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Strandung knapp vermieden

Dieser Beitrag ist Teil 3 von 4 der Beitragsserie "Aus den Notizen eines Bahnfahrers"
Aus den Notizen eines Bahnfahrers (III)

Eine Fahrt von Trier nach Berlin ist überaus – nun, nennen wir sie: interessant.

Zunächst einmal gibt es derzeit keine direkte Verbindung. Früher verband die beiden Städte mal ein ICE, doch das ist vorbei.

Jetzt hat man die Wahl zwischen einmal und zweimal umsteigen. Interessant dabei ist, daß, wer auf die möglichst geringe Anzahl Umstiege optimiert, länger unterwegs ist. Denn die Fahrt geht zunächst nach Mannheim.

Nun weiß der geübte Bahnfahrer, daß es bei der deutschen Bahn durchaus von Vorteil sein kann, möglichst wenig umzusteigen, da es die Chance auf verpaßte Züge reduziert. Es sei denn, man vertraut darauf, daß die Bahn ihr neues Konzept zur Vermeidung verpaßter Anschlüsse konsequent umsetzt.

Ich tat das zwar nicht, entschied mich allerdings trotzdem für eine Verbindung mit zwei inklusiven Umstiegen, einer in Koblenz,  der andere in Köln. Der Grund war ganz einfach: bei fast acht Stunden Reisezeit wollte ich die Fahrt nicht noch unnötig verlängern.

Kurz vor Antritt der Fahrt entschloß ich mich aufgrund des bereits erwähnten, nicht vorhandenen Vertrauens dazu, es doch zu tun. Aber nicht, indem ich nach Mannheim fuhr – das hätte mich meiner zwei Sitzplatzreservierungen verlustig gehen lassen -, sondern indem ich vorsichtshalber den Zug nach Koblenz eine Stunde früher nahm. Da ich auf dieser Strecke ohnehin nur mit einem reservierungslosen Regionalexpreß unterwegs sein würde, spielte es keine Rolle, mit welchem Zug ich fuhr.

Daß diese Vorsichtsmaßnahme angemessen war, bewies mir die Bahn gleich einmal damit, daß der Zug zwar pünktlich ankam, aber bei der Abfahrt bereits fünf Minuten Verspätung hatte.

Natürlich holte der Zug die Verspätung nicht mehr auf. Er baute sie eher noch auf acht Minuten aus. Doch ich hatte ja nun Zeit. Wie ich später der Anzeigetafel im Koblenzer Bahnhof entnehmen konnte,  hatte auch der Zug, den ich eigentlich nehmen sollte, mehrere Minuten Verspätung.  Da wäre es bei einer planmäßigen Umsteigezeit von 17 Minuten möglicherweise knapp geworden. Sie kriegen es bei der Bahn offenbar einfach nicht hin, pünktlich zu sein.

Doch sie hatten dafür vorgesorgt. Gemäß ihrem neuen Konzept spendierte die Bahn meinem Anschlußzug auch zehn Minuten Verspätung. Zumindest laut Anzeigetafel. In der App waren es dann schon 14, was am Ende eher der Realität entsprach.

So bin ich nun glücklich nach Köln unterwegs, stets inständig hoffend, daß der Zug seine Verspätung nicht noch ausbaut und so meine 43 Minuten Umsteigezeit, die bereits auf 29 Minuten geschrumpft sind, weiter reduziert und gar komplett aufbraucht. Denn als Grund für die Verspätung wurde in Koblenz eine „Reparatur am Zug“ angegeben.

Und daß diese nicht unproblematisch ist, konnte der geneigte Fahrgast einer interessanten Laufschrift entnehmen, die am Bahnhof durch die Anzeige tickerte. Dort war nämlich zu lesen, daß der Intercity nach Dresden, mit dem ich nach Köln unterwegs sein würde, heute an den folgenden Bahnhöfen nicht halten würde: Braunschweig, Magdeburg,  Halle ( Saale), Leipzig, Dresden-Neustadt und zu guter Letzt Dresden Hauptbahnhof.  Das aber bedeutet schlicht nichts anderes, als daß der Zug nach Dresden gar nicht mehr nach Dresden fahren, sondern seine Reisenden in Hannover stranden lassen würde.  Grund auch hier: eine „Reparatur am Zug“.

Mal davon abgesehen,  daß ich am Bahnhof in Koblenz nur ein einziges Mal eine auf diesen nicht ganz uninteressanten Umstand hinweisende Durchsage hören konnte, so daß später eintreffende Reisende nur davon Kenntnis erhielten, wenn sie noch einmal aufmerksam auf die Anzeigetafel schauten, frage ich mich immer noch, warum ein Zug, der laut Angabe des Verspätungsgrundes doch repariert wurde, so daß er seine Fahrt – zum Glück für mich – nicht ganz abbrechen muß, nicht in der Lage ist, sein eigentliches Ziel zu erreichen. Und wenn dem so ist, woher weiß man dann so genau, daß er ausgerechnet bis Hannover noch durchhalten wird? Fragen über Fragen…

Dauert halt länger…

„Deutschland auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft“

So überschrieb die Zeitung „Welt“ (damals noch „Die Welt“) im November 1997 einen ihrer Artikel[1]Kurt Kieselbach: Deutschland auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft, Artikel vom 28. November 1997. Website welt.de, abgerufen am 25. Mai 2023., in dem sie feststellte, daß mehr und mehr Menschen in unserem Land im Dienstleistungssektor der Wirtschaft tätig sind. Zu diesem, so lerne ich, gehören unter anderem der Handel und das Gastgewerbe, der Verkehr und die Nachrichtenübermittlung, das Kredit- und Versicherungsgewerbe, das Grundstückswesen, jede Art von Dienstleistungen für Unternehmen sowie öffentliche und private Dienstleistungen. Ob diese Liste vollständig ist oder nicht, sei mal dahingestellt. Daß aber das Postwesen dazugehört, dürfte außer Frage stehen.

Halten wir also fest: Deutschland ist schon seit mehreren Jahrzehnten auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft, von der das Postwesten, also der Transport von Briefen und Paketen – oder allgemeiner gesagt: Sendungen – ein Teil ist. Würde ich nun vor die Aufgabe gestellt, den Erfolg dieses langen Weges zu bewerten, und nähme ich dafür meine jüngste Erfahrung mit dem Dienstleister DHL als Referenz, so käme ich ohne Wenn und Aber zu dem Schluß, daß Deutschland auf diesem Wege komplett gescheitert ist. Böse Zungen behaupten ja hin und wieder, daß sie durchaus den Eindruck hätten, das gelte für sehr viele Bereiche in unserem Lande, nicht nur für den Dienstleistungssektor, aber das möchte ich an dieser Stelle lieber nicht vertiefen.

Ich möchte stattdessen von dem neuesten Schelmenstück berichten, das der Transportdienstleister DHL geruhte aufzuführen und in dem mir das zweifelhafte Vergnügen zuteilwurde, nicht nur Beobachter sein zu dürfen, sondern eine Rolle als Empfänger einer Sendung spielen zu müssen.

Alles begann mit meinem Geburtstag und der liebenswürdigen Entscheidung der Firma, in der ich angestellt bin, mir aus diesem Anlaß ein Präsent zu überreichen. Und weil sich dank der zurückliegenden, von einer sogenannten Pandemie namens Corona beherrschten zwei, drei Jahre das Modell Homeoffice weitgehend durchgesetzt hat und der überwiegende Teil der Belegschaft es mittlerweile vorzieht, nicht mehr in die Firma zu kommen, sondern von zu Hause aus zu arbeiten, wird nun darauf verzichtet, das Präsent direkt und persönlich im Büro zu überreichen, sondern den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, sich in einer Art Online-Shop eines der angebotenen Geschenke auszusuchen und direkt nach Hause schicken zu lassen. So mußte auch ich, der ich es nach wie vor präferiere, meine Arbeit im Büro zu verrichten, diesen Weg wählen. Ich ging also den Geschenkekatalog durch, suchte mir etwas aus und veranlaßte die Zusendung zu mir nach Hause.

Kurz darauf erhielt ich von den lieben Menschen von DHL per Email die Benachrichtigung, daß sie den Auftrag zum Transport des von mir begehrten Geschenkes erteilt bekommen und ihn freundlicherweise auch übernommen hätten. Sie würden mir das kleine Paket dann am Sonnabend, dem 20. Mai, durch einen der Ihren zustellen.

Wer sich übrigens schon einmal gefragt hat, wofür DHL – abgesehen von der Verballhornung „Dauert halt länger.“ – eigentlich steht: der Name dieses Unternehmens setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen von dessen Gründern Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn zusammen. Bereits 1969 in San Francisco ins Leben gerufen, wurde der inzwischen zum Konzern avancierte Paket- und Brief-Expreß-Dienst 2001 von der Deutschen Post AG übernommen. Seitdem gilt er als deutsches Unternehmen.

Nun ist es zwar nicht so, daß mir diese Informationen in meiner Rolle als Empfänger, die ich in besagtem Stück zu spielen hatte, in irgendeiner Weise weitergeholfen hätten, aber ich fand sie doch interessant, da ich mich schon manches Mal gefragt hatte, was sich die Deutsche Post wohl dabei gedacht haben mußte, ihrem Paketdienst den Namen DHL zu geben. Nun weiß ich es: nichts. Sie hat ihn schließlich nur aufgekauft.

Da hatte ich nun also einen Termin für den Empfang meines erwarteten Pakets. Und weil dieser auf einem Sonnabend lag, sah ich auch keinen Grund, von dem Angebot, ihn bei Bedarf auch verschieben zu können, Gebrauch zu machen. Schließlich muß ich sonnabends nicht arbeiten. Gute Voraussetzungen also, um einer reibungslosen Zustellung frohgemut entgegenzusehen.

Der Sonnabend kam und ließ sich ganz gemächlich an. Der Vormittag schritt voran, es wurde Mittag und schließlich näherte sich auf leisen Sohlen der Nachmittag. Das von mir ersehnte Klingeln an der Eingangstür meiner Wohnung jedoch blieb aus. Doch noch sah ich keinen Grund für Ungeduld. Da ich jedoch auch einige Besorgungen zu machen hatte, für die ich gezwungen war, die Wohnung zu verlassen, wollte ich nun doch gerne wissen, wann denn ungefähr mit der Lieferung des Paketes zu rechnen sein würde. Und da DHL für diesen Empfängerwunsch auch ein Mittel zu seiner Erfüllung im Angebot hat, beschloß ich, dieses zu nutzen.

Ich suchte mir also noch einmal die Ankündigungsmail, die ich erhalten hatte, heraus und klickte auf den darin enthaltenen Link zur Sendungsverfolgung. Dieser führte mich direkt auf die Website von DHL, die mir den Stand der Dinge präsentierte. Der Paketbote, so erfuhr ich, sei nur noch fünf Stops von meinem Haus entfernt und würde, so wurde prognostiziert, zwischen 13:55 Uhr und 15:25 Uhr (oder so) in der Lage sein, mir mein Geschenk zu überreichen. Angesichts dieser merkwürdig „krummen“ Zeitangaben wunderte ich mich zwar ein wenig, warum es DHL zwar gelang, genau abschätzen zu können, daß die Zustellung keineswegs vor 13:55 Uhr – also beispielsweise nicht 13:54 Uhr oder 13:49 Uhr – und auch nicht nach 15:25 Uhr erfolgen würde, andererseits aber nicht in der Lage war, den Zeitraum enger einzugrenzen, aber ich wollte nicht kleinlich sein. Dafür zeigte man mir auf einer beigefügten Karte, wo sich das Lieferfahrzeug gerade befand. Es war noch gute fünfhundert Meter von meinem Haus entfernt. So harrte ich weiterhin geduldig der Dinge, die da kommen würden.

Sie kamen nicht. Es muß etwa gegen 15 Uhr gewesen sein, als ich noch einmal einen Blick in die Sendungsverfolgung warf, da das Ende des genannten Zeitfensters näherrückte. Ich war nicht sonderlich überrascht festzustellen, daß man dieses inzwischen verschoben hatte. Es war nun nicht mehr die Rede von einer Lieferung ab 13:55 Uhr – nun gut, dieser Zug war sowieso schon längst abgefahren -, jetzt versprach mir die Website eine Lieferung ab 15:35 Uhr. Die Endzeit habe ich vergessen. Und fröhlich verkündete mir das System, daß der Fahrer nun nur noch drei Stops von mir entfernt sei. Na, das war doch immerhin etwas! Es ging voran! Und das sogar so sehr, daß die Karte mir nun anzeigte, das Lieferauto stünde schon vor meinem (Hoch-)Haus. Zwar war mir nicht ganz klar, wie das mit den drei Stops zusammenpassen sollte, aber das ignorierte ich großzügig.

Dennoch war ich nun vorgewarnt und beschloß, die Sendungsverfolgung nun in etwas kürzeren Zeitabständen zu konsultieren. Denn konnte es einmal zu einer Verschiebung kommen, so war das sicher auch ein weiteres Mal möglich. Oder nicht?

Doch! Etwa um 15:30 Uhr hatte sich das Zeitfenster erneut geändert. Mir die genauen Zeiten zu merken, hatte ich inzwischen aufgegeben. Ich weiß nur noch, daß ich nun bereits vor Beginn des ursprünglichen Fensters wußte, daß es bereits obsolet war. Das galt allerdings weder für die Position des Lieferautos auf der Karte noch für die angegebenen Anzahl der Stops. Die waren nach wie vor unverändert. Es ging nun also auch nicht mehr vorwärts.

Und das sollte sich an diesem Tage auch nicht mehr ändern. Als ich einige Zeit später noch einmal einen Blick in die Sendungsverfolgung warf, stand dort nur noch ein lapidarer Satz, der in etwa lautete: „Eine Zustellung ist heute nicht mehr möglich!“

Da hatte ich nun also nahezu einen ganzen Tag zu Hause gewartet, sogar darauf verzichtet, auch nur auf den Balkon zu gehen, aus Sorge, ich könnte die Klingel überhören, und dann war das alles völlig vergebens. Ich war verärgert. Daran konnte auch das Versprechen nichts ändern, daß das Paket nun am darauffolgenden Montag geliefert werde, diesmal aber ganz bestimmt. Am Montagvormittag würde ich nämlich einige nicht verschiebbare Termine wahrnehmen müssen, so daß eine Zustellung in dieser Zeit ins Leere laufen würde. Natürlich wurde mir nun kein Zeitfenster prognostiziert, so daß ich nicht wußte, wann mit der Lieferung zu rechnen sein würde. Und ohne Termin bestand folgerichtig auch nicht mehr die Möglichkeit, einen solchen zu verschieben. Ich würde mich wohl oder übel überraschen lassen müssen.

Es kam der Montag und mit ihm die Dinge, wie sie kommen mußten. Als ich von meinen Terminen wieder nach Hause zurückkam, war der Paketbote natürlich schon dagewesen. Die Hoffnung, er würde, wie er es am Sonnabend vorgehabt hatte, erst nachmittags kommen, erwies sich als vergebens. Und ganz offensichtlich hatte er außerordentliches Pech gehabt und auf meiner Etage keinen einzigen meiner einundzwanzig Nachbarn angetroffen, der ihm das Paket hätte für mich abnehmen können. Sachen gibt’s. So fand ich denn lediglich eine Benachrichtigungskarte vor, der ich entnehmen konnte, wo ich mein Paket denn nun finden könnte und wann.

Das Wann entsprach meinen Erwartungen: an diesem Montag, dem 22. Mai, nicht mehr. Stattdessen wäre eine Abholung ab dem darauffolgenden Dienstag um 12 Uhr möglich. Das Wo jedoch brachte meinen Ärger unmittelbar zurück. Der Paketbote hatte offenbar aus irgendeinem Grund keine Lust gehabt, die Sendung in das für mein Viertel zuständige und von meiner Wohnung nur rund fünfhundert Meter entfernte Postamt zu bringen. Stattdessen würde ich es in irgendeinem Lebensmittelladen mit angeschlossener Postfiliale abholen können, der fast eineinhalb Kilometer von meinem Zuhause entfernt war. Das ist zwar auch nicht unüberwindbar weit entfernt, doch für das Berliner Zentrum eine völlig unnötige Entfernung, zumal, wenn es in unmittelbarer Nähe ein Postamt gibt.

Darüberhinaus war es dem Paketboten aus irgendeinem Grund auch nicht möglich gewesen, die Benachrichtigung in meinen Briefkasten zu werfen. Sie klemmte stattdessen einfach an meiner Wohnungstür, wo sie jeder zufällig Vorüberkommende auch einfach hätte mitnehmen können. Man mag nun vielleicht einwenden, daß ein Fremder damit nicht viel hätte anfangen können, da er ja bei der Abholung neben dieser Karte auch noch einen Ausweis oder eine Vollmacht hätte vorweisen müssen. Das ist sicher richtig, setzt aber voraus, daß die entsprechenden Überprüfungen auch stets vorgenommen werden. Es sei jedem selbst überlassen, inwieweit er sich darauf verlassen möchte. Ich tue es nicht.

So kam denn also Tag Drei, sprich: der Dienstag. Nach dem Ende meines Arbeitstages machte ich mich auf den Weg zu besagtem Lebensmittelladen. Von meiner Firma wäre das ein Fußweg von etwa einer Dreiviertelstunde gewesen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte es mangels einer direkten Verbindung auch nicht viel weniger Zeit gekostet. So wählte ich den Mittelweg, lief die reichliche Hälfte der Strecke und fuhr den Rest ohne Umsteigen. Kurz vor Ladenschluß, der mir auf der Benachrichtigungskarte mit 18:30 Uhr avisiert worden war, traf ich an meinem Ziel ein. Ich zeigte dem Verkäufer meine Karte, er scannte sie und fragte nach meinem Ausweis. Noch während ich dabei war, diesen aus meiner Brieftasche herauszuholen, hörte ich den Verkäufer bereits wieder sprechen:

„Det Paket is noch nich da.“

Einen Moment war ich sprachlos. Bis hierher war mir die Sache ja noch fast normal erschienen. Nicht angenehm, auch nicht wirklich akzeptabel, aber für DHL-Verhältnisse normal. Es war nicht das erste Mal gewesen, daß sich die Zustellung eines Paketes an mich als schwierig gestaltete. Und im Familien- und Bekanntenkreis hatte ich auch schon diverse Male Geschichten über ähnliche Vorfälle vernommen. Daß ich jedoch ein Paket am angekündigten Abholungsort zur angekündigten Abholungszeit nicht erhalten konnte, das war mir noch nicht untergekommen.

„Wie, noch nicht da?“ fragte ich zurück.
„Na, der Fahrer war noch nich hier“, antwortete der Verkäufer.
„Aber hier auf meiner Karte steht, daß ich das Paket heute bereits ab 12 Uhr mittags abholen kann.“
„Mag ja sein, aber der Fahrer war nu mal noch nich hier.“

Und damit war für ihn der Fall erledigt.

Jetzt war ich sauer. Was glaubten diese Leute eigentlich, was ich den ganzen Tag machte? Erst lieferten sie das Paket nicht am angekündigten Tag, dann gaben sie mir keine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß ich es am nächsten Liefertag auch erhalten könne, anschließend übergaben sie es auch keinem Nachbarn, sondern schafften es nach sonstwo anstelle in das nächstgelegene Postamt – und nun war es über einen Tag später noch immer nicht hier?

Noch vor dem Laden stehend, holte ich mein Mobiltelefon hervor und rief die Seite des Kundenservices auf, um eine Rückfrage über den Verbleib meines Paketes zu stellen. Ich entschied mich für eine schriftliche Anfrage, kämpfte mich durch das Formular, tippte meine Nachricht, in der ich den bisherigen Verlauf schilderte, und verknüpfte sie mit der Frage, wo denn mein Paket nun zu finden sei und wie ich es schnellstmöglich erhalten könne. Dann schickte ich die Nachricht ab – und erhielt umgehend den Hinweis, daß wegen des aktuell sehr hohen Anfrageaufkommens die Antwortzeiten sehr lang sein könnten. Na großartig! Und es ist natürlich völlig klar, daß man diesen Hinweis nicht im Formular selbst unterbringen kann. Dem Kunden könnte ja eine Gelegenheit entgehen, sich im Ausfüllen desselben zu üben…

Dann eben doch direkt, dachte ich mir. Zu Hause angekommen, rief ich die Nummer des Kundenservices an. Eine freundliche Computerstimme meldete sich und führte mich durch ein umständliches Menü von Auswahlmöglichkeiten, bis ich schließlich meine Sendungsnummer eingeben durfte. Obwohl eingeben das falsche Wort ist – ich mußte sie vorlesen. Während ich noch zweifelte, ob das mit dem korrekten Verständnis seitens des Computers wohl funktionieren würde, verkündete mir dieser, daß ich jetzt aber ganz bestimmt gleich an der Reihe wäre und startete die Telefon-Hotline-Musik. Und weil man bei DHL offenbar verhindern will, daß den Anrufern innerhalb kürzester Zeit von dem Gedudel die Ohren bluten, wurde es immer wieder unterbrochen, um die neuesten und tollsten Angebote für von DHL erbrachte Leistungen anzupreisen, wobei man allerdings nicht bedacht hat, daß Leute eine solche Hotline nur dann anrufen, wenn sie mit eben diesen Leistungen eher nicht so zufrieden waren, und sich somit durch die ständige Werbung während der Wartezeit ein wenig veralbert fühlen könnten. Ich hatte jedenfalls dieses Empfinden.

Zwischendurch wiederholte der Computer immer wieder sein Versprechen, daß ich jetzt aber auch wirklich nicht mehr lange würde warten müssen und gleich an der Reihe sei. Gerade überlegte ich, ob es eine gute Idee sein könnte, ins Telefon zu beißen, da tutete es ohrenbetäubend laut aus dem Hörer und ein Mitarbeiter meldete sich. Er arbeitete sich durch die Begrüßungsfloskeln und die Nennung seines Namens, leierte dies alles aber so schnell herunter, daß er mir keine Chance ließ, auch nur ein Wort richtig zu verstehen. Ich konnte dem, was ich für seinen Namen hielt, gerade noch entnehmen, daß er wohl ursprünglich nicht aus diesem Lande kam, was mir seine stark mit Akzent versehene Aussprache auch bestätigte. Nun, das war mir egal, solange er mir nur weiterhelfen konnte.

Konnte er nicht. Nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen hatte und wissen wollte, wo mein Paket denn nun sei und wie ich es erhalten könnte, sah er sich außerstande, das genau festzustellen. Er verwies mich lediglich darauf, daß es in die angekündigte Filiale gebracht würde. Mein Hinweis, daß es dort bereits seit spätestens heute Mittag liegen solle, es aber nicht täte, wurde von ihm lediglich mit der Frage beantwortet, ob er dann vielleicht eine Reklamation aufnehmen solle. Ich dachte mir, daß das wohl nicht schaden könne, und erteilte ihm den entsprechenden Auftrag. In der Annahme, daß dies irgendetwas ändern würde, fragte ich erneut, wie ich denn nun an mein Paket kommen könne, und wies darauf hin, daß es mir in Kürze für einige Tage nicht möglich sein würde, dieses abzuholen. Daraufhin versicherte er mir, daß das Paket, wenn es denn in der Filiale ankomme, sieben Werktage dort bleibe, so daß ich es also noch bis zum Ende der folgenden Woche bequem abholen könne. Meinen Einwand, daß das zwar schön wäre, aber nichts nütze, solange es nicht in der Filiale sei und wie es denn nun dorthin gelange beziehungsweise ob es nicht möglich sei, den ganzen Vorgang irgendwie zu beschleunigen, konterte er lediglich mit dem Hinweis, er habe ja nun eine Reklamation angelegt. Außerdem würde ich in der Sendungsverfolgung ja sehen können, wann das Paket in der Filiale wäre. Dann bedankte er sich für meinen Anruf, wünschte mir einen schönen Tag und legte auf.

So weit, so nutzlos. Damit es nicht völlig umsonst war, testete ich wenigstens seinen Hinweis bezüglich der Sendungsverfolgung. Der letzte Eintrag dort stammte vom Montag um kurz nach 18 Uhr und teilte mit, daß das Paket auf dem Weg zur Filiale sei, wo ich des dann abholen könne. Damit endete der Dienstag.

Am Mittwoch – mittlerweile zeigte der Kalender den 24. Mai – schaute ich morgens als erstes in die Sendungsverfolgung. Es hatte sich nichts geändert. Ich würde also an diesem Tag das Paket wohl auch nicht bekommen können. Mich darauf schon einmal einstellend, ging ich zur Arbeit.

Im Laufe des Vormittags erhielt ich eine neue Mail von DHL. In dieser wurde mir mitgeteilt, daß man mich freundlich an etwas erinnern wolle: mein Paket läge doch nun schon seit zwei Tagen in der Filiale zur Abholung bereit, und ich solle doch einmal vorbeikommen.

Eine Weile starrte ich regungslos vor mich hin, unfähig, diese neue Wendung zu verarbeiten. So mußte sich ein Computer fühlen, der durch eine fehlerhafte Eingabe einen Überlauf erfuhr und mit den neuen Daten nicht zurande kam. Als ich mich wieder gefangen hatte, schaute ich in die Sendungsverfolgung. Noch immer war laut dieser das Paket seit Montag gegen 18 Uhr zur Filiale unterwegs. Wußte bei DHL eigentlich die eine Hand, was die andere machte? Offensichtlich nicht. Noch nicht einmal deren Computer schienen dort einen Überblick zu haben.

Um sicherzugehen, machte ich nach Arbeitsschluß noch einmal einen Ausflug zu besagtem Lebensmittelladen. War es tags zuvor noch relativ schnell gegangen, kam ich diesmal in den Genuß, in einer langen Schlange noch ein wenig über mein Anliegen nachdenken zu können. Als ich schließlich an der Reihe war, sah ich mich demselben Verkäufer gegenüber wie am Tag zuvor. Wieder scannte er meine Benachrichtigungskarte, wieder fragte er nach meinem Ausweis – und wieder erklärte er, noch bevor ich diesen in der Hand hatte:

„Det Paket is noch nich da.“

Ich holte langsam und tief Luft – und antwortete schließlich:

„Das haben Sie gestern auch schon gesagt.“

Offenbar erkannte er mich jetzt wieder, denn er wurde umgehend zugänglicher. Es täte ihm leid, es gäbe da irgendein Problem, ich sei auch nicht der einzige Kunde aus dem Einzugsgebiet, wo meine Straße läge, er hätte schon bei DHL nachgehakt und sie aufgefordert, die Pakete endlich in die Filiale zu bringen, aber er wisse auch nicht, wo der Fahrer sei und wo er die Pakete habe. Er könne da leider auch nichts machen.

Irgendwie nahm ich ihm das sogar ab. Ich fragte ihn, ob er wisse, wo man da als Kunde beziehungsweise Empfänger anrufen könnte, um zu veranlassen, daß dem Problem auf den Grund gegangen würde. Er gab mir eine Werbekarte von DHL, in der er mir eine Telefonnummer markierte, die ich anrufen könnte. Aber, so erklärte er mir, das habe sowieso keinen Sinn.

„Da häng Se ewig in der Warteschleife, und wenn Se dann jemand erreichn, kann der Ih’n och nich weiterhelfen. Det könn‘ Se sich sparn!“

Als ich wieder auf der Straße stand und einen Blick auf die Vorderseite der Werbekarte in meiner Hand warf, las ich:

„Wir sind für sie da! Deutsche Post – DHL.“

Mittlerweile bin ich überzeugt, die Abkürzung am Ende bedeutet doch nur eines: Dauert halt länger…

Und manchmal geht es auch gar nicht. Bleibt zu hoffen, daß das nicht immer häufiger der Fall ist. Denn Deutschland ist, wie es scheint, doch nicht auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft. Wohl aber auf dem in die Servicewüste. Wenn wir da nicht schon längst sind.

Das Banner auf dieser Seite zeigt einen Ausschnitt aus dem Bild Ein Lieferwagen der DHL in der Großen Straße.
Quelle: Wikimedia Commons
Fotograf: Wikimedia-Commons-User Ramsch
Aufgenommen am: 7 Februar 2023, 10:59 Uhr
Bearbeitet: Alexander Glintschert (2023)
Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

Referenzen

Referenzen
1 Kurt Kieselbach: Deutschland auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft, Artikel vom 28. November 1997. Website welt.de, abgerufen am 25. Mai 2023.

Vorgezogener Osterspaziergang

Ostern 2017. Wollte man das diesjährige Osterfest mit einem Wort zusammenfassen, gäbe es dafür nur ein Wort: April. Denn das Wetter war an diesen vier Ostertagen ganz genauso, wie es besagtem Monat stets zugeschrieben wird: wechselhaft  und unentschieden. Praktisch war für jeden was dabei – Sonnenschein, Regen, Wind, Sturm, Hagel. Dazu war es mit Temperaturen unter 10 Grad Celsius doch entschieden zu kühl.

Auf der Luiseninsel im Berliner Tiergarten
Auf der Luiseninsel im Berliner Tiergarten
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

So richtige Frühlingslaune wollte da nicht aufkommen.  Glücklicherweise war mir diese ein Wochenende zuvor vergönnt. Bei Temperaturen nahe 20 Grad  und einem strahlend blauen Himmel, den nicht ein einziges auch noch so kleines Wölkchen trübte, lud der Sonntag geradewegs dazu ein, den Osterspaziergang vorzuziehen und den Frühling zu begrüßen. Und als hätte ich gewußt, was das eine Woche darauf folgende Osterfest für Wetterkapriolen in petto haben würde, bin ich dieser Einladung gefolgt und habe mich auf den Weg in den Berliner Tiergarten gemacht.

Hier  ein paar Eindrücke…

An einem Sonntag im Oktober…

Herbst am Engelbecken
Herbst am Engelbecken
Fotograf: Alexander Glintschert

Es war ein grauer Morgen, der da heute früh durch mein Fenster zu mir hereinschaute. Ein Tag zum Im-Bett-Bleiben, wie es schien. Und für eine Weile erschien mir das durchaus als lohnenswerte Möglichkeit. Bis mich mein Magen mit grimmigem Knurren daran erinnerte, daß ich zum Brunch verabredet war. Die Aussicht auf ein kräftiges Frühstück, für das ich nichts weiter tun mußte, als mir das Essen von einem reichhaltigen Büffet zu holen, trieb mich schließlich doch aus dem Bett…
Und so wurde uns heute ein richtig schöner Tag beschieden. War der Brunch im Restaurant Cana schon phänomenal gut, so daß wir uns richtig Zeit ließen, ihn zu genießen, so verzogen sich schließlich auch die grauen Wolken mit ihrem nieseligen Regen und ließen der Sonne ihren wohlverdienten Vortritt. Die perfekte Gelegenheit, dem üppigen Brunch noch einen ausgedehnten Herbstspaziergang folgen zu lassen.
Gibt es etwas Schöneres als einen milden, sonnigen Herbsttag, wenn das Laub der Bäume in bunten Farben schillert und in weiten Spiralen sanft zur Erde schwebt? Ich erinnerte mich an meine Kinderzeit, als ich voller Begeisterung durch das Herbstlaub auf den Wegen stiefelte und es vor mir aufwirbelte. Und es war mir überhaupt nicht peinlich, das jetzt wieder zu tun. Und während wir so von der Fischerinsel durch das Heinrich-Heine-Viertel bis zum Engelbecken und von dort über den Alfred-Döblin-Platz, wieder durch das Heine-Viertel bis zum Spittelmarkt wanderten, von dem wir unseren Weg über den Hausvogteiplatz, den Gendarmenmarkt und den Bebelplatz bis zum Lustgarten fortsetzten, stellte ich wieder einmal fest, was ich doch immer schon wußte: Mein Berlin ist eine schöne Stadt – zu jeder Jahreszeit hat sie ihre ganz besonderen Reize.