoch Zeit, uns zum Fährterminal zu begeben. Denn schließlich wollen wir die Fähre, die uns dem eigentlichen Ziel des heutigen Tages näherbringen soll, keineswegs verpassen.

Und so stehen wir wenig später auf der Plattform, von der aus wir auf das Schiff gelangen und die hier Gate heißt, genau wie an einem Flughafen, was aber auch ganz passend ist, wenn man bedenkt, daß es in der Fliegerei auch Luftschiffe gibt. Die Anzeigetafel am Gate 2B kündigt unsere Fähre bereits an: Rangitoto Island. Die Vulkaninsel.

Nachdem wir diese markante grüne Insel mit dem weithin erkennbaren Berg in den vergangenen Tagen immer wieder vor Augen gehabt haben, wollen wir sie uns nun endlich einmal genauer ansehen. Es liegt in der Natur der Sache, daß der einzige Weg dorthin ein Schiff erfordert. Glücklicherweise ist das aber kein Problem, denn die Fähren des Unternehmens Fullers Ferry bringen regelmäßig jeden, der dorthin will, hinüber. Und natürlich auch wieder zurück. Die Tickets haben wir schnell erstanden, und nun warten wir, daß wir unsere Fähre betreten können.

Das ist wenig später der Fall. Wieder verzichten wir darauf, uns Plätze zu suchen, auch wenn die Fahrt aufgrund der größeren Entfernung etwas länger dauern wird als unsere kurze Überfahrt nach Devonport drei Tage zuvor. Allerdings auch nicht zu lange, wie wir dem Fahrplan entnehmen können. Eine knappe halbe Stunde, dann werden wir da sein. Ausreichend Gelegenheit, um vom Heck des Schiffes erneut den Ausblick über den Waitematā Harbour und auf die Innenstadt zu genießen.

Als sich unsere Fähre in Bewegung setzt, ziehen sich das Ferry Building und mit ihm die Hochhäuser des Central Business Districts langsam zurück. Als wir den Bereich der Piere verlassen und die offene Wasserfläche des Naturhafens erreicht haben, beschleunigt unsere Fähre und wir ziehen wieder eine breite Spur aufgewühlten Wassers hinter uns her. Wir passieren den Queens Wharf und können nun das riesige Kreuzfahrtschiff Crystal Serenity aus nächster Nähe bewundern. Ihm folgt ein großes Transportschiff der norwegisch-schwedischen Reederei Wallenius Wilhelmsen Lines, das am Bledisloe Wharf vor Anker liegt und genau wie wir weit weg von zu Hause ist.

Kreuzfahrtschiff am Queens Wharf in Auckland
Queens Wharf mit Kreuzfahrtschiff und die Hochhäuser des Central Business Districts – vom Deck einer Fähre auf der weiten Fläche des Waitematā Harbours ist Aucklands Waterfront immer wieder ein faszinierender Anblick.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Der Blick auf die Skyline der Innenstadt ist genauso atemberaubend wie drei Tage zuvor, als wir nach Devonport unterwegs waren. Der Unterschied ist allerdings, daß der Himmel dieses Mal nicht strahlend blau ist und auch keine weißen Wolkentupfer zu sehen sind. Über der heute weniger blau- als grau-grünen Wasserfläche dräuen dichte Wolken, die so dicht gepackt sind, daß wir lediglich ihre Unterseiten sehen können. Sie schweben so tief über uns, daß es scheint, als würde die Spitze des Sky Towers sie jeden Augenblick aufreißen können. Einige von ihnen künden mit ihrem tiefdunklen Grau von der Schwere der Regenfluten, die sie in ihrem Inneren tragen. Die Bereitschaft, sie jeden Moment über das Land zu verteilen, ist ihnen förmlich anzusehen. Glücklicherweise für uns halten sie sich bisher aber noch zurück und beschränken sich darauf, einfach nur beeindruckend und – je nach Gemüt – auch ein wenig bedrohlich auszusehen.

Die Skyline Aucklands vom Waitematā Harbour aus gesehen
Dunkel dräuen die Wolken über dem Waitematā Harbour…
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Trotz der dunklen Wolken ist der Wind vergleichsweise mild und die Wasserfläche dementsprechend ruhig, wenn auch sehr gekräuselt. An uns gleiten andere Fähren sowie zahlreiche Segelboote vorüber. Devonport, die Stadt der Victoria, und der hinter ihr sich erhebende Mount Victoria ziehen im Norden an uns vorüber, und als der North Head hinter uns liegt, hat unser Schiff den Waitematā Harbour verlassen und durchschneidet nun die Fluten des Hauraki-Golfs.

Wenn man es genau nimmt, war das eigentlich von Beginn unserer Fahrt an der Fall, denn der Hauraki-Golf ist eine große Bucht im Nordwesten der Nordinsel Neuseelands, in die zahlreiche Landzungen einschneiden, so daß sie wiederum aus kleineren und größeren Buchten und insbesondere Naturhäfen zusammengesetzt ist, von denen der Waitematā Harbour einer ist. Der Name Hauraki entstammt der Sprache der Māori. Und auch wenn er vergleichsweise kurz ist, setzt er sich doch aus zwei Wörtern zusammen: zum einen hau, was Wind bedeutet, zum anderen raki, das Māori-Wort für Norden. Hauraki ist demzufolge mit „Nordwind“ zu übersetzen. Doch gibt es bei den Māori noch einen zweiten Namen für den Golf: Tīkapa Moana, dessen Bedeutung sich am ehesten mit „schwermütiges Meer“ wiedergeben läßt. Doch ob schwermütig oder vom Nordwind in Wallung gebracht – die Wasser, über die unsere Fähre nun dahingleitet, sind ein Teil des Pazifiks.

Fähre auf dem Waitematā Harbour
Fähren wie die „Superflyte“ bestreiten den Personenfährverkehr auf dem Waitematā Harbour. Mit einer von ihnen sind wir nach Rangitoto Island unterwegs.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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In südöstlicher Richtung gewahre ich inmitten des Golfs eine kleine, nahezu kahle Insel, die nur in der Nähe ihrer Ufer ein paar Bäume aufweist, deren dunkles Grün sich von dem hellen des mit Gras bewachsenen Landes deutlich abhebt. Dieses steigt vom südlichen Ende des Eilands allmählich zu einem kleinen Hügel an, der im Norden unvermittelt zum Meer hin abfällt. Es ist natürlich überhaupt keine Überraschung mehr für mich, daß dieser 68 Meter hohe Hügel zu den Vulkanen des Auckland Volcanic Fields gehört. Aufgrund seiner Insellage gehört er zu den besterhaltenen dieser einst feuerspeienden, doch nun ruhenden Erhebungen. Weil sich im Westen der Insel Muschelbänke ins Meer ziehen, bezeichnen die Māori sie als Motukorea – Austernfischerinsel -, denn sie betrieben hier, lange bevor die Europäer eintrafen, eben jenes Gewerbe. Der englische Name des Eilands ist ungleich prosaischer: Browns Island. Er geht auf William Brown zurück, der gemeinsam mit John Logan Campbell ab 1840 auf der Insel siedelte, was diese zu einer der frühesten europäischen Siedlungen im Gebiet Aucklands macht. Heute lebt jedoch niemand mehr auf Motukorea. Daher gibt es auch keine Fährverbindung und man gelangt nur dorthin, wenn man mit dem eigenen Boot über den Golf schippert oder jemandem auftreibt, der ein solches Gefährt besitzt und gewillt ist, einen dorthin zu bringen. An Geologie Interessierte mögen es vielleicht noch interessant finden, daß man im Jahre 1977 auf Motukorea ein Mineral entdeckte, das bis dahin völlig unbekannt war. Es nach seinem Fundort zu benennen, lag nahe, und so kam das Motukoreait zu seinem etwas schwierig auszusprechenden Namen.

Als ich den Blick schließlich von Browns Island abwende und nach vorn in Richtung Rangitoto Island schaue, stelle ich zu meiner Überraschung fest, daß uns die große grüne Insel, das Ziel unserer Fahrt, bereits sehr nahe gerückt ist. Just in diesem Augenblick verlangsamt unser Schiff seine Fahrt und steuert auf einen langen Steg zu. Weit ragt er vom Inselufer in den Hauraki-Golf hinaus und knickt erst an seinem Ende im rechten Winkel ab, um in einer breiten Plattform zu enden. Diese ist ringsum von dicken Holzpfeilern umgeben, an denen die anlegenden Schiffe festmachen können. Es vergehen nur noch wenige Minuten, dann liegt unsere Fähre längsseits und ist an einem der Pfähle sicher vertäut. Zeit, von Bord zu gehen.

Kurz darauf stehen wir auf dem massiven Betonboden der Plattform und werfen einen letzten Blick zurück auf die Fähre. In rund dreieinhalb Stunden wird sie uns an dieser Stelle wieder abholen. Vorsichtshalber schaue ich auf mein Mobiltelefon, um den Ladestand des Akkus zu überprüfen. Schließlich möchte ich während unseres Aufenthalts hier die Uhrzeit genauestens im Auge behalten können, denn die Abfahrt der Fähre sollten wir keinesfalls verpassen. Andernfalls würden wir die Nacht auf der Insel verbringen müssen…

Wir machen uns auf den Weg. Gut einhundert Meter ist der Rangitoto Wharf, so der Name des Stegs, lang und etwas mehr als einen Meter breit. Durchgehend betoniert und auf Pfeilern aus demselben Material ruhend, macht er einen sehr soliden Eindruck. Links und rechts hält ein Geländer, bestehend aus jeweils einer durchgehenden Metallstange, die auf Pfosten aus demselben Material ruht, die auf ihm Wandelnden davon ab, ins Wasser zu fallen. Und damit auch niemand unter den Stangen durchrutsche, hat man in dem Raum zwischen ihnen und dem Boden des Stegs Drahtseile gespannt. Das dürfte auch die unsicherste Landratte vor jeglichem Wasserschaden bewahren.

Am Fähranleger von Rangitoto Island
Rangitoto Island heißt uns willkommen. Sein markanter Berg, der sich hier noch dezent im Hintergrund hält, ist unser nächstes Ziel.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Der Steg wurde erst im Jahr vor unserem Besuch hier eröffnet. Zuvor konnten die die Insel ansteuernden Schiffe lediglich an einem alte Holzkai festmachen, der noch aus dem Jahr 1958 stammte. Für einen Steg, der tagtäglich den Wassern und Wettern des Hauraki-Golfs ausgesetzt ist, hatte er damit ein recht stattliches Alter erreicht. So verwundert es nicht, daß seine Unterhaltung eine immerwährende Wartung erforderte, die mit der Zeit doch recht kostspielig war. Als zudem klar wurde, daß infolge der immerfort steigenden Besucherzahlen größere Schiffe eingesetzt werden mußten, die jedoch nicht in der Lage waren, an dem alten hölzernen Kai festzumachen, entschloß man sich schließlich zu dem Neubau, auf dem wir nun unterwegs sind.

Wir genießen für einen kurzen Moment den ersten Blick auf die Insel aus allernächster Nähe, dann folgen wir zügig dem Steg zu ihrem Ufer. Wir haben es fast erreicht, da halte ich kurz inne. Was ich sehe, fasziniert mich. Anstelle eines Sandstrandes blicke ich auf pechschwarze Klippen, die von den Wellen des Hauraki-Golfs umspült werden. Kein Zweifel – das ist Vulkangestein. Weiter hinten verschwindet es unter dem üppigen Grün der Vegetation, die die Insel so reichhaltig bedeckt und es verbirgt, doch hier, direkt am Ufer, tritt es ungeschminkt zu Tage. Ein ungewöhnlicher Anblick.

Dort, wo der Rangitoto Wharf auf die Insel trifft, ragen zu seinen beiden Seiten zwei runde, dunkle, hölzerne Pfosten auf, deren obere Enden in Schnitzereien enden, die auf mich den Eindruck kunstvoller Masken machen. Etwas unterhalb dieser Schnitzkunstwerke ist an den Pfosten eine Querstrebe befestigt, die den Steg überspannt. Sie besteht jedoch nicht aus einem einzigen Stück, sondern ist aus zwei Brettern zusammengesetzt, die in einem etwa Vierzig-Grad-Winkel aufwärts führen und sich an ihrem höchsten Punkt direkt über der Mitte des Stegs treffen, so daß eine Art Tor entsteht, das allerdings gänzlich ohne Türflügel auskommen muß. Die Nahtstelle zwischen den beiden Brettern wird von einer weiteren geschnitzten Maske kaschiert. Diese und die beiden anderen sind ebenso wie die Pfosten in Schwarz gehalten, während die Bretter des Torbogens in kräftigem Rot leuchten. Auch sie weisen über ihre gesamte Länge führende und als Bänder gestaltete Schnitzereien auf, die sich durch ihre ebenfalls schwarze Farbe von ihrem roten Untergrund abheben. Mit dem Durchqueren dieses Waharoa beziehungsweise Tors, das von Reuben Kirkwood, einem Schnitzer aus dem Stamm der Ngāi Tai ki Tāmaki, geschaffen wurde, verlassen wir den Rangitoto Wharf und betreten die Insel.

Der Rangitoto Wharf auf Rangitoto Island
Dieses Waharoa beziehungsweise Tor bildet das Ende des Rangitoto Wharfs und stellt gewissermaßen den Eingang zu Rangitoto Island dar.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Natürlich sind wir nicht auf die Insel gekommen, um uns einfach nur so mal ein wenig umzuschauen. Vielmehr haben wir uns einen ungefähren Plan für unseren Besuch hier zurechtgelegt, den wir nun sogleich in Angriff nehmen. Unser Ziel ist – wie sollte es auch anders sein – der Vulkan, der sich in Luftlinie nicht ganz zweieinhalb Kilometer entfernt von unserem jetzigen Standort befindet. Beziehen wir in unsere Schätzung mit ein, daß der Weg aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in direkter gerader Linie dorthin führen wird und wir an seinem Ende auch noch den Berg erklimmen müssen, gehen wir optimistisch davon aus, daß wir in etwa einer Dreiviertelstunde von seinem Gipfel auf die Umgegend der Insel hinabblicken werden.

Gesagt, getan. Das Wetter ist für eine Wanderung bestens geeignet. Der Himmel ist nach wie vor weitestgehend von dichten Wolken bedeckt, die nur manchmal die Sonne hindurchlassen. Dennoch ist es angenehm warm. Ich schätze die Temperatur auf irgendetwas zwischen dreiundzwanzig und fünfundzwanzig Grad. Ein leichter Wind streicht über uns hinweg und verbreitet so eine angenehme Atmosphäre, in der wir nun entspannt die ersten Schritte auf der Insel wagen. Diese führen uns zunächst einen breiten Uferweg entlang in eine kleine Bucht hinein. Der Boden sieht dabei so aus, als wäre er zwar nicht befestigt, aber doch planiert und so verdichtet worden, um einen möglichst ebenen Untergrund abzugeben, auf dem man gegebenenfalls auch bequem fahren könnte. Während links von uns das Gelände etwas ansteigt, einige Felsen flach aus ihm herausragen und Bäume uns die Sicht auf das Innere der Insel versperren, wird unser Weg auf der rechten Seite von einer etwa dreißig Zentimeter hohen Mauer eingefaßt, hinter der sich die Wasserfläche der Bucht erstreckt. Ein zwischen zwei niedrigen Pfosten aufgehängtes grünes Schild verkündet uns in leuchtend gelben Lettern, daß wir hier im Rangitoto Island Scenic Reserve – dem Landschaftsschutzgebiet der Insel Rangitoto – herzlich willkommen sind.

Unser Weg folgt den Krümmungen und Biegungen des Ufers, von dem er sich kaum einmal entfernt, und wenn doch, dann nur, um einigen Bäumen ein wenig Platz zu machen, die die Nähe des Wassers suchen, oder um einem Rastplatz Raum zu gewähren. Zweimal führen kleinere Wege rechts ins Inselinnere hinein, deren Ziel jedoch nicht besonders ausgewiesen ist, so daß wir sie ignorieren. Als wir das Ende der kleinen Bucht erreicht haben, stoßen wir schließlich auf einen dritten Abzweig. Islington Bay – Islington-Bucht – steht auf einem kleinen Schild, das ebenso gestaltet ist wie die Willkommenstafel zuvor. Ein Pfeil deutet an, daß wir zum Erreichen der Bucht einfach der Uferstraße folgen sollen. Da das allerdings nicht unserer Absicht, mit der wir auf die Insel gekommen sind, entspricht, schenken wir lieber dem anderen Eintrag Beachtung: Rangitoto Summit – Rangitoto-Gipfel – ist dort zu lesen und der zugehörige Pfeil zeigt unmißverständlich auf den abzweigenden Weg.

Es sind nur einige wenige Schritte, die ich auf ihm unternommen habe, als mir bereits einige entscheidende Veränderungen auffallen. Da wäre zunächst einmal die Beschaffenheit des Weges. Waren wir zuvor auf einer breiten Uferstraße unterwegs, wandern wir nun auf einem weitaus schmaleren Weg. Und auch wenn er durchaus bequem zu gehen ist, läßt er die Beschaffenheit des Inselbodens viel unmittelbarer zutagetreten, als das zuvor der Fall gewesen war. So ist der vulkanische Ursprung des Geländes, durch das wir uns bewegen, nun kaum mehr zu übersehen, weist doch allein die fast schwarze Färbung des Untergrunds bereits überdeutlich darauf hin. Doch auch die Witterung scheint sich nun, da wir die Bucht verlassen haben und mit jedem Schritt weiter ins Inselinnere vordringen, irgendwie verändert zu haben. Das angenehme Lüftchen, das uns am Meeresufer noch umweht hatte, ist jetzt vollständig verschwunden. Und obwohl sich die Temperatur vermutlich nicht verändert hat, kommt es mir mit einem Mal so vor, als sei es um einige Grad wärmer geworden. So sehr, daß das Wandern, wenn auch nicht beschwerlich, so doch auf eine gewisse Weise durchaus anstrengender geworden ist. Doch davon lasse ich mich nicht abhalten.

Vielmehr betrachte ich neugierig die Umgebung, die wir nun durchwandern. Sie wird in erster Linie durch Bäume geprägt, die mich in ihrer Form eher an Büsche erinnern, die allerdings übergroß gewachsen sind. Das liegt vor allem daran, daß sie nicht so recht dem Bild entsprechen, daß ich von ihren europäischen Vettern gewohnt bin, die in der Regel über einen markanten Stamm verfügen, aus dem erst in einer gewissen Höhe Zweige ausgebildet werden, um eine Baumkrone zu formen. Demgegenüber wirken die Bäume, die sich hier rings um mich herum befinden, eher so, als besäßen sie entweder mehrere Stämme oder verzweigten sich bereits direkt über dem Boden. Ihre Höhe ist nichtsdestoweniger beachtlich. Dafür sind die Blätter vergleichsweise klein. Das hat zur Folge, daß das Laubwerk vergleichsweise licht wirkt und die Sonnenstrahlen, so es ihnen einmal gelingt, durch die den Himmel nach wie vor bedeckenden Wolken zu brechen, ohne größere Probleme bis zum Boden gelangen können. Die Schattenwirkung der Bäume ist daher geringer als beispielsweise die einer voll belaubten heimischen Eiche oder Buche, was in mir eine gewisse Dankbarkeit für die Wolkendecke aufkommen läßt.

Leider habe ich, während ich zwischen und unter diesen Bäumen der Inselmitte entgegenwandere, keine rechte Ahnung, welcher Art diese sind. Erst später werde ich herausfinden, daß die Māori ihnen den Namen Pōhutukawa gegeben haben, während sie bei uns als Neuseeländischer Weihnachtsbaum bekannt sind, was für einen immergrünen Laubbaum ein etwas ungewöhnlicher Name ist, der sich allerdings dadurch erklärt, daß die Pflanze um die Weihnachtszeit herum, wenn in Neuseeland Sommer ist, puschelige, leuchtend rote Blütenstände ausbildet. Tatsächlich bin ich hier im größten Pōhutukawa-Wald der Welt unterwegs, ein Superlativ, der jedoch eher Bezug auf die Vielzahl der Exemplare Bezug nimmt als auf die Charakteristik einer dicht mit Bäumen bestandenen, in tiefe Schatten getauchten Landschaft, die ich normalerweise mit einem Wald verbinde. Allerdings kann es durchaus sein, daß dieser Wald diese Eigenschaften in zukünftiger Zeit noch entwickelt, ist er doch, genau wie die ganze Insel, noch relativ jung. Und so sind auch die Bäume noch weit davon entfernt, ihr mögliches Alter von mehr als eintausend Jahren erreicht zu haben. Der älteste Pōhutukawa-Baum in Neuseeland befindet sich auf der Nordinsel in der Nähe des East Cape und soll ungefähr sechshundert Jahre alt sein. Fotografischen Aufnahmen nach zu urteilen verfügt er durchaus über eine dichte, ausladende Baumkrone, die reichlich Schatten spendet.

Daß es die Vegetation der Insel, die es mittlerweile auf mehr als zweihundert Baum- und Blumen- sowie mehr als vierzig Farnarten bringt, nicht gerade leicht hat, erschließt sich mir das erste Mal bereits nach wenigen Metern, die wir auf dem Weg ins Inselinnere unterwegs sind. Unvermittelt tritt rechterhand die Vegetation vom Wegesrand zurück und öffnet den Raum für ein kleines Feld, das mich aufgrund der überaus dunklen Färbung des Bodens beim ersten flüchtigen Blick darauf an einen umgepflügten Acker denken läßt. Als ich jedoch genauer hinschaue, stelle ich fest, daß ich es hier keineswegs mit aufgebrochener Erde zu tun habe, sondern vielmehr pures Lavageröll vor mir sehe. Angesichts der völligen Abwesenheit jeglicher Pflanzen wirkt dessen Schwärze absolut lebensfeindlich und bildet so einen scharfen Kontrast zu der üppigen Lebendigkeit des Grüns der sie umgebenden Vegetation. Nichts, gar nichts scheint hier gedeihen zu können. Und doch ist das unverwüstliche pflanzliche Leben gerade dabei, auch dieses Areal zu erobern. An den Rändern des Lavafeldes scheinen sich kleine Ranken und Zweige der umstehenden Bäume und Sträucher unverzagt vorzutasten, ragen hier und da bereits mit einigen grünen Blättern besetzte Zweige zwischen den Geröllbrocken hervor und sprengen sie im Zusammenwirken mit den Elementen der Witterung – Regenwasser, Wind und die Wärme der Sonne – Stück für Stück und sehr geduldig auf, so daß sich das Geröll nach und nach in kleinteiligere Fragmente verwandelt und von den Pflanzen mit der Zeit in Besitz genommen werden kann. Auf diese Weise hat die grüne Vegetation bereits den größten Teil der Insel in Beschlag genommen und begonnen, den bereits erwähnten Wald auszubilden. So wirken die Lavafelder, an denen wir auf unserem weiteren Weg zu dessen beiden Seiten immer wieder vorüberkommen und die mal so klein wie dieses erste, mal weitaus größer und damit hinsichtlich der Ödnis, die sie darstellen, unglaublich beeindruckend sind, wie letzte, vage Erinnerungen an den Ursprung der Insel.

Lavafeld auf Rangitoto Island
Lavafelder wie dieses sind in den äußeren Bereichen Rangitoto Islands allgegenwärtig. Die lebensfeindliche Schwärze des Gerölls bildet einen scharfen Kontrast zu der üppigen Lebendigkeit des Grüns der umgebenden Vegetation, die die Insel zum überwiegenden Teil erfolgreich erobert hat.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Daß dieser in vulkanischer Aktivität liegt, ist angesichts des deutlich ausgeprägten Vulkankegels in der Mitte der Insel offensichtlich. Weniger ins Auge fällt allerdings die Tatsache, daß das inmitten des Hauraki-Golfs gelegene Rangitoto Island noch gar nicht so alt ist. Wenn wir über die Entstehung von Landschaften, die wir besuchen und betrachten, nachdenken, gehen wir meist davon aus, daß diese in Zeiträumen stattgefunden hat, die so weit zurückliegen, daß wir sie uns kaum vorstellen können. Die fast kreisrunde Insel, deren Durchmesser zwischen fünf und sechs Kilometern liegt, entstand jedoch erst vor etwa sechs- bis siebenhundert Jahren. Ein Zeitraum also, als die Geschichte der menschlichen Zivilisation nicht nur bereits in vollem Gange war, sondern als auch bereits Menschen in dieser Region der Welt siedelten. Man nimmt heute an, daß der Vulkan Rangitoto in zwei Phasen mehrfach ausgebrochen ist, die sich wahrscheinlich über einen Zeitraum von nur fünf bis zehn Jahren erstreckten und in deren Zuge die Lavaströme die Insel formten. Weil allein etwa sechzig Prozent des von allen Vulkanen des Auckland Volcanic Fields ausgeworfenen Materials auf das Konto des Rangitoto gehen, ist dieser nicht nur der jüngste, sondern auch der größte Vulkan des Vulkanfeldes. Das ist auch mit bloßem Auge zu erkennen, wenn man ihn mit seinen Geschwistern vergleicht. Ihnen gegenüber ist seine Höhe von 260 Metern geradezu außerordentlich zu nennen.

Unser Weg führt uns weiter und weiter in die Insel hinein. Wir passieren weitere Lavafelder, die zunächst lediglich links oder rechts des Wegs auftauchen, bis wir schließlich eines erreichen, daß wir geradewegs überqueren müssen. Glücklicherweise ist der Pfad, auf dem wir unterwegs sind, gut ausgetreten, so daß sich für uns dabei keine große Schwierigkeiten ergeben und wir uns auch kaum darüber unsicher sein können, wo wir entlanggehen müssen. Dort, wo die Lavafelder dichter aufeinanderfolgen, nimmt die Höhe der Vegetation entsprechend ab. Offenbar ist in diesem Bereich der Eroberungsfeldzug der Vegetation noch nicht so weit vorangeschritten wie zu Beginn dieses Wegs. Das eröffnet uns allerdings die Möglichkeit weitreichender Ausblicke über die Insel. In der Ferne sehen wir immer wieder den Vulkankegel des Rangitoto vor uns, dem wir uns mit jedem Schritt nähern, auch wenn das aufgrund der zahlreichen Windungen des Weges zunächst gar nicht so sehr auffällt.

Nur sehr vereinzelt begegnen uns Wanderer, die in der entgegengesetzten Richtung unterwegs sind. Respektvoll machen wir einander Platz, denn der Weg ist inzwischen schmaler geworden. Aufgrund der hier nicht allzu hoch aufragenden Vegetation und der immer wieder auftretenden Geröllbrachen der Lavafelder haben wir stets ein gutes Stück des Wegs voraus im Blick und können, wenn wir uns umdrehen, auch einen gehörigen Abschnitt der zurückgelegten Strecke überblicken. Dabei fällt mir auf, daß ich so gut wie nie andere Personen entdecken kann, die in dieselbe Richtung wie wir unterwegs sind. Mir drängt sich die Frage auf, wo eigentlich die ganzen Leute abgeblieben sind, die mit uns gemeinsam die Fähre verlassen haben. Doch weil ich darauf keine Antwort weiß, halte ich mich nicht allzu lange damit auf und wende meine Aufmerksamkeit wieder dem Weg und der Landschaft zu.

Diese hat ihr Antlitz nun schon eine ganze Weile nicht mehr verändert. Noch immer wechseln sich Areale dichter Vegetation, die hier aus buschhohen Pflanzen mir unbekannter Arten besteht und nur vereinzelt mit Bäumen durchsetzt ist, mit tiefschwarzen Lavafeldern ab. Das Gelände gewinnt hier kaum an Höhe, und wo es das doch einmal tut, ist es fast nicht merkbar. Als wir eine dieser Stellen erreichen, registrieren wir den Höhenunterschied eigentlich nur wegen der acht Stufen, die man hier in den Weg eingelassen hat, die jedoch ausschließlich der Bequemlichkeit dienen. Zur Überwindung des Anstiegs notwendig wären sie nicht.

Wir sind nun bereits gute zwanzig bis dreißig Minuten auf dem Rangitoto Summit Track genannten Weg unterwegs, als sich der Charakter der Landschaft langsam zu ändern beginnt. Die Lavafelder hören nach und nach auf, dafür nimmt die Anzahl der Bäume wieder zu. Die Büsche rücken näher an den Weg heran und ich bemerke nun auch einige Gräser, die teils beachtlich Höhen erreichen. Glücklicherweise ist der Pfad nach wie vor recht frei und weiterhin bequem zu gehen, doch zu beiden Seiten haben wir nun dichte Vegetation neben uns, die jeden Ausblick wirksam verhindert und ein Abweichen vom Weg nahezu unmöglich macht.

Auf dem Weg zum Rangitoto
Je weiter man sich dem Rangitoto nähert, um so seltener werden die Lavafelder. Stattdessen verdichtet sich die Vegetation mehr und mehr und es treten Felsen links und rechts des Weges zutage.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Als ich am Wegesrand die ersten Felsen bemerke, die aus dem Boden lugen und nach und nach größer und auch höher werden, weiß ich, daß wir dem in der Inselmitte aufragenden Berg nun schon recht nahe sind. Bestätigt werde ich in dieser Annahme auch durch die nun häufiger und vor allem merkbar werdenden Anstiege des Geländes.

Gerade als ich in Gedanken diese Feststellung mache, scheint es fast so, als wolle die Insel mir zeigen, wie wenig berechenbar sie ist. Denn als ich eine weitere Biegung des Weges hinter mir gelassen habe, gewahre ich unmittelbar vor mir ein weiteres Lavafeld und für einige Minuten sieht die Landschaft wieder aus wie zuvor.

Doch letztlich erweist sich dies nur als kurze Episode auf dem Weg zum großen Berg, denn bereits hinter einer weiteren Biegung kehren der dichte Bewuchs und die aus dem Boden ragenden Felsen zurück und ich muß nun wirklich aufpassen, wo ich meinen Fuß hinsetze, denn der Weg ist plötzlich gar nicht mehr so eben und ausgetreten wie noch kurz zuvor. Jetzt heißt es genau hinschauen, um sorgsam und sicher aufzutreten, haben sich doch die Felsen nun auch auf den Weg vorgewagt und Baumwurzeln trachten danach, des Wanderers Schritte zu hemmen und ihn zu Fall zu bringen.

Wieder hat man Stufen in den Boden eingelassen, um steilere Anstiege leichter begehbar zu machen. Doch weil diese Stufen aus natürlichen Steinen bestehen, die man zurechtgehauen und mit irgendeiner Masse zusammengefügt hat, ist es auch hier wichtig, gut aufzupassen, wo man hintritt, denn Witterung und Erosion verrichten unablässig ihr Werk und sorgen für jede Menge Unebenheiten und kleines Geröll, das sich auf den Stufen abgelagert hat. Wer hier unachtsam ist und unpassendes Schuhwerk trägt, hat gute Chancen, unversehens der Länge nach hinzuschlagen.

Schließlich erreichen wir wieder eine Weggabelung. Ein weiteres der grünen Schilder heißt uns, die rechte Abzweigung zu nehmen, was wir bereitwillig tun. Erneut passieren wir Areale schwarzen Lavagerölls, die jedoch längst nicht mehr die Ausdehnung der früheren Lavafelder erreichen. Es handelt sich lediglich um kleine Brachen, die uns jedoch nun, da wir bereits eine gewisse Höhe gewonnen haben, hier und da erste Fernblicke über die Insel gewähren, für die wir uns allerdings umdrehen müssen, da vor uns das Gelände weiter ansteigt. Immerhin sind wir dem Berg in der Mitte der Insel nun schon sehr nah. Hinter uns jedoch schweift unser Blick über die Insel und die Wasserfläche des Hauraki-Golfs, hinter der wir in der Ferne die Innenstadt von Auckland erkennen können. Wir halten uns allerdings nicht lange damit auf zurückzublicken, drängt es uns doch vorwärts und hinauf auf den Gipfel des Rangitoto, von dem wir uns um ein Vielfaches spektakulärere Ausblicke erwarten.

Wieder geht es durch dichte Vegetation, über Stock, über Stein und über Stufen den gut erkennbaren Weg entlang, der nun wirklich deutlich merkbar bergauf führt. Ganz offensichtlich haben wir den Hang des Berges erreicht. Und hier gewahre ich zum ersten Mal, seit wir auf der Insel unterwegs sind, Bäume, die nach meinem Verständnis den Namen auch verdienen. Nahezu sofort scheint der Lavaboden verschwunden zu sein. Er hat einem typischen Waldboden Platz gemacht, der von jeder Menge trockener Blätter, kleiner Holz- und Rindenstückchen und Erde bedeckt ist. Und auch der für einen Wald charakteristische Schatten hat sich zu guter Letzt eingestellt. Nur daß es hier in irgendeiner Weise kühler ist, kann ich nicht feststellen. Vielleicht liegt es ja nur an der Anstrengung des bisherigen Aufstiegs, aber mir ist recht warm. Daß dies jedoch noch gar nichts ist im Vergleich mit dem, was noch folgen sollte, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich bin gerade damit beschäftigt, ein weiteres der grünen Hinweisschilder zu studieren, das sich dort befindet, wo unser Weg sich mit zwei anderen trifft. Es bestätigt mir, was ich angesichts des Blickes auf die Uhr meines Mobiltelefons bereits weiß, nämlich daß wir uns bei der Zeit, die wir für den Weg zum Gipfel benötigen würden, etwas verschätzt haben. Die Entfernungen sind hier nämlich nicht in Metern angegeben, sondern mittels Zeitangaben. Und für den eben von uns zurückgelegten Weg vom Rangitoto Wharf hierher gibt das Schild eben jene fünfundvierzig Minuten an, die wir in etwa auch benötigt haben. Der Weg hinauf zum Gipfel wird mit weiteren fünfzehn Minuten beziffert. Und weil wir angesichts der feststehenden Abfahrtszeit der Fähre, die uns später nach Auckland zurückbringen soll, keine einzige Minute zu verlieren haben, machen wir uns unverzüglich daran, den letzten Abschnitt unseres Aufstiegs in Angriff zu nehmen.

Als ich mittels meines Mobiltelefons auf die Karte der Insel schaue, erkenne ich schnell, daß der Weg hinauf zum Gipfel von hier aus gerade einmal wenig mehr als 400 Meter lang ist. Dafür fünfzehn Minuten zu veranschlagen, scheint mir doch ein wenig übervorsichtig zu sein. Wie langsam soll man denn da unterwegs sein?

Nun, ich erfahre es am eigenen Leib schon nach wenigen Metern. Gleich zu Beginn des Wegs hat man ihn mit Stufen versehen, die helfen sollen, die Steigung leichter zu überwinden. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch recht optimistisch bin, die paar Meter ohne Schwierigkeiten zurücklegen zu können, wundere ich mich etwas über diese Maßnahme, denn so stark scheint mir der Anstieg eigentlich nicht zu sein, daß es hier Stufen bedurft hätte, um ihn begehbar zu machen. Und wenn man es genau nimmt, sind es auch nicht wirklich Stufen, sondern lediglich schmale Trittleisten, die man in den Boden gesetzt hat, um zu verhindern, daß er einfach eine Schräge bildet, denn zwischen diesen Leisten befindet sich ganz normaler Waldboden wie überall sonst auch. Als wir diese Treppen hinter uns haben, wandern wir auf einem Waldweg weiter, der einen reichlichen Meter breit ist und sich wieder recht bequem gehen läßt. Doch was so harmlos aussieht, ist es nicht, denn es geht nun wirklich unablässig bergauf. Zwar ist der Anstieg nicht übermäßig steil, dafür aber von strikter Kontinuität, so daß man, um vom Bergauf-Gehen einmal Pause zu haben, stehenbleiben muß. Das allein wäre sicher gar kein Problem, nicht einmal für einen ungeübten Wanderer, denn lang ist der Weg, wie bereits gesagt, nicht. Auch geht er zunächst einfach geradeaus, bevor er eine weite Kurve nach rechts absolviert. Was ihn mich jedoch bereits nach kurzer Zeit als recht anstrengend empfinden läßt, sind zwei Dinge. Zum einen ist die Atmosphäre hier im Wald aus irgendeinem Grund ausgesprochen unangenehm. Hatte es auf dem Weg hierher zwar keinen Wind mehr, so doch aber immerhin ab und an ein ganz leises Lüftchen gegeben, war nun auf einmal damit gänzlich Schluß. Die Luft, so mein Eindruck, steht förmlich um mich herum. Auch scheint es in diesem Wald nach meinem Empfinden erneut irgendwie wärmer geworden zu sein als vorher. Vielleicht ist die Temperatur auch dieselbe geblieben und es kommt mir nur so vor, als sei sie noch einmal gestiegen, weil ich wie bei jedem Wald erwartet hatte, daß es unter den Bäumen kühler sein würde, was ganz offensichtlich nicht der Fall ist. Doch wie dem auch sei, der andere Grund für mein Unbehagen ist mein schon seit dem Morgen eingeschränktes Wohlbefinden. Bisher hatte ich keine sonderlichen zusätzlichen Beschwerden empfunden, doch nun, da die körperliche Anstrengung durch den Weg bergauf noch einmal zugenommen hatte, fühle ich mich auf einmal etwas angeschlagen.

Doch weil ich mich davon nicht aufhalten lassen will, reiße ich mich zusammen, setze stur einen Fuß vor den anderen und steige langsam, aber stetig den Weg hinan. Als ich schließlich eine weitere Wegkreuzung erreiche, wähne ich mich schon am Ziel, doch ein weiteres der mir nun schon hinlänglich bekannten grünen Schilder weist mich darauf hin, daß die Stelle, die ich für den Rand des Gipfels hielt und die ich nun erreicht habe, lediglich der Rundweg um den Krater des Rangitoto ist. Wolle ich tatsächlich hinauf zum Gipfel – und das steht außer Frage -, müsse ich noch einmal etwa einhundert Meter zurücklegen. Natürlich bergauf. Da ich befürchte, daß eine Rast zu diesem Zeitpunkt meine Motivation, den Weg fortzusetzen, doch arg dämpfen würde, halte ich mich gar nicht lange auf und gehe weiter. Allerdings, und das merke ich sofort, hat der folgende und letzte Wegabschnitt mit Gehen eigentlich nichts, absolut gar nichts zu tun. Denn nahezu sofort finde ich mich im wahrsten Sinne des Wortes auf einem Holzweg wieder. Nur daß dieser hier ausschließlich aus Stufen besteht.

Zu Beginn ist die Steigung noch moderat, und so liegen die einzelnen Stufen teils rund einen Meter auseinander. Ein Umstand, der den Anstieg nicht unbedingt einfacher macht, habe ich doch nun immer ein bis zwei Schritte zu gehen, bevor ich die nächste Stufe nehmen muß. Als nach knapp fünfzig Metern die Abstände zwischen ihnen kürzer und kürzer zu werden beginnen, ist mir klar, worauf das hinausläuft. Und richtig: der letzte Abschnitt des Weges besteht aus einer Treppe. Immerhin mit Geländer, zuerst einseitig, dann auf jeder Seite. Nun sind die Stufen auch nicht mehr in den Boden eingelassen, sondern darübergebaut worden. Als ich endlich oben ankomme, bin ich, wie man so sagt, völlig durch. Mein T-Shirt kann ich quasi auswringen. Nun, darauf verzichte ich zwar, doch ich wechsle es wenigstens aus, denn ich mag es nicht sonderlich, in feuchten Klamotten herumzulaufen. Als ich auf die Uhr schaue, stelle ich fest, daß ich tatsächlich rund fünfzehn Minuten hier hinauf unterwegs war. Ganz offensichtlich hat man hier das Vermögen der üblichen Besucher – und damit auch meines -, den Berg zu ersteigen, recht gut eingeschätzt. Irgendwie komme ich mir angesichts meiner etwas großspurigen Gedanken zu Beginn des Weges etwas dumm vor. Da tröstet es mich auch nicht sonderlich, daß es nicht vierhundert, sondern fünfhundert Meter waren, auf die sich die Zeitangabe bezog.

Doch diese Gedanken sind schnell vergessen, als ich mich, nachdem ich mich etwas erholt habe, erst einmal umschaue. Das erste, was mir dabei ins Auge fällt, ist die Tatsache, daß, obwohl ich die Treppe hinter mir habe, der Weg weiterhin aus Holz besteht. Er bildet eine Art Steg, zusammengesetzt aus aneinandergereihten Holzbohlen und zu beiden Seiten mit einem massiven Geländer versehen. Am oberen Rand der Treppe, die ich hinaufgekommen bin, führt auf diese Weise der Weg geradeaus weiter, während sich gleich rechts ein weiterer solcher Steg anschließt, der jedoch nach wenigen Metern als Sackgasse endet. Er dient lediglich zum Erreichen eines Aussichtspunktes, den ich mir natürlich nicht entgehen lasse. Am Ende des Steges angekommen, kann ich den Blick über ein atemberaubendes Panorama schweifen lassen. Im Norden schaue ich direkt über den Hauraki-Golf, der linkerhand von der Küste der Nordinsel Neuseelands begrenzt wird. Nordöstlich liegt die Nachbarinsel Motutapu Island, von Rangitoto Island nur durch einen schmalen Kanal getrennt, der in die zwischen den beiden Inseln liegende Islington Bay mündet. Diese kann ich von hier aus genau im Osten sehen. Nun weiß ich auch, wohin uns die Uferstraße geführt hätte, auf der wir zu Beginn unseres Besuches auf Rangitoto Island unterwegs waren, wenn wir ihr weiter gefolgt wären. Was mich fasziniert, ist, daß im Gegensatz zu unserer Insel, die von hier oben dicht bewaldet erscheint und in einem satten Grün leuchtet, Motutapu Island nahezu baumlos ist. Tatsächlich gibt es dort fast nur Gras und Feuchtwiesen. Als ältere der beiden Inseln war Motutapu Island bereits rund einhundert Jahre vor dem Ausbruch des Rangitoto von den Māori bewohnt gewesen. Ihre Siedlungen dort wurden jedoch durch die Eruptionen weitgehend zerstört. In der Zeit danach wurden sie wieder neu gegründet und die Māori lebten hier, bis im 19. Jahrhundert die europäischen Siedler kamen, den Stämmen erst Teile und schließlich die ganze Insel abkauften und Farmen anlegten. Im Zweiten Weltkrieg gehörte Motutapu Island dann zu den Küstenverteidigungsstellungen für den Waitematā Harbour und es wurden militärische Anlagen errichtet, darunter Geschützstellungen, Kasernen, unterirdische Munitionslager und Beobachtungsposten. Deren Versorgung erforderte den Bau von Straßen, und so stammt auch der Verbindungsdamm, der die Insel heute mit Rangitoto Island verbindet, aus jener Zeit. All diese Anlagen sind zu großen Teilen heute noch vorhanden, nur die darin einst positionierten Geschütze hat man inzwischen entfernt.

Auf dem Rangitoto
Von der Aussichtsplattform auf dem Gipfel des Rangitoto schaut man in nördlicher bis nordöstlicher Richtung auf dieses Panorama, wobei der Blick direkt über den im Vordergrund liegenden Krater des Rangitoto hinweggeht. Dahinter dehnt sich der Hauraki Gulf, in dem Rangitoto Island liegt. Der vergleichsweise kahle Landstrich im Nordosten ist die benachbarte Insel Motutapu Island.
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Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Als ich über Motutapu Island und die dahinterliegende Wasserfläche des Hauraki-Golfs hinwegblicke, kann ich im Wolkendunst eine weitere Landmasse ausmachen, die sich durch eine markante Erhebung auszeichnet. Dies ist die Nordspitze der mehr als achtzig Kilometer langen und etwa vierzig Kilometer breiten Coromandel-Halbinsel, die in gewisser Weise ein kleines Stück Indien nach Neuseeland bringt, verdankt sie ihren Namen doch dem Handelsschiff HMS Coromandel, das im Jahre 1820 erstmals an der Westküste der Halbinsel ankerte und seinerseits nach der Koromandelküste in Indien benannt worden war.

Daß mein Blick beim Betrachten dieses Panoramas direkt über den Krater des Rangitoto hinweggeht, entzieht sich meiner Aufmerksamkeit zu diesem Zeitpunkt völlig. Wie ich jedoch später feststellen werde, hat das durchaus seinen Grund. Für den Augenblick habe ich jedoch angesichts der phänomenalen Aussicht von hier oben nicht nur vergessen, daß ich mich auf einem Vulkan befinde, sondern auch jeglichen Gedanken an den anstrengenden Aufstieg bereits vollständig verdrängt.

Zurück auf dem Hauptweg, gehen wir diesen entlang zur südwestlichen Seite des Gipfels. Obwohl – einen Gipfel im eigentlichen Sinne hat der Rangitoto eigentlich nicht, da er wie jeder anständige Vulkan an dessen Stelle ja einen Krater aufweist. Wir bewegen uns also tatsächlich auf dem Kraterrand, auch wenn wir das im Augenblick immer noch nicht so richtig wahrgenommen haben. Der Bohlenweg führt weiter geradeaus und integriert nun auf der linken Seite zwei lange Holzbänke in sein Geländer, das ihnen als Lehne dient. Eigentlich ist ja nach der Wanderung und dem Aufstieg eine kurze Pause für unsere Beine keine ganz schlechte Idee, und so setzen wir uns für einige Minuten, um einen Schluck zu trinken und für einen kurzen Moment die Beine baumeln zu lassen.

Fast sofort bekommen wir Besuch. Ein kleiner, ziemlich bunt gefiederter Vogel hüpft neugierig näher und beäugt uns, offenbar in der Erwartung, daß wir vielleicht etwas aus unseren Taschen holen, das wir ihm zukommen lassen wollen. Die Vielzahl der Farben in seinem Federkleid fasziniert mich. Sie reichen von diversen Grüntönen über Gelb und Braun bis Grau. Vielleicht ist auch ein bißchen Rot dabei, aber diesbezüglich bin ich mir keineswegs sicher. Der kleine Piepmatz ist etwa so groß wie einer unserer heimischen Sperlinge, vielleicht sogar etwas kleiner, und neben seinem bunten Federkleid ist ein weißer Ring um seine Augen sein charakteristischstes Merkmal. Von ihm hat er auch seinen Namen: Graumantel-Brillenvogel. Als er einsieht, daß er von uns nichts zu erwarten hat, hüpft er weiter. Es sitzen ja noch mehr Leute auf der langen Bank. Kaum ist er weg, kommt ein weiterer Vogel über die Bohlen zu uns heran. Er ist etwa so groß wie eine Amsel und sollte uns mit seinem vornehmlich brauen Gefieder, das an der Unterseite stark aufgehellt und gesprenkelt ist, eigentlich bekannt vorkommen, wenn wir denn gute Kenner unserer heimischen Vogelwelt wären, denn es handelt sich um eine Singdrossel. Das wäre unter natürlichen Umständen eigentlich völlig unmöglich, denn auch wenn Neuseeland evolutionsgeschichtlich ein regelrechtes Vogelparadies ist, gehörte die Singdrossel ursprünglich nicht zu den hier heimischen Tieren. Sie wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit anderen Arten von den europäischen Siedlern auf den Inseln eingeführt.

Auch die Drossel wendet schließlich ihre Aufmerksamkeit unseren Nachbarn auf der Bank zu, was uns nicht sonderlich stört, denn wir haben keine Zeit, lange hier herumzusitzen. Schließlich gibt es noch viel zu sehen. Und so sind wir gleich darauf wieder auf den Brettern unterwegs zum anderen Ende des Aussichtsareals. Auf dem Weg dorthin habe ich Gelegenheit, mir die nähere Umgebung anzuschauen. Wir befinden uns hier auf einem kleinen Plateau, dessen Mitte von einem einigermaßen ebenen, erdigen und gänzlich unbewachsenen Platz gebildet wird, über den unser Bohlenweg hinwegführt. Daß man sich angesichts des nicht gerade unwegsamen und durchaus begehbaren Geländes die Mühe gemacht hat, ein so ausgedehntes hölzernes Wegesystem zu errichten, erschließt sich mir nicht so recht. Ob man damit hat verhindern wollen, daß das natürliche Habitat von den zahlreichen Besuchern zertreten wird? Vielleicht. Zwar kann man den Weg dort, wo er an dem Erdplatz vorüberführt, verlassen, doch überall dort, wo die Vegetation des Berges an ihn herantritt, verhindern die Holzgeländer wirksam, daß Touristen wie wir in deren Areale eindringen können.

Als wir schließlich am südwestlichen Ende des Weges angekommen sind, bietet sich unseren Augen ein ähnlich beeindruckendes Panorama wie zuvor an der Nordostseite, nur daß wir hier über die Wasser des Hauraki-Golfs hinüber nach Auckland schauen. Mein Blick schweift, im Osten beginnend, über die am Golf gelegene Küste der Stadt, an der sich Vorort an Vorort reiht, bis ich den Bastion Point entdecke. Ich erkenne ihn allerdings nur anhand meines Wissens, wo er liegt, denn die Entfernung ist zu groß, um das Michael Joseph Savage Memorial mit bloßem Auge erkennen zu können. Etwas weiter westlich liegt die Einfahrt zum Waitematā Harbour, auf deren rechter Seite Devonport liegt. Deutlich kann ich den North Head und den Mount Victoria ausmachen. In gerade Linie hinter ersterem ist die markante Erhebung des Mount Eden zu sehen und etwas weiter rechts ragen die Hochhäuser der Innenstadt Aucklands in die Höhe, an die sich dann die Wasserfläche des Waitematā Harbour anschließt, über die die Auckland Harbour Bridge ihren Bogen spannt. Den Horizont dahinter bildet die Bergkette der Waitākere Ranges. Die sich darüber auftürmenden Wolkenberge lassen es stellenweise schwierig werden zu unterscheiden, wo die Berge aufhören und der Himmel beginnt. Weiter und weiter dehnt sich das Panorama schließlich in Richtung Westen, wo das einstige North Shore City von hier oben nahezu vollständig zu überblicken ist. Es wirkt geradezu düster angesichts der darüber dräuenden tiefgrauen Wolkenbank. Schwere Schleier auf die Stadt niederstürzenden Regens lassen die Sicht hier und da verschwimmen. Es ist ein faszinierendes Wetterschauspiel, daß sich da vor unseren Blicken entfaltet: im Osten eine in hellem Tageslicht erstrahlende Szenerie, durch Risse in der Wolkendecke teils von der Sonne beschienen, im Westen eine von düsteren Wolken verdunkelte Welt, auf die schwere Regenschauer niederprasseln, die vom Wind über das Land getrieben werden. Und noch etwas weiter, nun schon in Richtung Nordwesten, kann ich die Küste der Nordinsel Neuseelands weiter entlangschauen bis etwa zu dem Punkt, an dem ich vorher, am anderen Ende des Aussichtsareals, meinen Rundblick begonnen hatte.

Auf dem Rangitoto
Die Innenstadt Aucklands mit dem markanten Sky Tower und den sich dahinter auftürmenden Bergen der Waitākere Ranges, verdunkelt von düsteren Regenwolken. Ein faszinierender Anblick!
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Rechts neben der Aussichtsplattform führt eine ebensolche Treppe, wie wir sie zuvor hinaufgestiegen waren, wieder hinab. Allerdings ist sie ganz erheblich kürzer, denn sie besitzt gerade einmal elf Stufen. An deren Ende entläßt sie uns ohne viele Umschweife auf einen schmalen Pfad, der mitten hinein in die Wildnis führt und sich nach wenigen Metern inmitten der Vegetation zu verlieren scheint. Nun, da meine Aufmerksamkeit nicht mehr von atemberaubenden Panorama-Ansichten in Anspruch genommen wird, erinnere ich mich auch wieder, was auf der Hinweistafel zu Beginn meines langen Aufstiegs über die Treppe hinauf zur Aussichtsplattform gestanden hatte. Zwei Ziele waren dort verzeichnet gewesen: der über den Crater Rim Track erreichbare Rangitoto Summit Viewpoint und der über den Crater Rim Track erreichbare Rangitoto Summit Viewpoint. Was zunächst wie ein schlechter Scherz anmutet, wird klar, wenn man die beigegebenen Entfernungen liest: einhundert Meter und siebenhundertfünfzig Meter. Ganz offensichtlich und naheliegenderweise ist der Crater Rim Track – der Kraterrandweg – ein Rundweg. Ein Kraterrandrundweg. Und weil der Rangitoto Summit Viewpoint – der Aussichtspunkt auf dem Rangitoto-Gipfel – an eben diesem Kraterrandweg liegt, kann er in beiden Laufrichtungen erreicht werden, nur in unterschiedlicher Entfernung.

Für uns steht völlig außer Frage, daß wir nicht denselben Weg wieder zurückgehen, sondern die Route wählen, die uns die siebenhundertfünfzig Meter um den Krater herumführt. Denn schließlich wollen wir den ja auch noch zu sehen bekommen, wenn das irgendwie möglich ist. Und so folgen wir dem kleinen Pfad frohen Mutes geradewegs in die Botanik hinein.

Auf dem Crater Rim Track
Ein gemütlicher Wanderweg – das ist der Crater Rim Track, der uns um den Rangitoto-Krater führt, welcher rechterhand allerdings weitestgehend unsichtbar bleibt. Dafür bieten sich auf der gegenüberliegenden Wegseite immer wieder atemberaubend schöne Ausblicke.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Es dauert nicht allzu lang, da ist aus dem schmalen Pfad ein ganz passabel breiter Weg geworden, der sich gemütlich gehen läßt. Mal geht es ein Stück bergauf, dann wieder etwas bergab, doch im wesentlichen bewegen wir uns stets auf gleicher Höhe. Die ersten hundert Meter des Weges wandern wir dabei durch einen niedrigen Wald. Links und rechts sind nur Bäume und Gebüsch zu sehen. Doch als unser Pfad schließlich eine leichte Kurve nach rechts beschreibt – wir wandern im Uhrzeigersinn um den Krater – ändert sich die Landschaft. Das Gelände links neben uns fällt jetzt meist nach einem, spätestens nach zwei Metern ab und geht in den Hang des Berges über, zu dessen Füßen sich die fast kreisrunde Insel ausdehnt. Lücken im Bewuchs bescheren uns nun immer wieder schöne Ausblicke auf die vor der Insel liegende Wasserfläche des Hauraki-Golfs, auf benachbarte Inseln oder aber die Landmasse der Nordinsel Neuseelands – je nachdem, wo auf dem Weg um den Krater wir uns gerade befinden. Rechts ist hingegen meist nicht sehr viel zu sehen außer dichter Vegetation. Bäume und Büsche bilden ein meist undurchdringliches Dickicht, das keinen Blick hindurch erlaubt. Und so bleibt auch der Vulkankrater während unseres Weges um ihn herum ein verborgenes Mysterium. Zwar empfinde ich das als ein wenig enttäuschend, doch angesichts der wechselnden Aussichten gegenüber habe ich das schnell vergessen.

Auf dem Rangitoto Summit Track
Ausblicke wie dieser bieten sich immer wieder auf dem Crater Rim Track rund um den Krater des Rangitoto. Hier geht der Blick in südsüdwestlicher Richtung hinüber zur Innenstadt Aucklands mit dem markanten Sky Tower, hinter dem sich die Bergkette der Waitākere Ranges erhebt. Davor ist, von der Innenstadt durch den Waitematā Harbour getrennt, der Ausläufer der North-Shore-Halbinsel zu sehen, auf dem sich rund um den Mount Victoria Devonport erstreckt.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Und noch etwas anderes fesselt immer wieder einmal meine Aufmerksamkeit. Zu beiden Seiten unseres Weges stehen nicht einfach nur Bäume und Büsche, hier sind wir inmitten einer Landschaft unterwegs, deren Vegetation mir als Europäer durchaus fremdartig erscheint. Die meisten der Pflanzen, die hier wachsen und, wie es scheint, prächtig gedeihen, sind mir überhaupt nicht bekannt. Koromiko und Karamu sind nur zwei dieser vielfältigen Pflanzenarten, denen ich hier begegne. Ihre – wenn auch recht unsichere – Identifikation gelingt mir allerdings nicht hier vor Ort, sondern erst später anhand meiner Fotoaufnahmen. Während mir im Falle der Koromiko-Pflanze ihre charakteristischen Blüten dabei helfen, sind es beim Karamu-Strauch seine dicht mit Beeren besetzten Zweige. Zwar sehen sie recht appetitlich aus, doch verzichte ich lieber darauf, sie zu pflücken, um sie zu probieren. So ganz ohne jegliche Ahnung von ihrer Eßbarkeit und Wirkung wäre das wohl irgendetwas zwischen tollkühn und lebensmüde. Und selbst wenn ich bereits gewußt hätte, daß die Früchte des Karamu gegessen werden können und daß man seine Triebe manchmal sogar für medizinische Zwecke verwendet, wäre immer noch die Frage gewesen, ob ich mir tatsächlich sicher bin, es auch wirklich mit einem Karamu-Strauch zu tun zu haben…

So beschränke ich mich lieber darauf, die schönen Blüten, die fremdartigen Blätter und die farbenfrohen Früchte zu bewundern und immer wieder die Aussicht zu genießen, die sich uns bietet, während wir unseren Weg rund um den unsichtbaren Krater fortsetzen. Als wir schließlich auf der Nordostseite des Berges angekommen sind, entfernt sich der Berghang links wieder von unserem Pfad und der Wald kehrt zurück. Zu beiden Seiten ist es nun wieder mit jeglicher Aussicht vorbei.

Erneut sind es etwa einhundert Meter, die wir unter den Bäumen zurücklegen, bis wir schließlich eine Wegkreuzung erreichen. Von links streben zwei Wege aus verschiedenen Richtungen den Berghang hinauf und treffen an dieser Stelle auf unseren Wanderpfad, der weiter geradeaus führt. Als ich in diese Richtung blicke, stelle ich überrascht fest, daß das Gelände dort recht stark ansteigt und darin eingelassene hölzerne Stufen unseren Weg hinaufführen. Sie sehen genauso aus wie die, die ich zuvor hinaufgestiegen war, um zum Gipfel zu gelangen. Für einen kurzen Moment überwältigt mich ein starkes Gefühl der Unlust. Soll ich wirklich noch einmal einen solchen Aufstieg bewältigen? Wozu? Ich war doch schon oben gewesen.

Doch die Abneigung ist ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen ist, und macht einem Gefühl großer Erleichterung Platz, als mir klar wird, daß ich den voraus sich abzeichnenden Aufstieg nicht noch einmal würde hinter mich bringen müssen. Mein Blick fällt nämlich auf eine grüne Tafel, die mir erklärt, daß ich dasselbe Ziel in zwei entgegengesetzten Richtungen erreichen kann. Na, diesen Scherz kenne ich bereits! Hier hatte ich heute schon einmal gestanden. Nur war ich zu jenem Zeitpunkt so mit den Anstrengungen des Aufstiegs beschäftigt gewesen, daß ich mich gar nicht so genau umgesehen hatte, was wohl auch der Grund dafür ist, daß ich die Wegkreuzung nicht sofort wiedererkannt hatte. So war mir auch völlig entgangen, daß es an ihr noch einen fünften Abzweig gibt. Dieser zweigt von unserem Rundweg auf dessen rechter Seite ab und führt unmittelbar auf einen ebensolchen Holzbohlensteg mit Geländern zu beiden Seiten, wie wir ihn schon von dem Aussichtsareal auf dem Gipfel des Berges kannten. Dieser hier ist allerdings nur gut zehn Meter lang und endet in einer kleinen, von dem Holzgeländer umschlossenen Plattform. Neugierig treten wir näher…

…und haben ihn nicht nur endlich vor uns, sondern blicken direkt in ihn hinein – den Krater des Rangitoto. Tatsächlich ist er auf den ersten Blick als solcher zu erkennen, denn ich schaue in einen deutlich ausgeprägten Kessel hinein. Dessen Rand überragt an nahezu allen Seiten unsere aktuelle Position, obwohl auch wir uns auf ihm befinden. Doch genau hier, an der Südostseite des Kraters, senkt er sich deutlich ab, so daß er direkt vom Rundweg aus zugänglich ist. Ob diese Eigenart bereits im Zuge des einstigen Ausbruchs entstand oder die Folge eines späteren Einsturzes ist, kann ich nicht sagen. Tatsächlich ist es mir in diesem Augenblick aber auch relativ gleichgültig, wird doch meine Aufmerksamkeit gerade von etwas anderem vollkommen in Bann gezogen. Nach all den Lavafeldern, an denen wir auf unserem Weg hierher vorübergekommen waren, hatte ich irgendwie erwartet, in diesem Krater eine Einöde aus Lavagestein anzutreffen. Doch das Erscheinungsbild des Kessels, der sich hier vor meinen Augen ausbreitet, könnte nicht weiter von dieser Vorstellung entfernt sein.

Der Krater des Rangitoto
Der grüne Krater des Rangitoto. Wer würde in diesem Paradies wohl den Schlund der Hölle vermuten?
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Der Krater ist vollständig von der üppigen Flora der Insel vereinnahmt worden und bietet mit seiner Vielfalt an unterschiedlichen Grüntönen einen faszinierenden Anblick. Diese sind ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Vegetation, über die meine Blicke hinwegschweifen, aus den unterschiedlichsten Pflanzenarten besteht. Den auch als Neuseeländischen Weihnachtsbaum bezeichneten Pōhutukawa kenne ich bereits. Einer am Beginn des Bohlenweges zur Plattform aufgestellten Informationstafel kann ich entnehmen, daß die Bäume mit den schlanken, hohen Baumkronen als Rewarewa bezeichnet werden – Silberbaumgewächse der Art Knightia excelsa, die im Englischen auch als New Zealand Honeysuckle bezeichnet werden – Neuseeland-Geißblatt. Dieser Name wird heute allerdings kaum mehr gebraucht – vielleicht auch, weil die Pflanze mit dem herkömmlichen Geißblatt botanisch gesehen eher wenig zu tun hat. Die Tafel verrät mir desweiteren, daß die niedrigen, gestrüppartigen Pflanzen, die den Boden des Kraters zur Gänze bedecken, von den Māori Mānuka und Kānuka genannt werden. Mānuka bezeichnet die Südsee- oder auch Neuseelandmyrte, aus deren Blütennektar Bienen den weithin bekannten und recht teuren Mānuka-Honig herstellen. Kānuka klingt nicht nur rein zufällig sehr ähnlich, sondern ist ebenfalls ein Myrtengewächs, das auch als Kleinblättriger Mānuka oder Weißteebaum bekannt ist.

Der Krater des Rangitoto
Nein, ein Loch gibt es am Grunde des Kraters nicht. Auch hier ist nichts als üppig grünende Vegetation zu sehen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Es ist faszinierend, in diesen grünen, so reichhaltig schattierten Kessel hineinzublicken. Daß er einst, eingehüllt in dichte Rauch- und Aschewolken, infernalische Feuerströme in den sich darüber wölbenden Himmel gespien haben soll, erscheint mir dabei nur schwer vorstellbar. Immerhin ist nun allerdings verständlich, warum mir der Krater zuvor so vollständig entgangen war, als ich meine Blicke über die Insel und das sie umgebende Panorama des Hauraki-Golfs schweifen ließ…

Immerhin, so könnte man meinen, wäre das Feuer der Lavaströme eine gute Erklärung für den Namen des Vulkans, bedeutet Rangitoto in der Sprache der Māori doch „Blutiger Himmel“. Doch das wäre ein Irrtum. Denn Rangitoto ist in gewisser Weise eine Abkürzung. Der vollständige Māori-Name für den Berg lautet „Ngā Rangi-i-totongia-a Tama-te-kapua“. Und das bedeutet soviel wie „Die Tage des Blutens von Tama-te-kapua“. Tama-te-kapua war einst der Führer des Kanus Arawa waka. Er und seine Mannen, heißt es, lieferten sich in der Islington Bay eine Schlacht mit dem Stamm der Tainui Iwi, die in mehrfacher Hinsicht nicht gut für sie ausging. Nicht nur verloren sie diese und mußten im Anschluß die Insel verlassen, nein, Tama-te-kapua wurde überdies schwer verwundet. Sein verlorenes Blut verewigten die Māori im Namen der Insel, die der Schauplatz der Geschehnisse war.

Für uns ist nun, so scheint es, auf dem Rangitoto alles getan. Wir haben die Aussicht genossen, den Gipfel umrundet und zu guter Letzt auch noch den Krater gefunden und besichtigt. Guten Gewissens können wir also wieder vom Berg heruntersteigen und den Rückweg antreten. Unser Plan ist erfüllt. Der Blick auf die Uhr verrät uns allerdings, daß wir noch einiges an Zeit übrig haben. Eine Stunde hatten wir gebraucht, um vom Fähranleger auf den Gipfel des Berges zu kommen. Aussicht, Gipfelrundweg und Kraterbesichtigung hatten uns alles in allem eine gute Dreiviertelstunde gekostet. Rechnen wir nun eine weitere Stunde für den Rückweg hinzu – daß wir würden denselben Weg zurückgehen müssen, den wir gekommen waren, steht außer Frage, denn es gibt nur den einen – haben wir Pi mal Daumen noch eine gute Dreiviertelstunde übrig. Sogar etwas mehr, wenn wir annehmen, daß wir den Rückweg etwas schneller schaffen würden, da wir ihn bereits kennen und nicht mehr alle Nase lang stehenbleiben würden, um uns neugierig, wie wir nun mal sind, umzuschauen.

Was also tun mit der übrigen Zeit? Zunächst wissen wir auf diese Frage keine rechte Antwort. Doch es dauert nur wenige Minuten, da stellt sich uns die rettende Idee förmlich in den Weg. Wir haben den größten Teil des Abstiegs gerade hinter uns gebracht – wofür wir deutlich weniger Zeit benötigen als die fünfzehn Minuten bergauf – und stehen wieder an der Weggabelung, an der wir den steilsten Teil des Aufstiegs zuvor begonnen hatten, freundlich dirigiert und vorgewarnt durch das hier aufgestellte grüne Hinweisschild. Und wieder erweist es sich als bereitwilliger Helfer, indem es uns auf einen weiteren Ort verweist, der gar nicht weit von hier entfernt ist: Lava Caves. Lava-Höhlen. Na, wenn das nicht interessant klingt. Und wie weit ist das weg? Nur fünfzehn Minuten? Nichts wie los!

Nun, da ich bereits zweimal die Erfahrung gemacht habe, daß die Zeitangaben dieser Wegweiser überraschend genau passen, sehe ich keinen Grund, sie ausgerechnet jetzt anzuzweifeln. Wir wandern wohlgemut drauflos auf einem Weg, der uns, sich mal nach links, mal nach rechts wendend, tiefer in den Wald hineinführt, der sich am Fuß des Berges und diesen hinauf erstreckt. Zunächst sind wir auf einem bequemen Pfad unterwegs, der ohne nennenswerte Steigungen den Berghang entlangführt. Wie in unseren heimischen Wäldern sind auch hier Farne zu Hause. Während die unseren jedoch Bodenpflanzen sind, die kaum einmal die Höhe von einem Meter erreichen, haben wir es hier mit Baumfarnen zu tun, die mit ihren kräftigen Stämmen beachtliche fünf, sechs Meter und mehr aufragen.

Weg zu den Lava-Höhlen des Rangitoto
Auf dem Weg zu den Lava Caves bekommen wir schon einen kleinen Vorgeschmack, was uns erwartet. Der Weg wird steinig.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Nach etwa fünf Minuten erreichen wir einen Abzweig, den wir jedoch ignorieren, da er laut dem hier aufgestellten grünen Wegweiser wieder zum Gipfel des Berges führt. Und dort waren wir ja schon. Unser Pfad wendet sich nun nach rechts und verläßt den unmittelbaren Berghang. Beinahe sofort ändert sich der Charakter des Weges vollständig. Hatten wir bisher lediglich darauf achten müssen, nicht über eine der zahlreichen Baumwurzeln zu stolpern, die immer wieder aus dem Waldboden emporragten, säumen plötzlich massive Felsen unseren Pfad, der, dazu passend, mit einem Mal recht steinig geworden ist. Während bereits nach kurzer Zeit die Felsen links und rechts wieder hinter uns zurückbleiben, behält der Weg seinen steinigen Charakter jedoch bei. Auch gewinnt er mit jedem Meter, den wir auf ihm voranschreiten, kontinuierlich an Höhe. Offenbar sind wir auf einem südlichen Ausläufer des Rangitoto unterwegs. Als wir schließlich einen Punkt erreichen, an dem sich rechterhand die Bäume etwas zurückziehen, stellen wir fest, daß wir uns wieder ein gutes Stück oberhalb des dem Berg vorgelagerten Insellandes befinden, das wir nun gut überblicken können. Die Aussicht reicht dabei bis zur Einfahrt des Waitematā Harbours und die dahinterliegende Innenstadt Aucklands.

Als wir weitergehen, schließt sich die Lücke im Baumbestand wieder, und wir wandern weiter durch den Wald, der nun allerdings längst nicht mehr so dicht und hoch ist wie noch eben. Offenbar sind wir auf dem Scheitel des Höhenzuges angekommen, denn die Steigung hat aufgehört. Dafür leitet uns der Pfad immer wieder über felsiges Gelände, dessen vulkanischer Ursprung unverkennbar ist. Nach einigen Metern, die wir auf diese Weise zurückgelegt haben, entdecken wir plötzlich einen kleinen hölzernen Pfahl von vielleicht einem halben Meter Höhe und mit quadratischer Grundfläche, der vor uns aus dem Boden ragt. Sein oberes Ende läuft in einer kleinen Pyramide aus, deren kräftiges Gelb seine Signalwirkung auf uns nicht verfehlt. Als wir neugierig näherkommen, entdecken wir an der uns zugewandten Seite des Pfahls einen in diesen eingelassenen und ebenfalls in kräftigem Gelb gehaltenen Pfeil, der uns unmißverständlich bedeutet, den geradeaus führenden Weg zu verlassen und nach links einem schmaleren und sich nach wenigen Metern in die Büsche schlagenden Pfad zu folgen. Warum wir das tun sollen, verrät er uns allerdings nicht.

Wir überlegen kurz, was wir tun sollen, und entscheiden uns dann dafür, der Aufforderung Folge zu leisten. Es geht einige Meter durch Gebüsch und über Felsen. Wir passieren ein Gesteinsfeld, das wie ein kleiner Hügel aussieht, nur daß an seinem höchsten Punkt ein großes Loch klafft, von dem ausgehend tiefe Risse den umliegenden schwarzen Stein durchziehen. Es wirkt ein wenig so, als habe sich etwas aus dem Inneren der Erde nach oben gekämpft und sei hier an die Oberfläche durchgebrochen. Wir gehen vorsichtig an der Öffnung vorbei und setzen unseren Weg, einem weiteren gelben Pfeil auf einem Pfahl mit gelber pyramidaler Spitze folgend, fort. Nach wenigen Minuten sind wir schließlich am Ziel. Vor uns sieht es aus, als sei der Boden plötzlich der Länge nach durchgebrochen und der Teil, auf dem wir uns befinden, ein gutes Stück abgesackt. Zurückgeblieben ist eine schwarze, arg unregelmäßig geformte Felswand von vielleicht vier oder fünf Metern Höhe.

Was hier wie ein Abbruch aussieht, ist in Wahrheit der Eingang zu einer der Lava-Höhlen, die es hier am Rangitoto gibt. Dabei ist die Bezeichnung „Höhle“ eigentlich gar nicht korrekt. Es handelt sich vielmehr eher um Röhren, die entstanden, als geschmolzene und nur geringfügig zähflüssige Lava durch den Kontakt mit dem Boden und der Luft an ihrer Außenseite abkühlte. Dadurch bildete sich eine harte Kruste, innerhalb derer die noch flüssige geschmolzene Lava weiterfließen konnte. Als der Lavastrom schließlich versiegte, blieben die Röhren zurück. Derzeit sind sieben solche Röhren auf der Insel bekannt, von denen die größte ein Länge von etwa fünfzig Metern besitzt.

Die Lava-Höhlen des Rangitoto
Schwarz und düster sieht er aus, der Felsen am Eingang zur Lava-Höhle. Doch selbst davor schreckt die Lebenskraft der Natur nicht zurück.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Natürlich hat die unverwüstliche Natur auch das harte Lavagestein erobert. Direkt vor der Felswand, die einen guten Schutz vor jeglichem Wind bieten dürfte, haben Bäume ihr Domizil bezogen. Doch auch an ihrem oberen Rand, dort, wo sich darüber der Berghang fortsetzt, stehen Bäume, deren Wurzeln die Felswand hinuntergewachsen sind und sich ihren Weg ins Erdreich zu deren Füßen gebahnt haben. Sie wirken nun ihrerseits wie gewundene Baumstämme. Ebenfalls von dort oben lassen Pflanzen, die wie übergroße Gräser aussehen, ihre langen Blätter herabhängen. Moose und Flechten bedecken das Gestein, und an jedem noch so kleinen Felsabsatz haben es sich kleine Pflänzchen gemütlich gemacht und sorgen für reichlich grüne Farbtupfer an der schwarzen, narbigen Wand. Obwohl, so schwarz, wie sie auf den ersten Blick wirkt, ist sie gar nicht. Als ich nähertrete, bemerke ich, daß das Gestein Färbungen in Gelb, Orange, ja sogar Violett aufweist. Eisen und Schwefel, die im Zuge des Vulkanausbruchs freigesetzt wurden, haben hier wohl ihren Niederschlag gefunden.

An ihrem rechten Ende, dort, wo die Felswand an Höhe verliert, schließlich aufhört und in den Waldboden übergeht, gähnt ein Loch. Zwei dicke Baumwurzeln säumen es links und rechts, rahmen es förmlich ein und wirken ein wenig wie Wächter am Eingang zur Unterwelt. Der Boden senkt sich etwas ab, so daß es von außen so aussieht, als führe hier ein Weg schräg in die Erde hinein. Neugierig schaue ich in die Öffnung.

Zunächst ist nichts zu erkennen außer undurchdringlicher Schwärze. Ich warte einen Moment, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, doch auch dann ist von hier draußen kaum etwas zu sehen. Immerhin gewahre ich irgendwo weiter hinten einen schwachen Lichtschein. Ob das der jenseitige Ausgang ist? Nun, von hier aus ist das kaum festzustellen…

„Sollte Dir was unklar sein, hole Dir Gewissheit ein!“

Kennen Sie die Abrafaxe? Was für ein Gedankensprung, nicht wahr? Aber so weit ist er gar nicht. Lassen Sie es mich kurz erklären. Die Abrafaxe sind drei kleine Kobolde aus einer fortlaufenden Bildgeschichte namens Mosaik, die im Jahre 1976 begann. Heute würde man das wohl Comic nennen, aber damals, in den Siebzigern und noch dazu in der DDR haben wir unsere Sprache noch nicht mit englischen Begriffen vollgestopft und verhunzt, wie das heute nahezu allgegenwärtig der Fall ist. Wie dem auch sei, diese Abrafaxe, die als Nachfolger der Digedags – ebenfalls drei kleine Kobolde – eingeführt wurden, um das 1955 von Hannes Hegen ins Leben gerufene Mosaik fortzusetzen, nachdem dieser sich zurückgezogen hatte, reisten auf der Erde durch die Welt und die Weltgeschichte, erlebten Abenteuer, trafen bedeutende Persönlichkeiten und wohnten historischen Ereignissen bei. Diese Bildgeschichten habe ich stets mit großer Freude gelesen, jedes neue der monatlich erscheinenden Hefte mit Spannung erwartet und regelrecht verschlungen, wurde darin doch mit außerordentlich phantasievollen und unterhaltsamen Geschichten den meist kindlichen und jugendlichen Lesern, wie ich einer war, nicht nur die Historie der Menschheit nahegebracht, sondern sie lernten auch andere Kulturen und Lebensweisen kennen – ohne Dogma, ohne vorgefaßte Meinung oder gar Propaganda, dafür mit sehr viel Neugier und Spaß. Und das ist bis zum heutigen Tage so geblieben, denn das Mosaik mit den Abrafaxen gibt es immer noch. Warum erzähle ich das alles? Nun, gleich in der ersten Ausgabe des neuen Mosaiks, dem Januarheft des Jahres 1976, entdeckt der berühmte Spaßmacher Harlekin unter den Fundamenten eines venezianischen Kastells eine merkwürdige, offenbar künstlich angelegte Grotte, die er, sich an den eingangs zitierten Rat seines Mütterleins erinnernd, neugierig betritt.

An eben diesen Rat – ein überaus guter, wie ich finde – muß ich nun denken, als ich hier vor dem Eingang in die Lava-Röhre stehe und versuche, zwischen den beiden den Eingang flankierenden Wächterwurzeln hindurch hineinzuspähen. Die Situation erscheint mir nicht ganz unähnlich.

Also, auf geht’s! Vorsichtigen Schrittes und nacheinander zwängen wir uns in leicht gebückter Haltung durch den etwas weniger als mannshohen Eingang, hinein in die zunächst stockdunkle Felsenröhre. Kaum habe ich die Öffnung hinter mir gelassen, umfängt mich absolute Schwärze. Unwillkürlich bleibe ich stehen. Nicht nur, daß ich meinen Reisebegleiter, der mir einige Meter vorausgeht, schlagartig nicht mehr sehen kann, es ist mir auch unmöglich, sonst irgendetwas um mich herum optisch wahrzunehmen. Insbesondere kann ich so auch nicht erkennen, was vor mir liegt und wo ich eigentlich hintrete.

‚Verflixt‘, geht es mir durch den Kopf, ‚was gäbe ich jetzt für eine Taschenlampe?!‘

Die Lava-Höhlen des Rangitoto
Der Eingang zur Unterwelt…
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
Creative Commons Lizenzvertrag

Nun, eine solche habe ich gerade nicht bei mir. Schließlich habe ich nicht mit einem Höhlenbesuch gerechnet, als wir an diesem Morgen zu unserem kleinen Ausflug aufgebrochen waren. Glücklicherweise neige ich jedoch nicht zu Nachtblindheit, und so dauert es nur wenige Minuten, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Denn tatsächlich ist es hier drin keineswegs so stockfinster, wie es mir anfangs erschienen war. Vom hinter mir liegenden Eingang fällt genug Licht in den dunklen Tunnel, um wenigstens erkennen zu können, wie hoch dieser ist und welche Beschaffenheit der Boden hat. Und auch von irgendwo voraus ist immer noch der Lichtschein zu erkennen, der mir bereits aufgefallen war, als ich von draußen hier hineingespäht hatte. Er dient mir von nun an als Ziel, auf das ich geradewegs zusteuere. Ab und zu scheint er allerdings für einen Augenblick zu verschwinden, nur um kurz darauf wieder zu erscheinen. Ich überlege einen Moment, warum das so ist, bis mir klar wird, daß ich wohl noch ein gutes Stück von diesem Schein entfernt bin und daß er so immer wieder einmal von meinem vorausgehenden Begleiter verdeckt wird.

Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Ganz allein auf meine Augen will ich mich in dieser Dunkelheit dann doch lieber nicht verlassen, und so taste ich vor jedem Schritt mit der Fußspitze den Boden ab. Und das ist auch gut so, denn hier liegt genug Geröll herum, daß es durchaus angeraten ist, nicht einfach bedenkenlos aufzutreten, will man nicht durch einen beiseiterollenden Stein den sicheren Tritt und damit den Halt verlieren. Glücklicherweise ist der Gang bereits nach wenigen Schritten hoch genug, um ohne Probleme aufrecht gehen zu können. So bleibt es uns erspart, den ganzen Weg in gebückter Haltung zurücklegen zu müssen. Wie überaus anstrengend das bereits nach wenigen Metern werden kann, habe ich einmal in einem Bergwerk am eigenen Leib erfahren dürfen, als ich mich dazu überreden ließ, einen alten, engen und nur etwas mehr als 120 Zentimeter hohen Stollen zu passieren, der von Bergleuten in früherer Zeit in mühevoller Handarbeit mit der Spitzhacke in den Fels getrieben worden war. Bereits nach der Hälfte des vielleicht fünfzig Meter langen Ganges tat mir der Rücken derart weh, daß ich unwillkürlich dem Reflex nachgab, mich aufzurichten, was natürlich aufgrund der geringen Höhe des Stollens mit einem lauten „Plonk!“ endete, als der Helm auf meinem Kopf unsanft mit dem Fels über mir zusammenstieß. Der Anflug von Panik, der sich im ersten Moment in meinem Inneren breit machte, war kein sonderlich angenehmes Gefühl. Da jedoch der Gang gerade einmal breit genug für eine Person war und sich sowohl hinter als auch vor mir andere Teilnehmer der Besuchergruppe, mit der ich unterwegs war, befanden, hatte ich keine andere Wahl gehabt, als die Zähne zusammenzubeißen und den Weg irgendwie bis zum Ende zu gehen.

Derartiges war hier nun also nicht erforderlich. Tatsächlich fühlte ich mich nach einigen Minuten recht wohl und sicher in dieser Lava-Röhre, von deren Beschaffenheit ich allerdings bei dem zur Verfügung stehenden spärlichen Licht nur wenig erkennen konnte. Hier wäre eine Taschenlampe doch ganz nützlich gewesen. Doch bringt es wenig bis nichts, sich über Dinge zu ärgern, die man sowieso nicht ändern kann, und so halte ich mich auch gar nicht lange damit auf, der abwesenden künstlichen Lichtquelle nachzutrauern, und konzentriere mich lieber darauf, meinen Weg durch den Tunnel vorsichtig fortzusetzen und dem Lichtschein voraus langsam entgegen­zugehen.

Meter um Meter lege ich zurück, auf unebenem Boden, auf dem immer wieder lose Steine liegen, die raue, rissige Felswand zu beiden Seiten und über mir die felsige Decke der Lavaröhre. Ich stelle mir vor, wie sie einst mit rotglühendem zähflüssigen Gestein angefüllt war, das hier hindurchströmte und seinen Weg in Richtung Meer suchte. Näher und näher komme ich dabei dem Lichtschein, der mir erwartungsvoll entgegenzuleuchten scheint. Doch so, wie ich zuvor von draußen nichts im Inneren der Röhre erkennen konnte, ist es mir nun unmöglich, zu sehen, was dort, hinter dem Ausgang, auf mich wartet. Ich erblicke einfach nur ein leuchtend helles Licht, das sämtliche Details dahinter überstrahlt. Noch ein paar Schritte, dann noch einer und noch einer – und ich bin aus der Röhre hinaus. Doch nur, um festzustellen, daß ich mich in einem tiefen Graben wiederfinde. Links und rechts ragen die gleichen schwarzen Felswände auf, die mich die ganze Zeit im Tunnel begleitet haben. Über mir kann ich grüne Baumkronen und den wolkenverhangenen Himmel sehen, doch ist es unmöglich, dort hinaufzugelangen, wenn ich nach dem Gang durch die Röhre nicht auch noch eine Kletterpartie einlegen will. Ganz offensichtlich ist irgendwann einmal an dieser Stelle die Decke der Lavaröhre eingestürzt und hat so eine Öffnung nach oben geschaffen, durch die nun nicht nur das Licht hier hinuntergelangt, sondern auch die Witterung. Die Wände neben mir sind von grünem Moos bedeckt, dicke Baumwurzeln winden sich an ihnen herab und verschwinden im Boden des Ganges, von oben hängen Wurzelfäden und lange Blätter irgendwelcher Pflanzen herab. Und einige Meter voraus gähnt mich der nächste schwarze Schlund an, der mich wieder in die Unterwelt der Lavaröhre zurückführen will. Doch eine andere Möglichkeit, hier herauszukommen, gibt es nicht, wenn ich einmal davon absehe, den Weg wieder zurückzugehen, den ich hierher gekommen bin. Da jedoch auch das bedeutet, in die Dunkelheit zurückzukehren, kann ich ebenso gut vorwärtsschreiten.

Es ist schon eine faszinierende Welt, durch die mich mein Weg hier führt. Urwüchsig, rauh und gleichzeitig schön, unberührt, einzig und allein von den Kräften der ewigen Natur geschaffen und geformt, vom Leben, wo immer es auch nur den kleinsten Halt findet, Stück für Stück erobert – hier ist der Mensch überflüssig. Hier braucht ihn niemand. Ein Ort, um Demut zu lernen.

Im Weitergehen umfängt mich nach der Rückkehr in die Röhre erneut Dunkelheit, an die sich meine Augen nach der kurzen Episode Helligkeit dennoch erst wieder gewöhnen müssen, so daß ich wie zuvor einige Minuten still verharre. Wieder nehme ich ein ganzes Stück voraus einen Lichtschein wahr, wieder folge ich langsamen und vorsichtigen Schrittes dem dunklen Gang, der mich auf ihn zuführt. Als ich ihn schließlich erreiche, erwarte ich fast, erneut nur in einem Graben zu landen, sobald ich hinaus ins Licht trete. Diesmal jedoch ist es tatsächlich der Ausgang. Ich steige über die dicke Wurzel eines Baumes, die quer vor der Öffnung aus dem Boden ragt und schaue zurück. An diesem Ende der Lavaröhre ist deutlich zu erkennen, daß es sich bei dem, was wir da gerade durchschritten haben, tatsächlich nicht um eine Höhle im eigentlichen Sinne handelt. Während der Eingang einer solchen stets in eine massive Gesteinsformation hineinführt, sieht es hier unzweideutig so aus, als befände sich die Röhre nicht unter der Erde, sondern als seien die Felsen, die ihre Wände bilden und sie überwölben, von irgendwem auf den Boden gestellt worden. Und in gewisser Weise ist es ja auch genauso gewesen, wenn wir uns die Entstehung dieser Lavaröhren in Erinnerung rufen. So ist es auch nicht verwunderlich, daß wir kaum eine Steigung zu überwinden haben, um vom Ausgang der Lavaröhre in das sie umgebende Gelände zu gelangen.

Ein Blick auf die Uhr belehrt uns, daß es nun angeraten ist, den Rückweg anzutreten. Zwar steht uns noch genug Zeit dafür zur Verfügung – alles in allem haben wir für den Ausflug zu den Lava-Röhren eine reichliche halbe Stunde benötigt -, so daß wir nicht werden rennen müssen, doch dürfen wir auch nicht bummeln, wenn wir die letzte Fähre erreichen wollen. Es ist kaum anzunehmen, daß sie ausgerechnet auf uns warten würde.

Vom Ausgang der Lavaröhre gibt es lediglich einen einzigen Weg, den wir gehen können. Markiert durch die uns nun schon hinlänglich bekannten pyramidenbemützten Pfosten mit den gelben Pfeilen, ist er nicht zu verfehlen. Wir sind noch nicht weit gegangen, da bemerke ich rechts von uns im Wald einige Felsen. Vermute ich zunächst, daß sich dort der Graben befindet, auf dessen Grund wir noch wenige Minuten zuvor in die entgegengesetzte Richtung unterwegs gewesen waren, als uns die Natur einen kurzen Moment des Lichts gestattet hatte, bevor wir in die Dunkelheit der Röhre hatten zurückkehren müssen, so erkenne ich schnell, daß dies ein Irrtum ist. Ein Spalt im Boden ist nirgendwo zu sehen. Die Lava des Rangitoto hat hier ganz offensichtlich mehr Überreste hinterlassen als die Röhre, die wir gerade der Länge nach durchquert hatten. Kurz darauf wieder an der Stelle anlangend, an der wir zuvor, einem der Pfeile folgend, vom Weg abgewichen waren, wird uns klar, daß dieser hier als Rundweg angelegt ist. Wir haben also nichts verpaßt.

Der Rest ist schnell erzählt. Wir wandern straffen Schrittes die Strecke zurück, die uns zu den Lavaröhren geführt hatte, und schwenken, als wir die Weggabelung mit der grünen Tafel erreichen, die uns hierher verwies, auf den Rangitoto Summit Track ein. Zunächst noch langsam bergab, dann auf ebener Strecke laufen wir zügig, doch  ohne zu hetzen den Weg zurück, den wir gute zwei Stunden zuvor gekommen waren, vorbei an Lavafeldern, die die grüne Vegetation der Insel langsam vereinnahmt. Würden wir in einigen Jahren wieder hierher kommen, sähe die Landschaft vielleicht schon wieder ein wenig anders aus als heute. Hatte das Wetter bisher sehr gut ausgehalten und hier auf der Insel auf Regen verzichtet, so wird der Himmel über uns nun doch zusehends düsterer. Die dunklen Wolken, die wir vom Rangitoto aus noch über Auckland gesehen hatten, haben langsam, aber sicher ihren Weg hierher gefunden. Doch noch regnet es nicht.

Lavafeld auf Rangitoto Island
Ein letztes Lavafeld.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Wir erreichen schließlich wieder die Uferstraße an der kleinen Bucht, auf der wir das restliche Stück unseres Rückweges bis zum Rangitoto Wharf zurücklegen. Dort angekommen, haben wir noch ein bißchen Zeit, um zu verschnaufen, eine Möwe zu beobachten, die sich auf der niedrigen Mauer, die die Uferstraße vom Wasser der Bucht trennt, niedergelassen hat, uns über ihr eigenwilliges Federkleid zu wundern, das nur an Kopf, Brust und Bauch aus weißen Federn besteht, während jene an Rücken, Flügeln und Schwanz von kräftigem Schwarz sind, einen Blick zurück auf den Rangitoto zu werfen, mit dem wir uns von ihm verabschieden, und schließlich der Fähre entgegenzusehen, die sich aus Richtung Waitematā Harbour und Innenstadt Aucklands langsam nähert, größer und größer wird, je kürzer die Entfernung ist, und schließlich an einem der dicken Holzpfähle festmacht, die die Plattform des Rangitoto Wharfs umgeben. Leute steigen nur noch wenige aus – immerhin ist es die letzte Fähre, die an diesem Tag die Insel verläßt. Wer jetzt nicht mitfährt, wird wohl die Nacht auf der Insel verbringen wollen – oder müssen. Folgerichtig sind wir auch nicht die Einzigen, die hier auf die Fähre gewartet haben und nun an Bord gehen.

Es gelingt uns, zwei Plätze im Inneren zu ergattern, denn angesichts der über dem Hauraki-Golf dräuenden dunklen Regenwolken verspüren wir nur wenig Lust, die Rückfahrt auf dem Deck im Freien zu verbringen. Auch tut es gut, nach all der Lauferei nun ein wenig zu sitzen, die müden Beine zu strecken und entspannt aus dem Fenster zu sehen, während die Fähre ablegt, sich langsam vom Rangitoto Wharf entfernt, schließlich Fahrt aufnimmt und uns zügig zurück nach Auckland bringt, wo uns unser Hotelzimmer schon erwartet, in dem wir nach einem Abendessen und dem Packen unserer Sachen die letzte Nacht unseres Aufenthaltes in der Stadt verbringen werden. Morgen ziehen wir weiter.

Und weil der Himmel über der Stadt darob wohl ein bißchen traurig ist, beginnt es schließlich doch noch, leise zu regnen…

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Referenzen

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1 Der Text lautet im Original:

At Marsden Wharf in July 1985 the Rainbow Warrior, the flagship for Greenpeace, was bombed and sunk by agents of the French Government killing photograper Fernando Pereira. The ship was about to sail into the Pacific in peaceful protest against French nuclear testing. Public outrage and continuing pressure led France to stop the bomb tests after 1995 leaving irreparable damage at Moruroa.

Today the Rainbow Warrior II inspires people everywhere as she continues to campaign around the globe ‚bearing witness‘ against nuclear weapons and all other destructive environmental practices.

‚You can’t sink a rainbow‘

2 Bei uns ist die Namensvariante Mururoa gebräuchlich. In der Sprache der Polynesier lautet der Name des Atolls allerdings Moruroa.
3 Im Original: „Let the world be nuclear-free!“

Stadtbummel im Grünen

Dieser Beitrag ist Teil 4 von 10 der Beitragsserie "Reise nach Neuseeland & Singapur"
Wie ich mitten in Auckland einen Stadtbummel im Grünen machte

Als wir aus dem Eingangsbereich des Sky Towers hinaus auf die Straße treten, läßt uns dies aus den erhabenen Sphären hoch über der Stadt, in denen wir eben noch geschwebt hatten, förmlich auf den Boden der Tatsachen, das heißt in den wirren Trubel der geschäftigen Metropole fallen. Autos brausen die Victoria Street entlang an uns vorüber, wenn ihnen die Ampel an der kleinen Straßenkreuzung, vor der wir stehen, grünes Licht gibt, während sie bei rotem Signal ob des erzwungenen Halts unwillig vor sich hin zu brummen scheinen.

Hatten wir eben noch großzügig über die gen Himmel strebenden und ihn doch nicht erreichenden Hochhäuser des Central Business Districts hinweg- und in die Weite gesehen, so ist es nun, als ob sich eben diese Bauten dafür revanchieren wollen, indem sie sich jetzt um so dichter zusammendrängen und unseren Blick so weit wie nur möglich begrenzen, so daß er kaum wesentlich weiter als bis zur nächsten Straßenkreuzung reicht. Überdimensionierte Werbetafeln an den Fassaden der meist quaderförmigen Blöcke versuchen, unsere Aufmerksamkeit an sich zu binden, indem sie uns ihre Botschaften mittels riesiger Lettern förmlich entgegenschreien. Vergebens. Wir sind an ihnen nicht sonderlich interessiert.

Mein Blick wendet sich stattdessen einigen Bauten aus offensichtlich früheren Tagen zu, die es hier und da geschafft haben, den sich um sie herum versammelnden und in die Höhe reckenden Wolkenkratzern ihren Standort abzutrotzen. Bescheiden begnügen sie sich mit zwei oder drei Stockwerken, in deren unterem sie kleine Läden, Cafés oder Restaurants beherbergen. Gefällig präsentieren sie dem Auge des Betrachters hübsche Fassaden mit sauber gegliederten Fensterachsen und Schmuckelementen wie kleinen Spitzgiebeln, in die Hauswand integrierten Ornamenten oder Mauervorsprüngen. Ein langgestrecktes Gebäude mit dem Erscheinungsbild eines Reihenhauses paßt sich der in der Höhe abfallenden Victoria Street an, indem sich seine Bestandteile treppenförmig aneinanderfügen. Demgegenüber scheinen die Architekten der die kleinen, alten Bauten bedrängenden Hochhäuser ihre Energie eher in den Wettbewerb, welches ihrer Bauwerke wohl höher aufragen kann, investiert zu haben, wobei sie jedoch vergaßen, für ein ansprechendes Äußeres zu sorgen, was mich etwas überrascht, denn aus der Höhe des Sky Towers hatten die Wolkenkratzer durchaus abwechslungsreich gestaltet gewirkt. Von hier unten aber beschränkt sich ihr Äußeres meist auf ein langweiliges Einerlei endlos an- und übereinander gereihter zahlloser Fenster, das mich als Betrachter für die an den Fassaden angebrachten Werbetafeln fast schon wieder dankbar sein läßt, bringen sie doch wenigstens ein bißchen Abwechslung in die Versammlung gleichförmiger Wände. Allerdings frage ich mich, ob die Menschen in den Büros dahinter – Wohnungen werden es doch hoffentlich nicht sein? – nun überhaupt Tageslicht erhalten. Die Gleichgültigkeit ihrer Fassaden setzt sich auch in der Anordnung dieser Hochhäuser fort, denn zu dem Gelände, in dem sie stehen, haben sie keinerlei Bezug. Zwar ist das Gefälle der Victoria Street nicht eben übermäßig groß, doch auch nicht gänzlich unerheblich. Als ich mir aber die Wolkenkratzer anschaue, kann ich es dennoch so gut wie überhaupt nicht nachvollziehen. Ja, die meisten von ihnen scheinen es sogar nach Kräften ignorieren zu wollen, beharren sie doch eisern darauf, ihre Fassadenkanten streng horizontal auszurichten, ohne daran auch nur einen einzigen Abstrich in Form einer treppenartigen Abstufung zu machen, wie sie die historischen Bauten so bereitwillig vollziehen.

In der Victoria Street
Alt und Neu existieren in der Victoria Street in Auckland mehr oder weniger einträchtig nebeneinander.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Von der Federal Street, an deren Kreuzung mit der Victoria Street wir uns befinden, lenken wir unsere Schritte in Richtung Osten. Der Grund ist nicht die Tatsache, daß es für uns nun ein wenig bergab geht – auch wenn uns das durchaus nicht unwillkommen ist -, sondern daß in dieser Richtung der Albert-Park liegt, den wir auf unserem Stadtbummel als erstes Ziel auserkoren haben. Wir überqueren die Queen Street, was uns vom Westteil in den Ostteil der Victoria Street bringt. Die nahezu in Nord-Süd-Richtung verlaufende Queen Street dient im Zentrum Aucklands gewissermaßen als Straßenscheide. Zwar tragen sie kreuzende Verkehrswege meist durchgängig denselben Namen, allerdings erhalten sie westlich der Queen Street den Namenszusatz West, östlich davon wird ein East angehängt. Waren wir also eben noch auf der Victoria Street West unterwegs, legt sich nun die Victoria Street East unter unsere Füße. Beide Straßenteile haben eine voneinander völlig unabhängige Numerierung der an ihnen befindlichen Häuser. Die Wellesley Street, in der sich unser Hotel befindet, folgt ebenfalls diesem Benennungsschema.

Bereits zwei Querstraßen weiter findet die nun wieder ansteigende Victoria Street East an der Kitchener Street bereits ihr unverhofftes Ende, denn auf deren gegenüberliegender Straßenseite steigt das Gelände plötzlich steil an. Der dadurch entstehende Hang ist mit einer Vielzahl hoher Bäume besetzt, die einen weiteren Blick hinauf wirksam verhindern. An seinem unteren Ende beschneiden aus großen, natürlichen Steinen zusammengefügte Mauern diesen Hang und grenzen so ein Stück ebener Erde ab, auf dem sich ein langgezogenes Podest, aus Steinen derselben Art gebildet, befindet. Auf diesem ragen zwei schlanke, aus übereinandergestapelten Steinen bestehende Säulen meterhoch auf, die an ihrem oberen Ende durch, wie es von hier unten scheint, filigrane Drähte oder dünne, gebogene Metallstäbe miteinander verbunden sind. Die Steine, aus denen dieses von Chris Booth geschaffene Kunstwerk besteht, sind Basaltblöcke, die, so lese ich später nach, das in der Matauri Bay in Northland lebende Māori-Volk der Ngati Kura gestiftet und so dem Albert-Park, der an dem dahinterliegenden Hang beginnt, zu einem markanten Eingangstor verholfen hat.

Durchschreiten muß man dieses Tor allerdings nicht, um in den Albert-Park zu gelangen. Dafür ist es eindeutig zu sehr als Kunstwerk hier positioniert worden. Alle Wege führen sauber drumherum. Dafür müssen wir nun doch etwas mehr körperliche Fitneß zeigen, denn unser Weg in den Park hinein führt uns über eine Reihe von Treppen mit zahlreichen Stufen den Hang hinauf. Glücklicherweise ist es zwar sommerlich warm, aber nicht sonderlich heiß, und unter den vorwiegend einheimischen Bäumen, die in diesem Teil des Parks wachsen und wohl mehr als einhundert Jahre alt sind, ist es wunderbar schattig. Ihrem Alter angemessen, haben die prachtvollen Bäume weit ausladende und gewaltige Formen entwickelt.

Im Albert Park in Auckland
Diesen prächtigen Bäumen begegnen wir nach unserem Aufstieg in den Albert-Park.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Oben angekommen, stehen wir nun auf dem langgestreckten Bergrücken, auf dem sich der Albert-Park befindet. Im südöstlichen Parkbereich aus Sandstein bestehend, wird dieser Höhenzug am nordwestlichen Ende des Parks, in dem wir uns gerade befinden, durch einen der vielen Vulkane des Auckland Volcanic Fields ergänzt, dem man – wenig einfallsreich, aber naheliegend – den Namen Albert-Park-Vulkan gegeben hat. Daß wir auf einem potentiell feuerspeienden Berg stehen, entgeht uns bei unserem Aufenthalt hier allerdings völlig. Doch damit sind wir nicht allein. Bis ins Jahr 1859 hat niemand überhaupt auch nur etwas davon gewußt. Erst der in Esslingen am Neckar geborene Geologe, Naturforscher und Entdecker Ferdinand von Hochstetter erkannte bei seinem Besuch Aucklands in jenem Jahr den vulkanischen Ursprung dieses Areals. Der Grund liegt darin, daß es sich beim Albert-Park-Vulkan, der vor etwa 145.000 Jahren das einzige (und hoffentlich letzte) Mal ausgebrochen ist, um einen eher kleinen Vertreter seiner Zunft handelt – so klein, daß er von dem Sandsteinrücken, auf dem sich der überwiegende Teil des Parks befindet, sogar überragt wird. Der vollständige Bewuchs tut ein Übriges, um den Vulkan vor unseren Augen komplett zu verbergen.

Auf gut gepflegten Wegen beginnen wir unseren Rundgang durch die weitläufige Parkanlage. Nun, da wir einmal die Höhe des Bergrückens erklommen haben, läßt es sich wahrlich entspannt spazieren, denn dieser bildet hier eine Art Plateau, auf dem es kaum einmal eine Steigung gibt. Dies zog bereits in der Vergangenheit die Menschen an. Schon die Māori errichteten hier ein Dorf namens Rangipuke, später gar eine Siedlung namens Mangahekea, die jedoch in den 1740er Jahren ihr Ende fand. Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Briten kamen, hatten sie nichts Besseres zu tun, als hier eine frühe militärische Festung anzulegen – die sogenannten Albert Barracks. Das erhöhte Gelände war wohl bestens dafür geeignet, das umliegende Gebiet zu überwachen. Einige Bauten aus Holz und Mauerwerk, umgeben von einer Mauer aus Vulkangestein, das man in der Umgebung abgebrochen hatte – das war die Festung. Nun, daß es vulkanischen Ursprungs war, darüber machte man sich wohl damals keine Gedanken. Das stellte ja – wir erinnern uns – erst Ferdinand von Hochstetter einige Jahre später fest.

Nun, von all dem ist heute nichts mehr übrig, abgesehen von einem Rest besagter Mauer, der sich heute auf dem Gelände der nahen Universität von Auckland befindet. Die Festung wurde 1870 nutzlos, als das britische Regiment, daß hier stationiert war, abgezogen wurde. Fünf Jahre zuvor hatte Auckland den Status der Hauptstadt an Wellington verloren. Man riß die Gebäude ab und widmete das heutige Gelände der Grünanlage in ein Reservat um, das man dann in den 1880ern zu einem Park weiterentwickelte. Man schrieb – ein bei Politikern bis heute beliebtes Mittel, wenn eigene Ideen Mangelware sind – dafür einen Wettbewerb aus, den der Architekt James Slater gewann. Das heißt, er entschied den zweiten Wettbewerb für sich. Bereits in 1870er Jahren hatte man einen solchen ausgerichtet, den Siegerentwurf dann jedoch nicht umgesetzt. Warum, das weiß wohl heute niemand mehr. So entstand der Albert-Park nach den Entwürfen Slaters, und so existiert er heute noch, einschließlich einiger einzelner Bäume, die in der Zeit zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg gepflanzt wurden.

Allzu groß ist sie nicht, diese Grünanlage im Herzen der Stadt, und so haben wir keine allzu weiten Wege zurückzulegen, um die herausragenden Punkte dieses Parks aufzusuchen. Wir kommen zunächst an einem kleinen Denkmal vorüber, das von einem schwarzen Metallzaun umgeben ist und Rätsel aufgibt. Auf einem Podest, das an einen Schrein mit bogenförmiger Öffnung erinnert, steht die kleine marmorne Statue einer jungen Frau, der eine merkwürdige Haube auf dem Kopf sitzt und die ein Kleidungsstück auf dem Leib trägt, welches mit seinen kurzen Beinen, den fehlenden Ärmeln und den Rüschen an einen altmodischen Badeanzug erinnert. Doch was hält sie da in der Hand? Sieht aus wie ein – Fisch? Dann wäre das große Etwas, das sich von ihren Händen durch ihre Beine zum Boden windet, vielleicht ein Netz? Soll diese Statue ein Fischermädchen darstellen? Im Badeanzug? Ich weiß es nicht. Vielleicht gibt ja die Plakette, die sich an dem Podest befindet, Aufschluß:

Erected
In Loving Remembrance Of
G. M. Reed. B. A.
of Auckland, Journalist.
„For the future in the distance
and the good that we can do.“
1901

Übersetzt heißt das:

Errichtet
In liebevollem Gedenken an
G. M. Reed. B. A.
aus Auckland, Journalist.
„Für die Zukunft in der Ferne
und das Gute, das wir tun können.“
1901

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Das etwas rätselhafte Denkmal für George M. Reed im Albert-Park in Auckland.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Also ein Denkmal, das ein Fischermädchen im Badeanzug darstellt und der Erinnerung an einen Journalisten gewidmet ist, der in Auckland ansässig war. Versteht das jemand? Ich nicht. Leider auch dann nicht, als ich später ein wenig darüber recherchiere. Dabei finde ich lediglich heraus, daß es sich bei dem Podest nicht um einen Schrein, sondern um einen Trinkbrunnen handelt, der aber wohl heute nicht mehr Betrieb ist. Wasser habe ich jedenfalls nirgendwo gesehen. Immerhin stellt das eine gewisse Beziehung zu dem Motiv des Fischermädchens her. Die Schöpfer des Brunnens waren die Architekten John Mitchell and Robert Watt, die Statue schuf William Parkinson, ein einheimischer Bildhauer. Nun gut. Und George M. Reed? Der war Journalist und Zeitungseigner in Auckland. Das war’s. Es bleibt rätselhaft.

Ein Stück weiter gelangen wir auf den großen Hauptweg des Parks, der diesem seine große Nord-Süd-Achse verleiht. Hier, am südlichen Ende stoßen wir auf etwas, das es früher häufiger in öffentlichen Grünanlagen gab, man aber heute kaum noch irgendwo vorfindet: einen Orchesterpavillon. In früheren Zeiten trafen sich die Menschen bei schönem Wetter in den Parks, um kleinen oder größeren Gruppen von Instrumentalisten, vielleicht auch Sängern zu lauschen, die in solchen Pavillons ihre Musik zu Gehör brachten. Eigentlich eine schöne Tradition. Warum eigentlich gibt es so etwas heute nicht mehr? Nun, Radios, Stereoanlagen, Computer und MP3-Player haben es möglich gemacht, die Musik mit nach Hause zu nehmen oder unterwegs zu hören – jederzeit, überall. Und ganz individuell. Was dabei leider auf der Strecke blieb, ist das gemeinschaftliche Erleben der Musik. Natürlich, wird so mancher gleich einwenden, ist das doch auch heute noch möglich. Doch entweder zahlt man dafür meist recht teuren Eintritt oder man lauscht Straßenmusikern in der Fußgängerzone, im U-Bahn-Eingang oder an anderen Orten, wo Menschen meist keinen Nerv für’s Musikhören haben und das Ambiente dem Genuß eher abträglich ist. Da wäre so ein Musikpavillon in einem schönen Park doch viel besser geeignet. Oft genug hat der Fortschritt eben auch seine mangelhafte Kehrseite.

Von dem Orchesterpavillon mit seiner zwiebelförmigen Spitze aus Blech auf dem Dach, der übrigens der älteste noch erhaltene Musikpavillon in der Region Auckland ist, spazieren wir den Hauptweg in nördlicher Richtung entlang. Links und rechts dehnt sich sauber gepflegter Rasen, auf dem einzelne, ausladende Bäume stehen – vermutlich jene aus den Anfangstagen des Parks. Gesäumt wird der Weg von hochgewachsenen Palmen mit schlanken, doch völlig kahlen Stämmen, die ein wenig wie hier aufgestellte Masten wirken. Vor uns führen einige Stufen zu einem weitläufigen Rondell, in dessen Mitte sich ein großer Schalenbrunnen befindet.

Was mir beim Näherkommen auffällt, ist, daß der Brunnen ausnehmend dunkel erscheint. Im hellen Sonnenlicht wirkt er fast schwarz. Nur Wasser kann ich nirgends erkennen. Sollte in einem Brunnen – insbesondere, wenn es ein Schalenbrunnen ist – nicht schon von weitem sichtbar Wasser von oben nach unten laufen? Als wir die paar Stufen zu dem Rondell erreicht haben, sie hinaufgestiegen sind und schließlich unmittelbar vor dem Brunnen stehen, kann ich erkennen, daß ich mich geirrt habe – zumindest ein wenig. Es gibt durchaus Wasser, allerdings nur in Form einer recht großen Pfütze inmitten des großen Brunnenbeckens, das jedoch weit davon entfernt ist, gefüllt zu sein. Ansonsten scheint der Brunnen im Wortsinne auf dem Trockenen zu sitzen. Warum, ist nicht festzustellen. Weder kann es an zu niedrigen Temperaturen liegen – es ist sommerlich warm – noch wird er gerade gereinigt. Vielleicht ist etwas kaputt?

Der viktorianische Brunnen im Albert Park in Auckland
Der gußeiserne viktorianische Brunnen bildet das Herzstück des Albert-Parks im Zentrum Aucklands.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Wie dem auch sei, ich schaue ihn mir trotzdem an. Unter künstlerischen  Gesichtspunkten ist er auch ohne Wasser durchaus sehenswert. Zwei Schalen unterschiedlicher Größe sind übereinander angeordnet, die kleinere oben. Unterhalb der großen Schale sind rings um den Sockel vier Statuen positioniert, die große Fische zeigen. Manche behaupten, es handle sich um Delphine, doch üblicherweise haben Delphine keine Schuppen. Auf diesen Fischen reiten Putten, von denen jede ein Horn bei sich hat, in das sie andächtig bläst. Ist der Brunnen in Betrieb, stoßen diese Hörner, so lese ich später, Wasser aus. Oberhalb der kleinen Brunnenschale steht eine weitere Statue – eine Frauenfigur, eine Darstellung der Aphrodite. Auch sie trägt ein Horn, das sicherlich ebenfalls Wasser speien kann. Schalen und Skulpturen sind ebenso wie der verzierte Schaft, an dem sie sich befinden, aus Gußeisen, was die dunkle Farbe des Brunnens erklärt. Über den Künstler, der ihn einst schuf, kann ich leider nichts herausbekommen, doch erfahre ich, daß der viktorianische Brunnen von Beginn an im Albert-Park zu Hause ist, nachdem man ihn extra dafür im Jahre 1881 aus Großbritannien importiert hatte.

Nur wenige Meter hinter dem Rondell mit dem Brunnen findet die Nord-Süd-Achse des Albert-Parks ihr Ende an dem großen Denkmal für Königin Victoria von Großbritannien. Man kann kaum in irgendeinen Winkel des ehemaligen britischen Empires reisen, ohne auf irgendetwas zu stoßen, was in Bezug zu dieser bedeutenden Monarchin steht. Das Denkmal, vor dem wir nun anhalten, zeigt sie in Lebensgröße, auf einem hohen, steinernen Sockel stehend. 1897 von Francis John Williamson geschaffen, wurde das bronzene Standbild zwei Jahre später hier enthüllt, um den sechzigsten Jahrestag der Krönung Victorias feierlich zu begehen. Es war die erste Statue der Königin in Neuseeland.

Der Park hat noch einige weitere Kunstwerke und Denkmale aufzuweisen, die wir auf unserem Spaziergang leider nicht alle auffinden. So entgehen uns bedauerlicherweise ein Marmor-Denkmal für den Burenkrieg und zwei edwardianische Marmorstatuen. An dem ebenfalls von Francis John Williamson geschaffenen, überlebensgroßen Marmorstandbild von Sir George Grey kommen wir zwar vorüber, übersehen es aber irgendwie – zumindest habe ich weder ein Foto noch eine Erinnerung daran -, da unsere Aufmerksamkeit offenbar von den beiden großen, ganz in der Nähe aufgestellten Feldgeschützen in Anspruch genommen wird, die man, als die Albert Barracks längst Geschichte waren, in den 1880er Jahren hier positioniert hatte, weil man Angst vor einer russischen Invasion bekam. Nun, an der Angst vor dem Russen hat sich bis heute, mehr als einhundert Jahre später, nichts geändert. Als Feindbild war er in angelsächsischen, heute westlichen Sphären stets außerordentlich beliebt, egal, welcher Staats- beziehungsweise Gesellschaftsform er auch immer gerade anhing. Überflüssig zu erwähnen, daß die befürchtete Invasion russischer Heerscharen hier am anderen Ende der Welt natürlich niemals stattfand.

Wir wenden uns nun der Ostseite des Parks zu, wo er von der Princes Street begrenzt wird. Bevor wir ihn dort verlassen, kommen wir an einer Ecke, die von zwei aufeinandertreffenden Wegen gebildet wird, zu einer riesigen Ansammlung von mit kleinen Mauern eingefaßten Blumenrabatten. Während links und rechts niedrige, sorgfältig gestutzte Hecken den Namen der Grünanlage bilden – ALBERT links, PARK rechts – stellen die in bunten Farben blühenden Anpflanzungen in der Mitte ganz offensichtlich eine riesige Uhr dar. Als ich nähertrete, entdecke ich auch die großen Zeiger, die über den Rabatten ihre Bahn ziehen. Unwillkürlich ziehe ich mein Mobiltelefon hervor, um die Zeit zu vergleichen. Tatsächlich, diese riesige Blumenuhr geht absolut genau. Siebzehn Minuten nach Eins. Was für ein wunderschönes gärtnerisches Kunstwerk! Dies ist um so bewundernswerter, als dieser pflanzliche, wenn auch elektrisch betriebene Zeitmesser bereits mehr als sechzig Jahre alt ist. 1953 wurde die Laidlaw Floral Clock geschaffen. Die Familie Laidlaw hatte sie anläßlich des ersten Besuch Königin Elisabeths II. in Neuseeland gestiftet.

Die Blumenuhr im Albert Park in Auckland
Die kolossale Blumenuhr im Albert-Park, nahe der Princes Street, geht absolut genau.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Wir verlassen den Albert-Park durch den nahegelegenen Ausgang und treten auf die Princes Street hinaus. Hier gelangen wir zu einer Reihe Wohnhäuser, die ganz offensichtlich schon älteren Datums sind. Ein unter einer prächtigen, hohen Palme aufgestelltes Schild macht uns mit einem von ihnen bekannt:

Princes St. Merchant House

steht darauf, verbunden mit dem Hinweis, daß es erhalten und gepflegt würde durch den Stadtrat von Auckland. Nun, das mag ich nicht recht glauben. Ich gehe davon aus, daß der Stadtrat von Auckland dies nicht höchstselbst erledigt. Er wird seine Leute dafür haben.

Die Merchant Houses – tatsächlich sind es fünf an der Zahl – ließen Ende des 19. Jahrhunderts reiche Bürger der Stadt hier für sich errichten. Die meisten von ihnen waren Geschäftsleute, woraus sich wohl der Name der Häuser ableitet: Kaufmannshäuser. Sie bevorzugten die Höhenlage des Albert-Parks, die sich damals – Auckland war noch viel kleiner als heute – eher am Stadtrand befand, als Wohnsitz – im wahrsten Sinne des Wortes abgehoben von der Geschäftigkeit des Stadtzentrums zu ihren Füßen, aber dennoch nicht allzu weit von diesem entfernt. Die fünf Häuser haben sich in unsere Zeit hinübergerettet, was sie allerdings nicht ihren reichen Besitzern verdanken. Denn als die Stadt anwuchs, verlegten sie ihre Wohnsitze alsbald an andere Orte. Viele der Merchant Houses wurden wieder abgerissen, doch die fünf, die wir nun vor uns sehen, fanden in den Jahren seitdem andere Eigentümer. Zuerst wurden sie in Pensionen umgewandelt, später zogen nacheinander verschiedene Institutionen ein und aus – bis heute. Das Gebäude in der Princes Street Nummer 29, welches uns von dem Schild unter der Palme so freundlich wie unvollständig vorgestellt wird, trägt den Namen „Hamurana“ – was nicht auf dem Schild steht – und besitzt eine hölzerne Fassade. Seine Vorderseite wird in ihrer gesamten Breite von einer großen Veranda im Obergeschoß eingenommen. Den von dieser überschatteten Bereich vor dem Untergeschoß hat man als Arkaden gestaltet. Das Haus gehört heute zur Universität von Auckland, deren City-Campus auf der gegenüberliegenden Straßenseite beginnt.

Und dieser wenden wir uns nun zu. Denn dort steht ein Gebäude, das mir bereits vom Sky Tower aus aufgefallen war und mein Interesse an dem Universitätsgelände geweckt hatte: der Uhrenturm.

Nun, eigentlich ist es nicht einfach nur ein Uhrenturm. Tatsächlich handelt es sich um ein großes Gebäude mit einem großen h-förmigen Haupttrakt und zwei sich links und rechts anschließenden Seitenflügeln. Der Turm, der dem Gebäude zu seinem Namen verholfen hat, erhebt sich in der Mitte des Haupttrakts. Rund im Grundriß, wirkt er mit seinen filigranen Verzierungen, die mich irgendwie an die Adern von Blättern erinnern, trotz seiner beachtlichen 54 Meter Höhe fast ein wenig fragil. Dieser Eindruck wird durch die von seinem Dach aufragenden Zierspitzen eher noch verstärkt. Die Uhr, die in einem Uhrenturm natürlich nicht fehlen darf, befindet sich unmittelbar unter der Dachkante, die sich in spitz zulaufenden Wellen rings um den Turm zieht.

Entworfen hat das im Jugendstil gehaltene Gebäude der Architekt Roy Alstan Lippincott. 1926 fertiggestellt, beherbergte es lange Zeit alle geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universität sowie die Bereiche Architektur, Jura und Musik. Man bezeichnete es daher lange Zeit als Old Arts Building, das Gebäude der alten Künste. Auch die Universitätsbibliothek und die Aula waren hier untergebracht. In den 1980er Jahren war dann schließlich eine umfassende Renovierung und Restaurierung erforderlich geworden. Damit verbunden war eine Umwidmung des Gebäudes, so daß sich heute die Räumlichkeiten des Vizekanzlers der Universität und weitere Verwaltungseinrichtungen darin befinden, desweiteren der Große Saal und der Ratssaal der Bildungseinrichtung. Da der alte Name nun nicht mehr so ganz paßte, bürgerte sich schließlich die Bezeichnung Clock Tower – Uhrenturm – ein.

Wir spazieren in nördlicher Richtung die Princes Street entlang. Weil wir jedoch nicht so recht Lust haben, nach all dem schönen Grün nun eine schnöde Straße entlangzuwandern, nehmen wir, nachdem wir den linken Seitenflügel des Clock Towers passiert haben, einen Fußweg, der nach rechts auf das Universitätsgelände führt, das seinerseits von üppigem Grün bewachsen ist. Weit müssen wir nicht gehen, da leuchtet zwischen den Bäumen und Büschen die beigefarbene, orange abgesetzte Holzfassade eines weiteren Gebäudes hervor, das von einem riesigen, schlanken Nadelbaum überragt wird, der sofort ins Auge fällt. Das Gebäude wirkt wie ein Wohnhaus aus dem vorigen Jahrhundert. Neugierig suchen wir zu seiner Frontseite zu gelangen.

Doch bevor wir dort ankommen, werden wir plötzlich abgelenkt. Direkt neben uns setzt unvermittelt ein außerordentlich lautes Zirpen ein. Im ersten Moment denke ich an eine Grille, ein Heupferdchen, doch bei dieser Lautstärke müßte es sich schon um ein regelrechtes Heuroß handeln. Und wenn ich es recht bedenke, trifft die Bezeichnung Zirpen auch nicht so recht das, was ich da gerade höre. Es klingt eher, als würde jemand einen dicken Stock über ein großes Waschbrett ziehen. Was ist das?

Neugierig spüre ich dem Geräusch hinterher, das immer wieder einmal pausiert, kurz darauf jedoch wieder mit unverminderter Lautstärke einsetzt. Schließlich entdecke ich am dünnen Stämmchen eines kleinen Baumes den Verursacher des, nun ja, Lärms: eine Zikade. Wie ich es vermutet hatte, ist das Insekt von beachtlicher Größe. Vorsichtig, um es nicht zu verschrecken, hebe ich meine Kamera und halte den eigentümlichen Sänger für die Nachwelt fest:

Eine Chorzikade
Chorzikaden wie diese sind in Neuseeland heimisch und weit verbreitet. Selbst in den Städten ist ihr lautes Zirpen zu gewissen Tageszeiten allgegenwärtig.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Wir schauen und hören der Zikade noch eine Weile interessiert zu, doch schließlich wenden wir uns wieder unserem eigentlichen Ziel zu: dem Gebäude mit der hölzernen Fassade.

Ein kleines, daran angebrachtes rundes Schild gibt uns Auskunft:

Old Government House

Designed by William Mason
„The first New Zealand Architect“
This building was built in 1856 by Mr. Hay for
£ 14.581. It replaced the original house on this
site built by Governor Hobson in 1841
and destroyed  by fire in 1848.
It remained a Vice-Regal Residence until
1969 when it was transferred
to the University.

Übersetzt heißt das:

Altes Regierungsgebäude

Entworfen von William Mason
„Der erste neuseeländische Architekt“
Dieses Gebäude wurde 1856 von Mr. Hay für 14.581 £ gebaut. Es ersetzte das ursprüngliche Haus an dieser Stelle, das 1841 von Gouverneur Hobson errichtet und 1848 durch ein Feuer zerstört wurde. Es diente bis 1969 als Vizeregierungsresidenz und wurde dann an die Universität übertragen.

Na, damit ist doch alles Wesentliche gesagt. Oder nicht? Nun, man könnte noch ergänzen, daß zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Gebäudes Auckland die Hauptstadt des Landes war, was es notwendig machte, daß der Gouverneur hier eine Residenz hatte. Interessant ist auch, daß das Old Government House das erste Gebäude Neuseelands war, bei dem man sich die Mühe machte, die hölzerne Fassade so zu bearbeiten, daß sie den Eindruck vermittelte, aus Stein zu sein. Neun Jahre nach seiner Fertigstellung verlor Auckland seinen Hauptstadt-Status, da es ihn 1865 an Wellington abtreten mußte. Zwar war Auckland die größere der beiden Städte, aber Wellington lag einfach zentraler. Das Old Government House blieb dem Gouverneur allerdings als Vize-Residenz erhalten.

Als diese 1969 in ein anderes Gebäude im Stadtteil Mount Eden verlegt wurde, übergab man das Old Government House der Universität. Für uns ergibt sich daraus ein unmittelbarer Vorteil, denn als wir vor dem Haupteingang des Gebäudes stehen, stellen wir erfreut fest, daß die Hochschule unter anderem auch ein Restaurant beziehungsweise Café darin eingerichtet hat. Und da es nun schon weit über den Mittag hinaus ist, melden sich unsere Mägen mittlerweile vehement zu Wort. Wir zögern daher nicht lange und suchen uns einen der Tische aus, die vor dem Gebäude im Freien stehen. Schließlich haben wir einen schönen sommerlichen Februartag, da wollen wir natürlich nicht drinnen sitzen, wenn es sich vermeiden läßt. Kurz darauf stellen wir fest, daß wir doch hinein müssen, denn hier ist Selbstbedienung. Na gut, wir sind ja nicht verwöhnt. Dann holen wir uns unser Essen eben selbst. Im Inneren des Gebäudes müssen wir etwas suchen, um den Weg zum Essen zu finden. Er führt uns einmal durch das Innere des Hauses auf dessen andere Seite. Dort angekommen, haben wir etwas vor uns, was wir bereits gut aus unseren eigenen Studienzeiten an einer Universität kennen und wofür ich keineswegs den Begriff Restaurant oder Café gebrauchen würde. Was wir sehen, erinnert eher an eine Kantine.

Na, macht nichts. Wir suchen uns jeder ein Essen aus, bezahlen und tragen es den Weg zurück aus dem Gebäude hinaus an unseren Tisch. Über die Qualität kann ich eigentlich nicht viel sagen – die bleibt mir offenbar nicht in Erinnerung. Weder richtig gut noch richtig schlecht, das trifft es wohl am besten. Was sich mir jedoch einprägt, ist der Eindruck, daß mich im Inneren des Gebäudes kaum etwas daran erinnert, daß es sich dabei um einen ehemaligen Regierungssitz handeln könnte. Dies wird mir später bestätigt, als ich noch ein wenig mehr über das Old Government House herausfinden möchte. Ich erfahre, daß es nun hauptsächlich als Aufenthaltsraum für das Personal dient und eine Empfangssuite für den Rat der Universität, Wohnungen für Gastwissenschaftler, Räume für den Verband der Hochschulabsolventinnen und einen Hörsaal beherbergt. Um all dies in dem Haus unterbringen zu können, hat man dessen Inneres im Laufe der Zeit mehr und mehr verändert, um es an die Bedürfnisse der Lehreinrichtung anzupassen. Die Atmosphäre einer palastähnlichen Residenz ist dabei allerdings weitestgehend verlorengegangen. Wirklich schade.

Am Old Government House in Auckland
Von außen sieht das Old Government House in Auckland noch wie ein ehrwürdiger Gouverneurssitz aus dem vorigen Jahrhundert aus. Im Inneren ist davon allerdings nur noch wenig zu sehen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Während wir hier draußen im warmen Sonnenschein sitzen, haben wir genug Zeit, uns umzusehen. Einige der Bäume auf dem Gelände rings um das Gebäude sind, wie es den Anschein hat, so alt wie das Old Government House selbst. Erneut fällt mir der riesige Nadelbaum auf, der es weit überragt. Es heißt, diese Norfolk-Kiefer habe Sir George Grey höchstpersönlich während seiner zweiten Amtszeit als Gouverneur in den 1860er Jahren gepflanzt. Nun, alt genug könnte sie dafür wohl sein.

Als wir schließlich unseren Weg über das Gelände der Universität fortsetzen, kommen wir an einem etwa drei Meter hohen Strauch vorüber, der hier am Rande eines Fahrwegs auf einer Rasenfläche wächst. Wunderschöne große, rosafarbene Blüten mit fünf Blütenblättern und einem langen Griffel, besetzt mit gelben Staubblättern, erblühen in großer Zahl rings um den gesamten Strauch, in dem ich einen engen Verwandten meines Chinesischen Roseneibischs, einer Hibiskus-Art, erkenne, der zu Hause mein Wohnzimmer verschönert und bei dem ich, wie ich leicht zerknirscht zugeben muß, nie so recht darüber nachgedacht habe, wo er eigentlich heimisch ist. Manchmal muß man eben erst ans andere Ende der Welt reisen, um etwas darüber zu lernen, was man zu Hause direkt vor der eigenen Nase hat…

Wenige Schritte weiter treten wir unter den Bäumen, die unseren Weg beschattet haben, hervor, passieren ein Tor in einem weißen Zaun und erreichen eine große Straßenkreuzung. Wir haben den City-Campus der Universität Auckland, den größten ihrer sechs Standorte, hinter uns gelassen – und keine Gelegenheit, dies zu bedauern. Denn schon an eben dieser Kreuzung, an der sich vier Straßen begegnen, finden wir zwei weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt, die unsere Aufmerksamkeit unmittelbar auf sich ziehen.

An der Ecke Alten Road und Symonds Street reckt eine verhältnismäßig kleine Kirche ihren schönen Turm in die Höhe, der ein wenig so wirkt, als solle er die Kleinheit der Kirche unbedingt wettmachen, denn er scheint für sie ein wenig zu groß beziehungsweise zu hoch zu sein. Das tut der Schönheit seiner Architektur jedoch keinen Abbruch. Ein großes Schild, das man an der Seite der Kirche aufgestellt hat, informiert uns, daß wir hier die Kirche Saint Andrew’s vor uns haben, die nicht einfach nur ein presbyterianisches Gotteshaus ist, sondern die erste presbyterianische Kirche Aucklands. Tatsächlich ist sie, von 1847 bis 1850 errichtet, sogar die erste Kirche, die in der Stadt gebaut wurde. Bereits der erste Entwurf von Walter Robertson, dem der Kirchenbau entspricht, sah einen Turm und auch einen Säulengang vor. Doch bereits damals kam es so, wie es auch heute oft genug geschieht – die geplanten Kosten wurden massiv überschritten und man konnte sich Turm und Säulengang schlicht nicht mehr leisten. So soll die Kirche lange Jahre eher an eine Scheune erinnert haben als an ein Gotteshaus. Erst im Jahr 1882 konnten Turm und Säulengang ergänzt werden, basierten aber nun auf Entwürfen von Matthew Henderson.

Der Kirche schräg gegenüber auf der anderen Seite der Kreuzung, an der Ecke, die von den Straßen Anzac Avenue und Waterloo Quadrant gebildet wird, steht auf einer kleinen Erhebung ein trutziges Gebäude aus rotem Backstein, dessen Kanten und Fensterumrandungen mit weißen Steinen gefaßt sind. Wirkt es so schon ein bißchen wie eine kleine Festung, wird dieser Eindruck durch zwei zinnenbewehrte Türme noch verstärkt. Dieses neugotische Gebäude stammt aus der Mitte der 1860er Jahre und ist der Sitz des Obersten Gerichts Aucklands, des High Courts. Bereits als Gerichtsgebäude errichtet – die Gestaltung ist daher keineswegs zufällig gewählt, sondern war zu jener Zeit der bevorzugte Stil für solche Bauten im britischen Empire -, diente es seitdem nahezu ununterbrochen diesem Zweck.

Wir schlendern nun die Anzac Avenue entlang, die uns der Waterfront entgegenbringt, an der entlang wir zur Queen Street wandern wollen. Noch immer haben wir die Höhe, zu der wir bei unserem Eintritt in den Albert-Park aufgestiegen sind, nicht verlassen, doch als wir zwischen den Häusern, an denen wir nun entlanggehen – die Grünanlagen haben wir mit dem Gelände der Universität endgültig hinter uns gelassen -, weiter unten ein massives Gebäude erblicken, das ebenfalls schon einige Jahrezehnte gesehen haben dürfte, ist unser Interesse geweckt und wir nutzen die nächste Gelegenheit, über eine Abfolge von Treppen von der Höhe wieder herunterzusteigen. Kurz darauf stehen wir an der Beach Road – warum die wohl so heißt? Einen Strand gibt’s hier jedenfalls nicht – und blicken über einen großen Platz, an dessen anderer Seite sich das besagte Gebäude erhebt.

Über drei riesigen Bogenfenstern, die fast die gesamte Höhe des zweistöckigen Gebäudes einnehmen, ist in großen Lettern

RAILWAY STATION

zu lesen. Ein Bahnhof also. Zwischen den beiden Wörtern ist eine große Uhr zu sehen, die aber offenbar nicht mehr funktioniert, denn sie zeigt fünf Minuten vor fünf Uhr an, was keineswegs stimmen kann. Das ist für einen Bahnhof etwas ungewöhnlich, denn gerade dort ist doch die Kenntnis der aktuellen Uhrzeit für die zu den Zügen eilenden Reisenden von essentieller Wichtigkeit. Moment! Reisende? Die zu den Zügen eilen? Da sind keine! Abgesehen von abgestellten Autos sind Auffahrt und Vorplatz des Bahnhofs auffallend leer. Keine Menschenseele ist zu sehen.

Auckland Railway Station
Das ehrwürdige alte Bahnhofsgebäude der einstigen Auckland Railway Station.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Nun, das ist auch kein Wunder. Denn mit intensivem Zugverkehr ist an diesem alten Bahnhof, der, wie man der Aufschrift an seiner Vorderfront entnehmen kann, einst einfach Auckland Railway Station hieß, heute nicht mehr zu rechnen. Ende der 1920er Jahre errichtet und 1930 hier an der Beach Road eröffnet, ersetzte er einen einstigen Endbahnhof, der sich an der nicht allzuweit entfernten Queen Street befand, etwa dort, wo wir tags zuvor das Britomart Transport Centre vorgefunden hatten. Und dieses war es auch, das seinerseits im Jahre 2003 die Auckland Railway Station ablöste, so daß diese nach dreiundsiebzig Jahren im Dienst nun geschlossen wurde. Von ihren einst sieben Bahnsteigen wandelte man fünf in Abstellgleise um und behielt ganze zwei, die man bis zum heutigen Tag noch für Ausflugszüge, als Notreserve und als Endstation für den Fernverkehr des Northern Explorer nutzt. Um aber Verwirrung über den Bahnhofsnamen zu vermeiden – jeder würde unter dem Namen „Auckland Railway Station“ den Hauptbahnhof der Stadt vermuten -, führte man den nun sehr eingeschränkten Betrieb unter dem neuen Namen Strand Station fort.

Das einstige Bahnhofsgebäude, das William Henry Gummer einst im Beaux-Arts-Stil entworfen hatte, können die wenigen Fahrgäste allerdings nicht mehr nutzen, um die verbliebenen Bahnsteige zu erreichen. Das hatte man direkt nach der Schließung des Bahnhofs in ein Wohnhaus umgewandelt, dem man den Namen Grand Central Apartments gab und in dem zeitweilig ein Studentenwohnheim untergebracht war. Der Öffentlichkeit ist der Bau damit weitestgehend entzogen. Und das ist ein ausgesprochen trauriger Umstand, denn wie ich einschlägigen Beschreibungen des Gebäudes entnehme, war es einst eines von Aucklands repräsentativsten Gebäuden! Kunstvoll gestaltete öffentliche Räume und zahlreiche Einrichtungen und Geschäfte machten es zu einem wichtigen öffentlichen Ort der Stadt. Besonders beeindruckend war wohl die prächtige Metalldecke in der Haupthalle, die man in Deutschland herstellen ließ. Die Teile wurden nach ihrer Fertigstellung verschifft und an Ort und Stelle zusammengesetzt. Importierter Marmor und feine Bronzedetails mit einem wunderschönen Terazzoboden hatten das prunkvolle Erscheinungsbild des Bahnhofsgebäudes vervollständigt. All das bekommen wir nun nicht zu sehen – wenn es denn überhaupt noch vorhanden ist.

Wir gehen die Beach Road entlang, bis sie endet und in die Customs Street übergeht, die hier ein „East“ angehängt bekommt – ein Zeichen, daß wir wohl nicht mehr allzuweit von der Queen Street entfernt sind. Und richtig, ein paar Minuten später haben wir sie erreicht, biegen rechts in sie ein und stehen alsbald vor dem alten, ehrwürdigen, amtlich aussehenden Gebäude mit der großen Uhr über dem Eingang, das einst das Hauptpostamt der Stadt war und heute als Empfangshalle des Britomart Transport Centres dient. Wir werfen einen Blick hinein und ich stelle fest, daß das Erdgeschoß aus einem riesigen Saal besteht, der von der Vorder- bis zur Rückseite des Gebäudes reicht. Die Decke ruht auf zahlreichen runden Säulen, ergänzt um einige viereckige Pfeiler, die als Basis jeweils einen stählernen Fuß besitzen. Kleine, in die Halle hineingebaute Kioske verkaufen Sandwiches, Lebensmittel oder Fahrkarten, es gibt eine Cafeteria, deren Sitzbereich in der Mitte der Halle auf einem um drei Stufen erhöhten Podest liegt, wo sich auch ein Wartebereich mit mehreren Bänken befindet. Eine große Anzeigetafel, die die nächsten Abfahrtszeiten der Züge verkündet, fehlt natürlich auch nicht. Alles in allem war es das aber auch schon.

Ein Bahnhof ist allerdings nirgends zu sehen, was uns aber nicht weiter verwundert, denn wir wissen ja bereits, daß er sich im Untergrund befindet. So sind wir auch nicht überrascht, als wir an der Rückseite des Gebäudes eine breite Treppe vorfinden, die in die Tiefe hinabführt. Um die Hinauf- und Hinabsteigenden ausreichend vor der Witterung zu schützen, hat man hier an das alte Hauptpostamt einen modernen Glaswürfel angebaut, der den Einstieg in den Untergrundbahnhof umhüllt.

Als Eisenbahnliebhaber müssen wir natürlich wenigstens einmal einen Blick in den unterirdischen Bahnhof geworfen haben, und so steigen wir kurzerhand die Treppe hinunter. Unten angekommen, versperrt uns eine Batterie von Bahnsteigsperren den Weg zu den Gleisen, doch wir können den Bahnhof auch so ganz gut überblicken. Drei Bahnsteige, fünf Gleise, alle nebeneinander in einem breiten Tunnel angeordnet. Wir stehen am Kopf des Bahnhofs, die Gleise enden direkt vor uns an Prellböcken. Ein Kopfbahnhof also, dessen Ausfahrt in Richtung der alten Auckland Railway Station liegt. Nun, das verwundert auch nicht.

Die Decke des Tunnels ist recht hoch, senkt sich über den beiden äußeren Gleisen jedoch ab. Das ermöglicht es, daß die den Bahnhof erhellenden Lampen nicht nur in die Decke eingelassen werden konnten, sondern sich auch in der so entstehenden Seitenwand des abgesenkten Deckenbereichs befinden. Tagsüber bekommt der Bahnhof überdies noch Licht aus mehreren Oberlichtern, die sich hintereinander in der Mitte der Tunneldecke befinden. Eines ist direkt vor den Bahnsteigsperren über uns plaziert. Als ich hinaufschaue, stelle ich fest, daß es ein Okulus ist – ein kreisrundes Deckenfenster. Merkwürdig finde ich allerdings, daß der Blick durch die Scheiben keineswegs klar ist, sondern das sich eigentümliche Schlieren über das Glas zu bewegen scheinen. Ich kann mir keinen rechten Reim darauf machen.

Während wir wieder zur Oberfläche hinaufsteigen, grüble ich weiter darüber nach, finde aber keine Erklärung. Das soll sich jedoch schlagartig ändern, als wir den Glaspavillon über der Treppe erreicht haben und an seiner Rückseite das Bahnhofsgebäude verlassen. Wir stehen nun auf einem Platz, der hinter dem alten Hauptpostamt liegt. Bahnhofsvorplatz kann man ihn daher wohl nicht nennen. Gibt es ein entsprechendes Wort für die hiesige Situation? Bahnhofsrückplatz vielleicht? Ich komme nicht dazu, mir andere Wörter zu überlegen, denn nun fällt mein Blick auf einen Brunnen, der sich in der Mitte der Freifläche befindet. Er ist kreisrund und nur etwa einen halben Meter hoch. In seiner Mitte befindet sich keine Fontäne, sondern das Wasser wird von dort befindlichen Düsen auf eine ebene Fläche gesprüht. Unter dem Druck rinnt es zu deren Rand, wo es in einer Vertiefung wieder verschwindet. Die runde Fläche allerdings besteht – aus Glas. Das ist das Okulus – und des Rätsels Lösung! So einfach, so genial.

Das Britomart Transport Centre in Auckland
Ein gut getarntes Fenster in die Unterwelt – der Brunnen am Britomart Transport Centre.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Wir wandern um das Empfangsgebäude des Britomart Transport Centres herum zurück zur Queen Street. Der Name des Bahnhofs geht auf eine einstige Landspitze namens Point Britomart zurück, die sich früher an dieser Stelle im Waitematā Harbour befand, im Zuge von Landgewinnungsmaßnahmen jedoch verlorenging. Mit anderen Worten: Dort, wo heute Hochhäuser links und rechts der Queen Street in den Himmel ragen, schwappten einst die Wellen des Waitematā Harbours hin und her. Nun ergibt es auf einmal auch einen Sinn, daß die Straße, die wir vorhin hierher entlanggewandert waren, den Namen Beach Road trägt. Der „Strand“ hatte sich zu jener Zeit tatsächlich viel weiter landeinwärts befunden als heute.

Daß man Anfang der 2000er Jahre das Britomart Transport Centre hier in den Untergrund baute, wurde dadurch motiviert, daß man die Auckland Railway Station als zu weit von der Innenstadt entfernt befand. Dies soll bereits bei deren Eröffnung als Hindernis empfunden und kritisiert worden sein. Dennoch blieb sie mehr als siebzig Jahre in Betrieb, bis man der anhaltenden Kritik nachgab und die Eisenbahn an den Ort zurückbrachte, an dem sie früher ihren Anfang genommen hatte. Manche Dinge dauern eben manchmal etwas länger…

Wir spazieren nun hinüber zur Waterfront an der Quay Street, wo wir erneut den Roten Zaun bewundern. Diesmal zieht es uns jedoch nicht hinaus auf die Piers. Der Tag ist noch immer jung genug, um uns noch ein weiteres Ziel zu setzen. Und dafür müssen wir als nächstes zum Fährterminal hinter dem Ferry Building…

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Auf dem Himmelsturm

Dieser Beitrag ist Teil 3 von 10 der Beitragsserie "Reise nach Neuseeland & Singapur"
Wie ich auf Auckland herabsah

Der nächste Morgen findet uns ausgeruht und bereit, die Stadt ausgiebig zu erkunden. Zu Beginn unserer ersten Nacht in Neuseeland hatte es noch kurz so ausgesehen, als könnte sie etwas unruhig und schlaflos werden, da ich feststellen mußte, daß die Klimaanlage, die wir zur Vermeidung stickiger Luft im Zimmer angestellt hatten – die Fenster ließen sich ja leider nicht öffnen -, in regelmäßigen Abständen kühle Luft direkt auf meine Liegestatt hinab- und mir ins Gesicht blies – ein Umstand, der mich beim Hinüberdämmern in den Schlaf immer wieder aufschrecken ließ, so daß an Ruhe nicht so recht zu denken war. Doch ich machte dem nach einiger Zeit kurzentschlossen ein Ende, indem ich aufstand und das Lüftungsgerät einfach ausschaltete. Lieber etwas stickige Luft als keinen rechten Schlaf. Glücklicherweise erwies sich unser Zimmer als groß genug, daß es dennoch zu keinem Sauerstoffmangel kam. Und auch die Luftqualität blieb alles in allem erträglich.

So war die Nacht dann doch erholsam gewesen, und nun stehen wir nach einem guten Frühstück, das wir in unserem Hotel eingenommen hatten, frohen Mutes auf der Straße und schauen dem morgendlichen Verkehr zu, während wir warten, daß die Ampel uns den Weg über die Albert Street freigibt. Weit haben wir es nicht, nur ein Stück die Wellesley Street West entlang bis zur nächsten Querstraße, die wir dann allerdings noch ein kleines Stück entlanggehen müssen. Doch bereits an der Ecke zur Federal Street – so heißt die Querstraße – ist das Ziel unseres kurzen Weges nicht zu übersehen, ragt es doch satte 328 Meter vor uns in die Höhe: der Sky Tower inmitten des Stadtzentrums von Auckland.

Der Sky Tower in Auckland
Hoch in den blauen Himmel eines herrlichen Morgens ragt er auf, der Sky Tower im Zentrum Aucklands.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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„Sollt‘ Dir die Gegend unklar sein,
hol einen Überblick Dir ein.“

Nach diesem Motto wollen auch wir verfahren und uns diesen Überblick im Wortsinne verschaffen, indem wir unseren ersten Tag in Auckland damit beginnen, dieses höchste freistehende Bauwerk der südlichen Hemisphäre zu erklimmen. Doch bevor wir das tun, erregt noch ein anderes, unserer Position an der Straßenecke der Federal Street näheres Bauwerk unsere Aufmerksamkeit. Trutzig steht es dort auf der anderen Seite der Wellesley Street West und reckt ebenfalls einen mächtigen Turm nach oben. Der kann zwar, was die Höhe angeht, mit dem schlanken Sky Tower keineswegs mithalten, doch dieses Manko macht er durch sein massives Erscheinungsbild ohne weiteres wett. Wo der eine durch seine graziöse Eleganz bedeutend wirkt, die jedoch nur in Verbindung mit seiner Höhe zum Ausdruck kommt, tut es der andere allein durch seine Wuchtigkeit.

Doch nicht nur ihre unterschiedlichen Formen machen den Gegensatz zwischen den beiden Türmen aus. Ebenso augenfällig wie jene ist auch die Tatsache, daß sie durch ein knappes Jahrhundert voneinander getrennt werden. Der trutzige Turm uns gegenüber gehört zum Gotteshaus Saint Matthew in the City, einer anglikanischen Kirche, deren Errichtung man zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts begann und die man 1905 fertigstellte. Den neugotischen Stil, in dem sie gehalten ist, kann man kaum übersehen. Was ich zwar nicht bemerke, doch später erfahre, ist, daß das Kirchengebäude in seinen Mauern einen rund 1.300 Jahre alten Stein birgt, der aus den Ruinen der Abtei Sankt Augustinus in Großbritannien stammt, eines Klosters, das nicht nur das erste im südlichen England war, sondern auch die erste Gründung darstellte, die der Benediktiner-Orden außerhalb des kontinentalen Europas vornahm.

Was Historie angeht, so kann der elegant-moderne Sky Tower dem natürlich nichts entgegensetzen, ist mit seinem Bau doch erst im Jahre 1994 begonnen worden. Drei Jahre hat es gedauert, bis er fertig war. Nur drei Jahre, ergänze ich in Gedanken. Warum scheint eigentlich die Errichtung  neuer Bauwerke, egal, ob unter oder auf der Erde, in anderen Ländern der Welt immer so viel schneller vonstattenzugehen, als wir das in Deutschland stets erleben? Es kann mir doch keiner erzählen, daß so ein Fernsehturm, der immerhin Platz 28 auf der Rangliste der höchsten Türme der Welt einnimmt, so viel einfacher zu bauen ist als beispielsweise ein Flughafen, ein Bahnhof oder eine Philharmonie?

Aber lassen wir das. Wir spazieren die wenigen Meter die Federal Street entlang, die uns vom Sky Tower noch trennen. Als wir dort ankommen,  schaue ich den Schaft des Turmes hinauf, der über mir in den stahlblauen Himmel ragt. Beeindruckend.

Weniger beeindruckend ist die unmittelbare Umgebung des Turmes. Er steht inmitten eines Unterhaltungs- und Kasinokomplexes namens „Skycity Auckland“, in dem allerdings um diese Tageszeit nicht sonderlich viel los ist. Unterhaltung und Glücksspiel sind doch eher Abend- als Morgenbeschäftigungen. Nun, uns ist das egal – wir wollen sowieso in höhere Sphären. Der Eingang ist schnell gefunden, auch die Tickets zu erwerben, ist keine große Sache. Und so stehen wir alsbald in einem der Fahrstühle, der uns den Turm hinaufbringt. Als ich vorhin von Erklimmen sprach, hat doch hoffentlich niemand angenommen, wir würden da zu Fuß hinauflaufen?

Während wir hinauffahren, ist etwas Zeit, um uns ein wenig über den Turm zu informieren. Zwei Aussichtsplattformen gibt es, so erfahren wir. Die erste ist auf einer Höhe von 186 Metern zu finden, die zweite liegt noch einmal 34 Meter höher. Dazu kommen noch ein Café und zwei Restaurants, von denen eines eine Eigenschaft besitzt, die den Sky Tower mit dem Berliner Fernsehturm verbindet: es rotiert. Einmal in der Stunde absolviert es eine komplette Umdrehung. Nun, das werden wir eher nicht überprüfen, denn wir begnügen uns mit dem Besuch der Aussichtsplattformen.

Als wir im sogenannten Main Observation Deck – der unteren der beiden Aussichtsplattformen – aus dem Fahrstuhl steigen und das erste Mal einen Blick aus den großen Panoramafenstern werfen, stockt uns schon ein wenig der Atem. 186 Meter über dem Boden – das klingt nicht nach besonders viel, doch wenn man hier oben ist, dann ist das auf einmal ganz schön hoch! Doch die Aussicht ist phantastisch.  Das Wetter ist für unseren Ausflug auf den Turm wie gemacht – der Himmel leuchtet tiefblau und schmückt sich mit zahllosen mehr oder minder kleinen weißen Wölkchen. Ein wahrlich hübscher Anblick, und das nicht nur am Himmel selbst. Die freundlich von dort herablächelnde Sonne sorgt dafür, daß die Wolken auch auf der Stadt, die sich im weiten Rund um und unter uns ausbreitet, ihre Spuren hinterlassen, und zwar in Form kleiner und großer Schatten. Das resultiert in einem scheckigen Muster, das in einer permanenten Bewegung über die Erdoberfläche zieht und sich dabei ständig verändert. Allein dabei zuzusehen, ist schon faszinierend.

Dasselbe gilt für die Stadt selbst. Von hier oben können wir sie zur Gänze überblicken. Eine gute Möglichkeit, sich zu orientieren – ein bißchen so, als würden wir auf eine dreidimensionale Landkarte blicken. Doch bevor wir das tun, müssen wir uns ganz dringend einer anderen Attraktion widmen, die wir bei unseren ersten Schritten durch das Main Observation Deck entdecken. An einigen Stellen sind in dessen Boden Glasplatten eingelassen. Neugierig treten wir näher an eine heran, blicken auf sie herab und … sehen den Boden unter uns. Also nicht den der Aussichtsplattform, in der wir uns befinden, sondern den Erdboden. Mit den Gebäuden rings um den Turm. Und den Straßen. Den Menschen. Den Autos.

Der Glasboden im Sky Tower in Auckland
Zwei Füße – meine Füße – über jeder Menge leerer Luft. Ganze 38 Millimeter Glas trennen sie von 186 Metern Nichts und dem Erdboden dahinter.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Ein Glasboden! Großartig! Ich bin begeistert. Kurz darauf stehe ich auf einem der Felder, zücke meinen Fotoapparat und mache ein Foto von meinen Füßen über jeder Menge leerer Luft. Als ich kurz darauf wieder aufblicke, bemerke ich einige zweifelnde Blicke, die mir von Umstehenden zugeworfen werden. Habe ich was falsch gemacht? Darf man das nicht? Ich schaue mich um, kann aber keinen Hinweis darauf entdecken, daß es verboten sein könnte, auf die Glasplatten zu treten. Kurz über ihnen finde ich an der Wand lediglich kleine Schilder, auf denen folgendes zu lesen ist:

This glass floor is 38mm thick.
IT IS AS STRONG AS THE CONCRETE
FLOORS YOU ARE STANDING ON.“

Übersetzt heißt das:

Dieser Glasboden ist 38 Millimeter dick.
ER IST SO STARK WIE DER BETONBODEN,
AUF DEM SIE STEHEN.

Na also. Keine Gefahr. Und auch kein Verbot. Ich beantworte die Blicke mit einem freundlichen Lächeln, worauf sie sich schnell von mir abwenden. Ich beobachte, wie die Leute, die mich eben so zweifelnd betrachtet hatten, zwar neugierig versuchen, durch die Glasplatten in die Tiefe zu blicken, es aber tunlichst vermeiden, auch nur einen Millimeter darauf zu treten. Sie scheinen der Versicherung, daß es völlig ungefährlich ist, darauf zu stehen, nicht so recht zu trauen. Man kann ja nie wissen…

Nun, sollen sie. Man wird ja hier zu nichts gezwungen. Ich wende mich nun der phänomenalen Aussicht vor den Fenstern der Aussichtsplattform zu. In nördlicher Richtung breitet sich vor mir die Wasserfläche des Waitematā Harbours aus. Der Blick reicht dabei von seinem Ende im Landesinneren im Westen bis zu seiner Mündung in den großen Hauraki-Golf im Osten, von dem er ein Teil ist. Dort führen zwei Kanäle zum Hauptteil des Golfs hinüber. Die Stelle, an der sie sich voneinander trennen, wird durch eine große nahezu runde Insel markiert, in deren Mitte sich ein markanter Gipfel erhebt: der Rangitoto auf der nach ihm benannten Insel Rangitoto Island. Im Gegensatz zum Stadtgebiet erscheint diese in einem dunklen, satten Grün. Eine Spur von Bebauung ist dort nirgends auszumachen. Ich mache mir eine gedankliche Notiz dahingehend, daß wir nach Möglichkeit einen Besuch dort einplanen sollten. Auf unserem Spaziergang tags zuvor hatte ich am Fährterminal hinter dem Ferry Building gesehen, daß Fähren dorthin abgingen. Also sollte es keine allzu große Schwierigkeit darstellen, die Insel aufzusuchen und zu besichtigen.

Geradezu dehnt sich hinter dem Waitematā Harbour eine große, etwas zerklüftet wirkende Halbinsel aus. Dort ist zwar auch viel Grün auszumachen, doch ist die dichte Bebauung nicht zu übersehen. Dort liegen Devonport und Takapuna – Ortsteile von North Shore City. Es ist noch gar nicht so lange her, daß dies die viertgrößte Stadt Neuseelands war. Im Jahre 2010 hat man jedoch beschlossen, eine Art Äquivalent zur Schaffung von Groß-Berlin im Jahre 1920 zu vollziehen und einige bis dahin eigenständige große und kleine Orte in Auckland einzugemeinden. Auckland Council entstand, das aber sicherlich – außer in Amtsgeschäften – niemand so nennt. All das ist nun einfach Auckland.

Auf dem Sky Tower in Auckland
Das prächtige Panorama des Waitematā Harbour breitet sich zu Füßen des auf dem Sky Tower weilenden Betrachters aus.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Daß man, wenn man dort hinüber will, am besten die Fähre nimmt, um möglichst schnell auch dort anzukommen, das wird von hier oben offenkundig. Selbst aus dieser Perspektive ist es schwierig, jede Windung des Ufers des großen Waitematā Harbours auszumachen, der sich bis tief ins Landesinnere in unzählige kleinere und größere Seitenbuchten verzweigt. Da drumherumfahren zu müssen, kostet sicher reichlich Zeit. Diese läßt sich natürlich auch verkürzen, indem man die Auckland Harbour Bridge benutzt, die sich nicht allzuweit vom Stadtzentrum entfernt über den großen Naturhafen schwingt. Allerdings ist, so lese ich später, diese anfangs vierspurige Brücke seit ihrem Bau ein verkehrstechnisches Nadelöhr, so daß man sie bereits einmal erweitern mußte, indem man links und rechts zusätzliche Fahrbahnen mit jeweils zwei weiteren Spuren anbaute, was das Problem allerdings nicht auf Dauer lösen konnte. Also doch lieber die Fähre.

Von hier oben kann ich die Brücke nun in ihrer ganzen Länge sehen, die immerhin stolze 1,15 Kilometer beträgt. Nur ein kleiner Teil zwischen zweien der insgesamt sechs Brückenpfeiler weist die hohen stählernen Bögen auf, die mich gestern eine gewisse Ähnlichkeit zur Sydney Harbour Bridge hatten erkennen lassen. Nun, in ihrer Gesamtansicht, ist diese Ähnlichkeit nicht mehr ganz so groß.

Direkt zu unseren Füßen liegt rings um den Turm die Innenstadt Aucklands, auch Central Business District genannt. Und ein zentrales Geschäftsviertel ist dies in der Tat, wie die zahlreichen Hochhäuser beweisen. Einige von ihnen hatten wir uns ja schon auf unserem gestrigen Bummel durch die Queen Street von unten besehen können. Daß sie nicht die Höhe der Wolkenkratzer anderer Großstädte der Welt erreichen, war uns dabei bereits aufgefallen. Dennoch stellen sie eine durchaus beeindruckende Versammlung dar, wenn ich sie jetzt so von oben betrachte. Und auch wenn ich historische Bauten aufgrund ihrer größeren Ästhetik, ihres schöneren baulichen Schmuckes und ihrer oft ganz eigenen, nun, nennen wir es Persönlichkeit vorziehe, so muß ich doch zugeben, daß diese nadelartigen Gebäude hier zumindest einen gewissen gefälligen Abwechslungsreichtum aufweisen, was ihre äußere Gestaltung angeht. Diese liegt jedenfalls weitab von dem eintönigen Einerlei der Bürogebäude, die man heutzutage in Berlin für gewöhnlich so errichtet. Woran das wohl liegt?

Wie dem auch sei, dadurch fühle ich mich sogar bemüßigt, das eine oder andere Foto eines Wolkenkratzers zu schießen, sei es wegen seiner originellen Form oder wegen der interessanten Spiegelungseffekte in seiner Glasfassade.

Die Aussicht von hier oben ist in allen Richtungen gleichermaßen ausgezeichnet. Das Main Observation Deck ist so gestaltet, daß man einen uneingeschränkten 360-Grad-Rundblick genießen kann. Man muß einfach nur an den großen Fenstern entlanggehen, die sich an seiner Außenseite entlangziehen. Und genau das tue ich jetzt, wobei ich mich entgegen dem Uhrzeigersinn bewege.

Nach Westen und Süden hin dominieren eher niedrige Bauten das Stadtbild. Viele ein- bis zweistöckige Häuser sind in den einzelnen Stadtteilen zu sehen, die so malerische Namen wie Saint Marys Bay, Herne Bay, Freemans Bay oder Ponsonby und Grey Lynn tragen.  Hochhäuser gibt es hingegen nur sehr vereinzelt. Im Südwesten wird der Waitematā Harbour schließlich in der Ferne durch eine Bergkette abgelöst – die Waitākere Ranges. Ihre tiefgrünen Hänge deuten auf eine waldreiche Gegend hin.

Als sich mein Blick schließlich nach Süden richtet, entdecke ich eine weitere Wasserfläche am Horizont. Auckland besitzt ja die einzigartige Eigenschaft, gleichzeitig an der Ost- und an der Westküste der Nordinsel Neuseelands zu liegen. Und das ist von hier oben zu sehen. Diese Wasserfläche ist nämlich der an der Westküste gelegene Manukau Harbour, der zweitgrößte Naturhafen Neuseelands. Daß er größer als der Waitematā Harbour an der Ostküste ist, kann ich aufgrund seiner größeren Entfernung vom Stadtzentrum nicht wirklich sehen. Was ich beim Weitergehen hingegen bemerke, ist, daß sich im Stadtgebiet nun mehr und mehr einzelne Erhebungen zeigen. Hier eine, dort eine. Die meisten sehen eher wie kleine Hügel aus, einige erreichen aber auch größere Höhen, so daß sie doch recht deutlich hervorstechen. Der höchste dieser Hügel – es ist der Mount Eden – zeigt, als ich ihn mit meinem Teleobjektiv näher zu mir heranhole, einen ausgeprägten Krater, der ihn sofort als Vulkan erkennbar macht.

Es ist schon ein etwas merkwürdiges Gefühl, daß sich in meiner Bauchgegend breitmacht, als ich so unmittelbar daran erinnert werde, daß Auckland auf einem riesigen vulkanischen Feld errichtet wurde. Neueste Forschungen haben ergeben, daß es von dreiundfünfzig Vulkanen gebildet wird, von denen sich die meisten im Stadtgebiet befinden. Gemeinhin geht man davon aus, daß sie nach ihrem Ausbruch erkaltet sind und somit in der Zukunft kein Feuer mehr speien werden. Das ist doch beruhigend, nicht wahr?

Nun, wie so oft im Leben gibt es ein Aber. Und in diesem Fall ist es ein sehr großes Aber. Zunächst wäre zu sagen, daß es sich bei der Vorhersage, daß die Berge auf dem Auckland Volcanic Field nicht wieder ausbrechen werden, nur um eine Annahme handelt. Sicherlich eine gut begründete Annahme, aber eben doch nur eine Annahme. Absolut sicher ist sich da niemand. Und wer davon nicht beunruhigt wird, für den gibt es noch eine zweite, die besagt, daß man davon ausgeht, daß Eruptionen jederzeit an einer anderen Stelle des Vulkanfeldes möglich sind. Man hat sogar ausgerechnet, wie wahrscheinlich es wohl ist, daß ein im Jahr 2008 in Auckland geborenes Kind, für das man eine Lebenserwartung von achtzig Jahren angenommen hat und das sein Leben lang in der Stadt bleibt, hier einen Vulkanausbruch erlebt. Acht Prozent. Sagen die Wissenschaftler. Ist doch gut zu wissen, oder? Da kann man doch planen.

Der Mount Eden in Auckland
Der Mount Eden ist mit seinen 196 Metern der höchste der Vulkankegel im Stadtgebiet Aucklands. Sein Krater ist überdeutlich zu erkennen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Für einen Moment bricht sich in mir die Vorstellung Bahn, daß sich plötzlich vor meinen Augen mitten in der Stadt die Erde auftut und ein Lavastrom hervorbricht, der einen neuen Vulkankegel formt. Und was ist eigentlich, wenn das Ganze auch noch mit dem reichlich vorhandenen Meerwasser in Kontakt kommt? Doch dann reiße ich mich am sprichwörtlichen Riemen und schüttle diese Bilder schnell ab, die dann doch ein ganz klein wenig zu dystopisch für meinen Geschmack sind. Ich gestatte mir noch kurz den Gedanken, daß ich eher bezweifle, diese Stadt, so schön sie auch sein mag, als Wohnort für meinen Lebensabend in Betracht zu ziehen; dann wende mich Erfreulicherem zu.

Links hinter dem Mount Eden bemerke ich einen weiteren der Vulkane, auf dem eine Art Denkmal oder eine Statue oder etwas in der Art zu stehen scheint. Genau erkennen kann ich es wegen der großen Entfernung nicht. Also nehme ich wieder mein Teleobjektiv zu Hilfe – praktisch, so ein Ding, taugt auch als Fernglas; wenn es nur nicht so schwer wäre – und besehe mir die Sache näher. Es ist ein Obelisk. Sofort fallen mir die Illuminaten ein. Ich habe definitiv zuviel Dan Brown gelesen…

Nein, mit den Illuminaten hat dieser Obelisk ganz sicher nichts zu tun. Er steht dort als Erinnerung an das einhundertjährige Jubiläum der Unterzeichnung des Vertrages von Waitangi. Durch diese Vereinbarung – in der Sprache der Māori als „Te Tiriti o Waitangi“ bezeichnet -, die am 6. Februar 1840 vom Captain der Royal Navy William Hobson als Konsul für die britische Krone und zahlreichen Chiefs der Māori-Klans unterzeichnet wurde, gelangte Neuseeland in den Status einer britischen Kolonie. Bemerkenswert ist, daß darin festgehalten ist, daß die britische Krone das Eigentum der Māori an ihren Ländereien, Wäldern und anderen Besitztümern anerkennt und ihnen die Rechte britischer Untertanen gewährt. Der Vertrag stellt die älteste Verfassungsurkunde Neuseelands dar und ist auch heute noch anwendbares Recht. Benannt ist er nach dem Ort der Unterzeichnung.

Der One Tree Hill in Auckland
Ein einzelner Obelisk ragt anstelle eines Baumes auf dem One Tree Hill in den Himmel. Man sagt, die Einwohner der Stadt würden den Hügel auch als „No Tree Hill“ bezeichnen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Der Berg, auf dem der Obelisk steht, trägt den Namen One Tree Hill, was Ein-Baum-Berg bedeutet. Das ist einigermaßen merkwürdig, denn soweit ich sehen kann, gibt es auf dem Gipfel nur den Obelisken, aber keinen Baum. Erst etwas tiefer an den Hängen sind vereinzelt Bäume anzutreffen. Nun, zum Zeitpunkt der Namensgebung soll es dort wohl genau einen Baum gegeben haben. Es ist anzunehmen, daß das stimmt, andernfalls ergäbe der Name des Berges überhaupt keinen Sinn. Wie so oft, wenn die Briten in Neuseeland Dinge benannt haben, hat ihre Bezeichnung mit der der Māori überhaupt nichts zu tun. Jene nennen den Hügel Maungakiekie, was übersetzt soviel wie „Berg der Kiekie“ bedeutet. Die Kiekie wiederum ist eine Kletterpflanze, die ausschließlich in Neuseeland zu finden ist. Rings um den Berg zieht sich, soweit ich von hier aus erkennen kann, ein Park. Daß er den Namen Cornwall Park trägt, erfahre ich später, als ich darüber nachlese, was mir auch die Erkenntnis einbringt, daß die Benennung im Jahre 1901 zu Ehren des Herzogs und der Herzogin von Cornwall und York vorgenommen wurde, die Auckland gerade besuchten. Sie gingen später als König Georg V. und Königin Mary von Großbritannien in die Geschichte ein.

Nachdem mittlerweile neben Rangitoto Island auch Devonport und der Mount Eden auf meiner gedanklichen Liste der Orte, die aufzusuchen sich lohnen könnte, stehen, kommen im weiteren Verlauf meiner Rundschau über die Stadt noch die Auckland Domain mit dem Auckland War Memorial Museum, der Albert Park und die Universität hinzu – alles Orte, die man von hier oben gut erkennen, aber nicht näher in Augenschein nehmen kann, die jedoch auf die eine oder andere Art mein Interesse wecken.

Herauszufinden, was man in der jeweiligen Blickrichtung jeweils gerade sehen kann, überläßt man hier oben übrigens nicht allein der Findigkeit des Besuchers. Vor den Fenstern sind immer wieder Tafeln aufgestellt, die mittels einer schematischen Darstellung des Geländes Hinweise auf interessante Sehenswürdigkeiten geben. Als kleine Zugabe verzeichnen sie auch bedeutende Städte der Welt, die in der jeweiligen Himmelsrichtung liegen, inklusive einer Entfernungsangabe. Und weil Berlin von den Neuseeländern glücklicherweise als bedeutend genug eingeschätzt wird, um hier verzeichnet zu sein, weiß ich nun also auch, daß wir aktuell gerade 17.736 Kilometer von zu Hause entfernt sind. Das ist immerhin näher als das 120 Kilometer weiter weg liegende Prag! Interessant, nicht wahr? Ich hätte das andersherum erwartet…

Dann rückt schließlich wieder der Waitematā Harbour in mein Blickfeld, und kurz darauf habe ich meine Runde um das Main Observation Deck vollendet, als ich erneut die Auckland Harbour Bridge sehen kann.

Auch wenn nicht davon auszugehen ist, daß wir 34 Meter weiter oben völlig neue Aussichten erwarten können, sind wir nun doch einmal hier, und im Preis ist der Besuch des Sky Decks inbegriffen. Also fahren wir kurzentschlossen mit dem Fahrstuhl das vergleichsweise kurze Stück hinauf.

Wie vermutet, ist die Aussicht hier oben nicht nur ebenfalls uneingeschränkt in alle Richtungen möglich, sondern genauso phantastisch wie weiter unten. Wir vollziehen auch hier eine komplette Umrundung und haben, weil wir jetzt nicht mehr alles zum ersten Mal sehen und auch nicht mehr ständig in Ahs und Ohs ausbrechen müssen, genug Muße, noch nach den wenigen Orten Ausschau zu halten, die wir schon kennen, bei unserer ersten Umrundung in der unteren Aussichtsplattform aber vergessen hatten. Wir entdecken die Auckland Town Hall, die Auckland Waterfront und – ganz wichtig – unser Hotel, das EconoLodge City Central.

Tatsächlich neu ist allerdings der Blick auf eine dritte Aussichtsplattform, die der Turm besitzt, die aber oft gerne vergessen wird, da ihr Besuch im normalen Ticket nicht enthalten ist. Aus gutem Grund! Wer sie betreten will, heißt es, muß starke Nerven mitbringen. Von hier oben erkennen wir auch sofort, warum! Denn diese Plattform, die sich in 192 Metern Höhe zwischen Main Observation und Sky Deck befindet, ist eigentlich nicht viel mehr als ein Metallsteg, vielleicht einen halben Meter breit, der außen um den Turm herumführt. Und mit außen meine ich draußen! Und wenn ich Steg sage, dann ist auch exakt das darunter zu verstehen – ein Steg ohne jegliches Geländer! Klingt lustig? Nun, das dürfte definitiv im Auge des Betrachters liegen.

Wer da einmal außen herumlaufen will, muß das nicht nur extra buchen, der muß auch entsprechende Ausrüstung anlegen, denn natürlich lassen die Turmbetreiber nicht jeden, der das will, einfach so in luftiger Höhe außen um den Turm spazieren. Das geht nur angeseilt. Wir hatten unten trotzdem nur ganz kurz überlegt, ob wir uns das gönnen sollen – und dann darauf verzichtet. Nun, wo ich auf beiden hinter Fenstern gelegenen Aussichtsplattformen war, bin ich mit dieser Entscheidung auch ganz zufrieden. Viel mehr als von hier sieht man auf diesem Sky Walk auch nicht, und nur des Nervenkitzels wegen muß ich das nicht machen.

Nervenkitzel im Übermaß verspricht übrigens auch die andere Betätigung, die man von dieser Außenplattform aus ausüben kann. Die Rede ist vom SkyJump. Dabei kann man im wahrsten Sinne des Wortes von Turmspringen reden. Allerdings ist das Ziel nicht ein Wasserbecken, sondern einfach der harte Erdboden. Und man springt auch nicht aus zehn Metern Höhe, sondern stürzt sich aus 192 Metern in die Tiefe. Damit das aber nicht böse endet, wird man mit drei Führungsseilen verbunden, die von hier oben bis nach ganz unten reichen und genau den Zweck erfüllen, der sich in ihrem Namen ausdrückt: sie führen den Sprung. Damit soll vermieden werden, daß die Wagemutigen – andere würden sie vielleicht auch als Verrückte bezeichnen – bei Windböen gegen den Turm geschleudert werden. 85 Kilometer pro Stunde Fallgeschwindigkeit soll man bei so einem Sprung erreichen können. Und wie kommt man unten an? Nun, es wird versprochen, daß man kurz vor dem Boden computergesteuert abbremst.

Eine Gruppe Base-Jumper auf dem Sky Tower in Auckland
Eine Gruppe Wagemutiger bereitet sich auf den SkyJump vor.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Als wir vom Sky Deck auf den Sky Walk hinunterblicken, können wir dort eine Gruppe Besucher beobachten, die sich gerade darauf vorbereiten. Alle sind in orangefarbene Overalls gekleidet und angeseilt. Offenbar erhalten sie gerade von einem Angestellten des Turm-Teams letzte Anweisungen. Weil es aber wohl eine ganze Menge zu der Angelegenheit zu sagen gibt, dauert das so lange, daß wir schließlich die Geduld verlieren und unseren Rundgang um das Sky Deck fortsetzen.

Als wir auf dem Weg nach unten wieder im tiefergelegenen Main Observation Deck angekommen sind, haben die Wagemutigen ihre Einweisung offenbar erfolgreich hinter sich gebracht und sind nun einer nach dem anderen auf dem Weg nach unten. Dabei rauschen sie direkt vor den Fenstern vorbei. Das geht derart schnell, daß ich mir kaum vorstellen kann, daß sie in der kurzen Zeitspanne, die sie bis nach unten benötigen, überhaupt viel von dem Sprung und der Welt um sich herum mitbekommen können. Nun, auf jeden Fall sind sie schneller unten als wir.

Dort langen auch wir wenig später an. Als ich beim Verlassen des Empfangsgebäudes auf die Uhr sehe, stelle ich fest, daß wir runde zwei Stunden auf dem Turm verbracht haben. Gut investierte Zeit, denn wir haben nicht nur einen schönen Überblick über die Stadt gewonnen und bei bestem Wetter eine phantastische Aussicht genossen, sondern nun auch einige weitere lohnende Ziele für unsere nächsten Unternehmungen in Auckland auf dem Zettel. Und weil der Tag noch lange nicht zu Ende ist – die Mittagszeit ist gerade erst vorüber -, fangen wir auch gleich damit an.

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An Aucklands Waterfront

Dieser Beitrag ist Teil 2 von 10 der Beitragsserie "Reise nach Neuseeland & Singapur"
Wie ich Aucklands Waterfront und die Hauptgeschäftsstraße der Stadt inspizierte

Als wir das Flugzeug verlassen, ist es Mittag. Von hier bis zum Terminal zu gelangen und die Einreiseformalitäten zu erledigen – all das dauert nicht sehr lange. Der Flugplatz ist eher übersichtlich und alles geht seinen geordneten Gang. Im Nu stehen wir am Gepäckband und warten auf unsere Rucksäcke, die auch schon nach kurzer Zeit auf uns zufahren. Puh. Alles gut gegangen. Seit meinem Trip nach Kanada bin ich an Gepäckbändern auf Zielflughäfen immer etwas nervös und erwarte irgendwie, daß mein Rucksack so wie damals den Weg nicht gefunden hat und ich vergeblich nach ihm Ausschau halte.

A 380 auf dem Auckland Airport
Unser Flugzeug auf dem Flughafen in Auckland. Dieser selbst ist doch eher überschaubar.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Diesmal kann ich ihn jedoch erleichtert vom Band heben und mir auf den Rücken hieven. Los geht’s. Draußen wartet ein ganzes Land darauf, von mir entdeckt zu werden. Die Einreiseformalitäten sind schnell erledigt, und es gibt auch kein so großes Bohei wie bei unserer Einreise in Australien vor etwas mehr als zwei Jahren. Da war jeglicher Form von Nahrungsmitteln der Zutritt zum fünften Kontinent verwehrt. Und weil ich den Fehler begangen hatte anzugeben, daß meine Schuhe nicht neu waren, hatten sie sogar meine Schuhsohlen aufs genaueste untersucht. Ich könnte ja ein Krümel Irgendwas ins Land schleppen, was da nicht hingehört.

Hier in Auckland verzichtet man auf all das und so stehen wir schon bald vor dem Flughafengebäude und schauen uns in der Mittagssonne um. Na gut – in der Stadt sind wir schon mal nicht. Das war aber auch nicht zu erwarten. Weil direkt vor uns eine Bushaltestelle ist, schauen wir zuerst da mal nach. Glück gehabt – hier fährt ein Bus in die Stadt. Tickets gibt’s an einem kleinen Kiosk nebenan.

Wenig später sitzen wir entspannt im Bus und rollen gen Auckland. Gefahren wird hier wie in England – auf der falschen Seite. Ich werde mich also für den Rest des Urlaubs wieder daran gewöhnen müssen, beim Überqueren der Straße zuerst nach rechts zu sehen. Das wird voraussichtlich die ganzen vier Wochen dauern – und wenn ich’s dann endlich drauf habe, geht’s zurück nach Deutschland, wo ich’s mir dann wieder abgewöhnen muß. Immer vorausgesetzt, ich überlebe die Momente, wo ich in die gewohnte Richtung schaue und dann die Straße betrete, weil offensichtlich nichts kommt…

Der Bus ist recht flott unterwegs, und so sind wir nach nicht allzulanger Fahrt am Ziel. Während sie andauert, finden wir heraus, daß der Bus uns fast bis an unser Hotel bringt. So viel Glück auf einem Haufen hat man auch nicht alle Tage…

Als wir an einer belebten Straßenkreuzung mitten im Zentrum Aucklands aussteigen, müssen wir nur noch wenige Meter laufen, um zu unserem Hotel zu gelangen. Es ist das einzige, das wir vorab schon von Deutschland aus gebucht haben. Es macht einfach keinen Spaß, nach so langen Flügen noch mit dem schweren 18-Kilogramm-Rucksack auf dem Rücken auf der Suche nach einem freien Hotelzimmer durch die Stadt zu tigern. Da ist es doch viel angenehmer, genau zu wissen, wo man die ersten Nächte schlafen wird. Alles andere findet sich dann, wenn sich der weitere Reiseverlauf sukzessive ergibt.

Kurz darauf stehen wir am Eingang zum EconoLodge City Central Hotel. Ein gewaltiger Name. Diese Nächtigungsanstalt befindet sich an der Ecke der Wellesley Street West und der Albert Street, in unmittelbarer Nähe vom Sky Tower. Den haben wir schon zu uns herabgrüßen sehen, uns aber noch nicht eingehender mit ihm beschäftigt. Von außen wirkt das Hotel mit seiner Quaderform und der Ziegelfassade mit den langen Fensterstrecken eher nüchtern, hinterläßt aber einen ordentlichen ersten Eindruck.

Der bestätigt sich auch, als wir das Innere betreten. Die Anmeldung ist unkompliziert, denn die Reservierung ist – dem Internet sei Dank – zuverlässig hier eingetroffen und schnell aufgefunden, und so sind wir wenig später auf dem Weg nach oben in unser Zimmer. Der Fahrstuhl ist klein, fast schon winzig, und als wir aussteigen, stehen wir auf einem ziemlich engen Flur. Und das ist nicht als kurze Umschreibung für „etwas schmaler als gewöhnlich“ zu verstehen! Hier können wir tatsächlich nur hintereinander gehen. Unser Zimmer ist dafür recht geräumig und hell. Auch ist es auffallend ruhig, obwohl es direkt über der Straßenkreuzung liegt. Als ich testen will, wie groß der Lärm bei offenem Fenster ist, muß ich feststellen, daß sich die Fenster nicht öffnen lassen. Belüftet wird hier per Klimaanlage. Nun ja, ich ziehe zwar ein offenes Fenster vor, aber es gibt Schlimmeres. Solange die Klimaanlage jetzt im Sommer nicht heizt, ist alles in Ordnung. Nicht lachen – auch das habe ich auf Reisen schon erlebt, damals in Montreal…

Zwei Betten, recht bequem, ein Schrank, ein Tisch, zwei Stühle und ein kleines Badezimmer mit Badewanne – das ist die Ausstattung unserer Bleibe für die nächsten fünf Nächte. Nichts Luxuriöses, aber es erfüllt seinen Zweck und ist sauber. Hier läßt sich’s bequem aushalten. Was will man mehr…

Wir richten uns ein und strecken uns gleich mal auf den Betten aus. Eigentlich ganz schön. Insbesondere nach dem Dauersitzen im Flugzeug und dem Nachschlag im Bus. Und doch: lange hält es uns nicht. Draußen ist schließlich noch heller Nachmittag. Und den wollen wir nutzen und schon mal ein wenig die Stadt erkunden. Wir sind ja schließlich neugierig! Also stehen wir kurz darauf wieder auf der Wellesley Street West und schauen uns um. Für den Anfang vielleicht erst einmal etwas Bekanntes. Gut, davon gibt’s für uns in Auckland nicht wirklich viel, denn hier waren wir noch nie. Aber einen Ort kennen wir immerhin doch: die Bushaltestelle, an der wir ausgestiegen sind. Die Kreuzung dort war, so schien uns, recht lebendig. Also gehen wir die paar Schritte dorthin zurück und stellen fest, daß sich hier die Wellesley Street West mit der Queen Street trifft.

Für mich ist es eine gute Tradition, daß ich, wenn ich an Orte mit Meeresanschluß reise, dem jeweiligen Gewässer noch am Tag der Ankunft einen ersten Besuch abstatte. Man will sich mit den Göttern der Fluten schließlich gut stellen. Und da hilft Höflichkeit schon einmal ungemein. Wir wenden uns also nach Norden und spazieren die Queen Street entlang. An deren Ende soll laut Reiseführer der Hafen liegen.

Diese Straße kann man mit Fug und Recht als die Hauptgeschäftsstraße von Auckland bezeichnen. Und genauso sieht sie auch aus. Geschäft reiht sich hier an Geschäft, Laden folgt auf Laden. Größere, mittlere, kleine – alles bunt gemischt. Nur Kaufhäuser in der Größenordnung, wie wir sie aus der Heimat kennen, scheint es hier nicht zu geben. Ich kann allerdings nicht behaupten, daß ich sie vermissen würde…

Die Gehsteige sind sämtlich von Vordächern überschattet, so daß hier niemand Gefahr läuft, sich beim Einkaufsbummel einen Sonnenbrand zu holen. Allerdings sind diese bei vielen der die Straße säumenden Häuser nicht wirklich einer ihrer Bestandteile, sondern sehen eher wie an sie angehangen aus. Tatsächlich ist wohl auch genau das der Fall.

Die Häuser sind eine bunte Mischung aus allen möglichen Baustilen und vermutlich auch Jahrzehnten. Hier ein Bau, der gut und gerne hundert Jahre alt sein könnte, daneben einer, der höchstens die Hälfte auf dem Buckel hat, gefolgt von einem Niegelnagelneubau. Hochhäuser gibt es natürlich auch, aber die stattliche Höhe, wie man sie aus amerikanischen Großstädten oder auch aus Sydney oder Melbourne kennt, erreichen sie nicht. Auch wenn sie ihre Nachbarn weit überragen, scheinen sie sie doch nicht niederdrücken zu wollen. Ich finde das sehr rücksichtsvoll von ihnen.

Heiß ist es nicht, aber doch sommerlich warm, und so kommt uns ein Starbucks gerade recht, um uns einen Eiscafé zu gönnen. Diese Kette gibt’s wirklich überall auf der Welt. Und darin läuft alles auch genau so ab wie bei uns zu Hause. Deshalb können wir uns trotz fremdem Land sofort zurechtfinden. Systemgastronomie eben. Genial, wenn man sich erstmal nicht gar so fremd vorkommen will, aber nichts, um in die fremden Welten auch einzutauchen. Die einschlägigen Verwandten vom Burgerladen mit dem großen gelben M bis zum Fettkringelgeschäft gibt’s hier natürlich auch alle. Wir werden sie weitestgehend meiden, doch der Eiscafé geht in Ordnung.

Jetzt wird die Straße von kleinen Palmen gesäumt. Wir bummeln weiter an Geschäften vorüber, die sich mir jedoch nicht einprägen. Ich hab’s nicht so mit Einkaufsbummeln und besehe mir lieber die Hausfassaden links und rechts. In der Ferne vor uns ragt ein Hochhaus auf, an dessen oberer Kante der Schriftzug Deloitte prangt. Ein solches Haus gibt’s offenbar in jeder größeren Stadt der westlichen Welt. Berlin hat auch eins. Beratungshäuser sind eine boomende Branche. Komischerweise muß ich immer, wenn ich eines dieser Häuser sehe und den Schriftzug lese, an ein WC denken. Woran das wohl liegt?

Die rechte und die linke Straßenseite haben sich die Häuser jetzt aufgeteilt – die hohen, neuen hat die linke übernommen, die alten, kleinen stehen auf der rechten. Als wir das Hochhaus passiert haben, daß sich die Berater hier haben errichten lassen – sie haben natürlich die falsche Straßenseite dafür genommen, so daß ihr hoch aufragendes, Bedeutung einforderndes Bauwerk rechts von uns herumlungert -, stehen wir kurz darauf an einer großen Straßenkreuzung. Dahinter beginnt auf der linken Seite ein langgezogenes Glasdach über dem Bürgersteig, an dem viele Busse hintereinander stehen. Das ist ganz offensichtlich der Busbahnhof der Stadt. Ihm gegenüber steht ein altes, ehrwürdiges, irgendwie amtlich aussehendes Gebäude. Im Augenblick habe ich keine Ahnung, um was es sich dabei handelt, doch ich merke es mir vor. Später werde ich herausfinden, daß dieses Gebäude einst das Hauptpostamt der Stadt war, seit 2003 jedoch als Empfangsgebäude für das Britomart Transport Centre dient, einen Bahnhof und Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrssystems Aucklands, zu dem auch besagter Busbahnhof gehört.

Das Britomart Transport Center in der Queen Street in Auckland
Ein Blick in die Queen Street, Aucklands Hauptgeschäftsstraße. Im Vordergrund ist der Busbahnhof des Britomart Transport Centres zu sehen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Für mehr ist gerade keine Zeit, denn schon zieht ein anderes Gebäude meine Aufmerksamkeit auf sich. Es steht schräg links vor uns hinter dem Busbahnhof. Mit ihm haben wir auch das Ende der Queen Street erreicht. Sie trifft hier auf die Quay Street; und deren Name ist nicht zufällig gewählt, denn sie verläuft parallel zu den Hafenanlagen beziehungsweise zu Aucklands Waterfront. Zu dieser gehört auch das Gebäude, das mir ins Auge sticht.

Gelbbraun ist seine Fassade, in die Gesimse, angedeutete Säulen mit Kapitellen, Bögen und Fenster mit dreieckigen und runden Bekrönungen integriert sind. In der Mitte ragt ein Turm auf, der an allen Seiten Uhren besitzt und dessen Dach spitz zuläuft. Die Architektur deutet auf ein Alter von wenigstens einhundert Jahren hin, nur die oberste Etage hinterläßt einen etwas moderneren Eindruck. Offenbar wurde sie später aufgesetzt. Weil sie jedoch recht flach ist, stört sie nicht weiter.

Das Ferry Building in Auckland
Das Ferry Building, 1912 errichtet, ist das Fährterminal der Stadt.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Daß ich mit meiner Schätzung gar nicht so schlecht liege, erfahre ich später, als ich mehr über das Gebäude herausfinden will. Der Baustil wird als Edwardianischer Barock bezeichnet und war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts groß in Mode, zu der Zeit, als König Edward VII. das britische Empire regierte. Und aus dieser Zeit stammt das Ferry Building, vor dem wir hier stehen. Genauer gesagt, von 1912. Es ist das Fährterminal der Stadt. Von hier starten die Fährschiffe in die Vorstädte Aucklands und zu den vorgelagerten Inseln. Tatsächlich ist der Wasserweg in Auckland durchaus ein Konkurrent zur Straße, liegt Auckland doch an den Ufern des Waitematā Harbour, der ein Teil des großen Hauraki Golfs ist, dessen Buchten mitunter tief ins Land einschneiden. Um diese mit dem Auto herumzufahren, ist mitunter bedeutend zeitaufwendiger, als die Fähre zu benutzen.

Während wir das Gebäude einer näheren Betrachtung unterziehen, fällt mir an der Quay Street ein über einem Eingang angebrachtes, über dem Bürgersteig hängendes Schild ins Auge. „Botswana Butchery“ steht darauf. Hm, ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß das zugehörige Etablissement irgendetwas mit Fleisch zu tun hat. Wörtlich übersetzt bedeutet der Name auf dem Schild „Botswana-Metzgerei“. Oder auch „Metzgerei in Botswana“, wie man möchte. Eine Metzgerei in einem Fährterminal? Eigenartig. Als ich durch die Glasscheiben der doppelflügeligen Eingangstür ins Innere spähen will, bemerke ich die Türgriffe. Sie sind als Fleischerbeile gestaltet. Allerliebst. Und auf jeden Fall sehr martialisch. Hier mag jemand Fleisch. Definitiv. Das Rätsel löst sich, als ich die ausgehängte Speisekarte entdecke. Aha, ein Restaurant also, wohl eine Art Steakhaus.

Da wir gerade keinen Hunger haben, erkunden wir das Restaurant nicht weiter, sondern schlendern lieber rechts am Ferry Building vorbei. Dabei passieren wir einen auffällig roten Metallzaun mit einem großen Tor. Die Torpfosten sind ebenfalls metallisch und mit großen Laternen bekrönt, an deren Sockeln an allen vier Ecken kleine bärtige Männerköpfe etwas grimmig in die Umgegend blicken. In der Mitte des Tores ist ein großes, wappenartiges und ebenfalls metallisches Siegel angebracht, an dessen Seiten sich zwei ebenfalls bärtige, fischschwänzige Männer entlangwinden, die auf ihren Schultern und Armen ein Segelschiff tragen. In der Mitte des Wappens prangen in schöner Schreibschrift die Initialen AHB.

Am Queens Wharf Gate des Red Fences an Aucklands Waterfront
Am Queens Wharf begann man 1913 mit der Errichtung des heute berühmten Roten Zauns.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Ein an diesem Zaun angebrachtes Schild weist uns darauf hin, daß wir – wer hätte es gedacht – vor dem sogenannten Red Fence, dem Roten Zaun, stehen. Er wurde in den Jahren 1913 bis 1923 errichtet und trennt den Hafenbereich von der Quay Street. Seinen Anfang nahm er genau an der Stelle, an der wir gerade stehen – als Zaun zur Abgrenzung des Queens Wharfs, einem Pier des Hafens. In den 1920er Jahren ließ der Hafenbetreiber, das Auckland Harbour Board (daher die Initialen AHB), dann den Zaun verlängern, um auch andere Hafenbereiche zu sichern. Obwohl der Schiffsanlegeplatz – heute Neuseelands größter Hafen und der drittgrößte Containerumschlagplatz in Australien und Asien – in späterer Zeit immer weiter aus dem Stadtzentrum heraus in Richtung Osten verschoben wurde – und zum Teil auch noch heute wird -, so daß man das freiwerdende Hafengelände neu gestalten und dem Stadtleben zuführen konnte, haben große Teile des Roten Zauns bis heute überlebt. Er gilt mittlerweile als eine der Sehenswürdigkeiten Aucklands und wird als solche auch erhalten und gepflegt.

Die Piere am Zentrum der Stadt sind heute öffentlich zugänglich, so daß der Zaun hier Lücken läßt und seine Tore, so sie noch vorhanden sind, offenstehen. Das nutzen auch wir und spazieren auf den Queens Wharf. Ihn gibt es, wenn auch nicht in der heutigen Form, seit 1852. War er früher aus Holz, so besteht er nun aus Beton. Er ist gewissermaßen die direkte Fortsetzung der Queen Street auf’s Wasser hinaus. Von ihm haben wir einen schönen Blick auf die benachbarten Piere – im Osten beispielsweise den Bledisloe Wharf. Als wir weiter auf den Queens Wharf hinauskommen, können wir auch die Auckland Harbour Bridge sehen. Sie erinnert in ihrer Form ein wenig an die gleichnamige Brücke in Sydney. Mit ihrer Länge von mehr als einem Kilometer verbindet sie den zentralen Teil von Auckland mit einer durch den Waitematā Harbour von der Stadt getrennten Landzunge und kürzt so eine andernfalls erforderliche, etwa fünfzig Kilometer lange Fahrt um den Naturhafen herum ab.

Bledisloe Wharf im Hafen von Auckland
Ein Blick vom Queens Wharf auf den Bledisloe Wharf im Hafen von Auckland.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Vom Ende des Queens Wharfs ist der Waitematā Harbour sehr schön zu überblicken, und so stehen wir eine Weile lang andächtig hier herum und lassen beeindruckt unsere Blicke über’s Wasser schweifen. Als wir uns schließlich umdrehen, um zurückzulaufen, sind wir gleich ein zweites Mal beeindruckt – diesmal von der nahen Skyline des Zentrums Aucklands, vor der sich das Ferry Building unseren Blicken präsentiert. Auch wenn die Wolkenkratzer hier nicht so hoch sind wie anderswo – eine machtvolle Skyline geben sie allemal ab. Und natürlich finden sich hier auch all die anderen Firmennamen an den Gebäudeoberkanten, die man in allen großen Städten der westlichen Welt so findet. Ist es ein Wunder, daß sich der Eindruck aufdrängt, die Welt befinde sich in der Hand einiger weniger den Globus umspannender Firmen und Konzerne? Ist aber bestimmt nur eine Verschwörungstheorie…

Wir gehen weiter an der Uferwand des Piers entlang, die uns schließlich wieder zum Ferry Building und der Quay Street zurückführt. Noch haben wir nicht genug vom Spazieren in der fremden Stadt am anderen Ende der Welt, weshalb wir noch ein wenig die Quay Street in Richtung Westen weiterwandern. Der Rote Zaun begleitet uns weiter. Und auch wenn hier nun die eigentlichen Zaunfelder fehlen, die alten Zaunpfeiler mit den sie bekrönenden Laternen gibt es noch. Daß auf dem alten Hafengelände dahinter mittlerweile keine technischen Anlagen und Container mehr zu finden sind, sondern stattdessen Hotel- und Gewerbebauten mit Restaurants und Unterhaltungseinrichtungen darin, läßt die Überbleibsel des alten Hafenzauns manchmal ein wenig aus der Zeit gefallen erscheinen, doch verleiht das der Gegend, die wir hier durchstreifen, auch einen ganz eigenen Charme.

Während wir entspannt die Auckland Waterfront entlangschlendern, verschwenden wir keinen Gedanken daran, wie merkwürdig es doch eigentlich ist, daß dieser Begriff die Gegend, in der wir uns gerade befinden, so eindeutig kennzeichnet. Denn wenn man sich das Stadtgebiet auf einer Karte genau besieht, stellt man fest, daß Auckland eigentlich zwei Waterfronts besitzt: die hiesige am Waitematā Harbour und eine weitere im Südwesten, die auf der anderen Seite der neuseeländischen Nordinsel an der großen Bucht des Manukau Harbour liegt, der immerhin Neuseelands zweitgrößter Naturhafen ist. Doch weil sich der Hafen von Auckland nun einmal hier am Waitematā Harbour entwickelt hat, hat sich für dieses Areal der Name Auckland Waterfront durchgesetzt. Den anderen Küstenstreifen der Stadt bezeichnet tatsächlich niemand hier so.

Als wir das Ende der Quay Street erreichen, führt ein Weg weiter geradeaus auf einen molenartig in ein Hafenbecken hineinreichenden Pier. Links und rechts schaukeln Segelboote in großer Zahl im Wasser. Ich schaue ihnen zu und mir wird im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich, warum Auckland den Beinamen „City of Sails“ beziehungsweise „Stadt der Segel“ trägt. Am Ende des kleinen Piers schließt sich eine schmale Fußgängerbrücke an. Sie grenzt das Viaduct Bassin genannte Hafenbecken gegen den großen Waitematā Harbour ab, ist jedoch als Klappbrücke gestaltet, damit die Segelboote herein- und hinausfahren können. Wir spazieren hinüber und erreichen ein kleines Viertel namens Wynyard Quarter, das der Brücke auch zu ihrem Namen verholfen hat: Wynyard Crossing. Wir sind hier am westlichen Ende von Aucklands Waterfront angekommen.

Skyline am Viaduct Bassin in Auckland
Dieser Blick auf die schöne Skyline Aucklands bietet sich vom Ufer des Viaduct Bassins im Wynyard Quarter.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Der Blick über das Viaduct Bassin zurück auf die Innenstadt Aucklands ist ein weiteres Mal atemberaubend. Dominiert wird die Skyline der Stadt auf dieser Seite vom Sky Tower. Die vielen schlanken Masten der Segelboote scheinen bestrebt, ihm hinsichtlich der Höhe Konkurrenz zu machen, können mit ihm aber nur perspektivisch und aufgrund ihrer größeren Nähe zu uns mithalten. Die weißen Wolkenberge, die sich im tiefblauen Himmel über der Stadt auftürmen, verleihen der Szenerie eine ruhige Schönheit.

Diese Schönheit ist noch weitaus mehr zu würdigen, wenn man bedenkt, daß wir sie in gewisser Weise nur einem gescheiterten Projekt verdanken, dessen Überbleibsel das Viaduct Bassin ist. In den frühen 1920er Jahren hatte die hiesige Hafenbehörde geplant, die infolge der technischen Entwicklung immer größer werdenden Schiffe im Waitematā Harbour ankern zu lassen. Die Waren sollten dort in kleinere Schiffe umgeladen und an Land gebracht werden. Damit wollte sie sich die Kosten für das Ausbaggern der Hafenkanäle und die Anlage neuer Piers ersparen. Um den Plan in die Tat umzusetzen, hatte man das Viaduct Bassin, das sich heute so natürlich als Teil des Naturhafens präsentiert, als Anlegeplatz für diese Transportschiffe anlegen lassen. Doch wie so oft, wenn Menschen Pläne machen, war am Ende alles anders gekommen. Die Hafenbehörde hatte die Rechnung ohne die Schiffseigner gemacht. Weil diese an dieser Lösung nicht interessiert waren, hatten sie einfach die Zusammenarbeit verweigert und eisern darauf bestanden, daß ihre Schiffe zur Löschung der Ladung weiterhin direkt anlegen sollten. Schließlich hatte die Hafenbehörde klein beigeben müssen. Und das Viaduct Bassin? Das hatte nun keinen Zweck mehr besessen und war daher als Anlegeplatz für Fischerboote genutzt worden. An seinen Ufern richtete man alsbald einen Fischmarkt ein und baute Lagerhäuser. In den 1990er Jahren entwickelte man das Gebiet dann zu einem Wohnareal mit einem hohen Anteil an Gastronomie. Uns ermöglicht diese historische Entwicklung, daß wir nun hier stehen und die Aussicht auf die Skyline Aucklands genießen können. So birgt auch das Scheitern oft genug die Möglichkeit für Neues und Schönes.

Als wir überlegen, ob wir das Wynyard Quarter noch ein bißchen erkunden sollen, melden unsere Mägen erste sanfte Proteste an. Der Drang zum Abendessen obsiegt folglich über den zur Erkundung der fremden Welt. Und das Ziel, gleich am ersten Tag das Meer zu besuchen, hatten wir ja auch vorbildlich erreicht. Wir wenden unsere Schritte daher zurück ins Zentrum und weiter die Queen Street hinauf. Nach einem kurzen Abstecher ins Hotel begeben wir uns auf die Suche nach einem gemütlichen Restaurant. Wir müssen nicht lang suchen, denn davon gibt es in dieser Stadt reichlich. Da Auckland wie überhaupt Neuseeland in der Vergangenheit Einwanderer aus allen Teilen der Welt angezogen hat, ist natürlich für jeden kulinarischen Geschmack etwas zu finden. So auch für unseren.

Als wir schließlich gesättigt noch ein wenig in der hereinbrechenden Dämmerung durch die Straßen spazieren, gelangen wir auch zum nahegelegenen Aotea Square, dessen eine Seite von Aucklands Town Hall gesäumt wird, einem schönen Gebäude aus dem Jahre 1911 mit einer keilförmigen Grundform. Sein spitz zulaufendes Ende wird von einem kleinen Turm markiert, dessen Sockel mit einer sanften, balustradenbekrönten Rundung versehen ist, deren Fassade mit als Säulen gestalteten Pilastern verziert ist. Mit seiner sanften Beleuchtung in bunten Farben wirkt das Rathaus irgendwie geheimnisvoll.

Das Rathaus von Auckland
Die 1911 fertiggestellte Auckland Town Hall in der Abenddämmerung.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015)
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Bei unserem rein äußerlichen Blick auf die Town Hall ist die Verbindung, die sie zu Deutschland besitzt, nicht erkennbar. Das Gebäude, das nicht nur administrativen Zwecken dient, sondern auch ein Ort der Kultur ist, beherbergt in seinem Inneren einen Konzertsaal mit mehr als 1.600 Plätzen. Das Besondere an diesem Veranstaltungsort ist, daß ihn die Erbauer des Rathauses, die Melbourner Architekten John James Clark und Edward James Clark, dem Konzertsaal des alten Gewandhauses in Leipzig nachempfunden haben.

Für uns geht nun der erste Tag im fremden Land zu Ende. Müde von der langen Reise und dem Stadtbummel, der am Ende ein wenig ausgedehnter ausgefallen ist als ursprünglich beabsichtigt, fallen wir schließlich in unsere Betten und träumen weiteren Abenteuern entgegen.

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