Vorfreude à la Deutsche Bahn

Dieser Beitrag ist Teil 5 von 6 der Beitragsserie "Aus den Notizen eines Bahnfahrers"

Wer nicht nur gelegentlich mit der Deutschen Bahn durch die Lande fährt, ist Kummer gewöhnt. Doch immer wenn man denkt, nun habe man wirklich alles erlebt, schlimmer könne es nun wirklich nicht mehr werden, sorgt die Bahn umgehend dafür, daß man seinen Irrtum erkennt. Denn schlimmer geht immer!

Wieder einmal ist es Mai. Wieder einmal ist es Zeit für die jährliche FedCon – das große Treffen der Fans und Stars der Science-Fiction-Szene in Deutschland, an dem ich nun schon das zweiundzwanzigste Mal teilnehme. Und wie jedes Mal fahre ich mit der Bahn zum Ort der Veranstaltung, der, wie in den letzten Jahren auch, das Maritim-Hotel in Bonn ist. Jedes Jahr bin ich auf’s neue gespannt, was die Freunde des Schienenstrangs diesmal für mich bereithalten. Denn eines ist sicher: Langweilig wird es garantiert nie. Doch was sie sich dieses Mal ausgedacht hatten, hatte ich wirklich noch nie erlebt. Denn dieses Mal begann das Chaos bereits weit vor der Fahrt…

Doch der Reihe nach.

In diesem Jahr hatte ich mich entschlossen, mit dem Kauf meines Tickets für die Convention auch gleich Hotel und Fahrkarte zu buchen. Das gestaltete sich via Internet recht unkompliziert und ermöglichte mir den Erwerb eines Spartickets, dessen Preisnachlaß so groß war, daß das Budget sogar eine Fahrt in der ersten Klasse hergab. Dafür mußte ich lediglich eine Einschränkung meiner Flexibilität in Form einer Zugbindung in Kauf nehmen, doch das war alles in allem akzeptabel. Und wenn es, wie sie behauptet, der Bahn half, besser zu planen, sollte es mir recht sein, auch wenn ich das Modell der Preisgestaltung, das die Bahn ihren Ticketverkäufen zugrundelegt, ja nie so recht verstanden habe. Insbesondere leuchtete mir nie richtig ein, inwiefern es bei der Planung hilft, wenn ich einen Zug früher buche, dessen Fahrt im Fahrplan doch bereits festgelegt ist, fährt er doch damit so oder so. Was sich allerdings in der Folge ereignete, zeigte mir, daß ich diese meine Grundannahme vielleicht doch noch einmal überdenken sollte.

So hatte ich also bereits am 22. Januar sämtliche Buchungen abgeschlossen – Veranstaltung, Hotel und Bahn – und blickte dem Termin der Convention entspannt und mit Vorfreude entgegen. Zumindest mit der Entspannung war es jedoch am Morgen des 2. April erst einmal vorbei. Um 9:02 Uhr nämlich schickte mir die Bahn eine Email mit dem Titel:

Fahrplanänderung auf Ihrer Reise nach Bonn Hbf am […]: Fahrt nicht wie geplant möglich

Als Grund wurde recht lapidar „eine Fahrplanänderung“ angegeben. Dachte ich zunächst an einen Fahrplanwechsel vom Winter- zum Sommerfahrplan, so wurde ich durch eine kurze Suche eines Besseren belehrt: der aktuelle Fahrplan der Bahn war noch bis zum 8. Juni 2024 gültig. War er etwa doch nicht so in Stein gemeißelt, wie ich bisher immer angenommen hatte? Wurden Züge, für die bis zu einem Stichtag ungenügend viele Buchungen eingegangen waren, etwa einfach aus dem Programm genommen? Oder gab es vielleicht einen anderen Grund? Ich konnte nur rätseln, denn weitere Auskünfte über die Hintergründe besagter Fahrplanänderung waren nirgendwo zu finden – weder in der Email noch auf der Website, auf der ich dem in ihr enthaltenen Link zufolge aktuelle Informationen abrufen können sollte.

Nun, es war kurz nach neun Uhr morgens, ich hatte zu arbeiten und zunächst keine Zeit, mich um das Problem zu kümmern. So hatte ich noch nichts unternommen, als mir die Bahn am Abend desselben Tages, genauer um 22:28 Uhr eine weitere Mail schickte, um mir folgendes mitzuteilen:

Fahrplanänderung auf Ihrer Reise nach Berlin Hbf am […]: Fahrt nicht wie geplant möglich

Das nenne ich mal konsequent! Nicht nur meine Hinfahrt, nein, auch meine Rückfahrt sollte es nun also nicht mehr geben. Der Grund für die zweite Absage, war derselbe wie für die erste: Fahrplanänderung. Welchen Grund allerdings diese hatte, mußte mich nach Meinung der Bahn offenbar nicht interessieren.

Immerhin teilte man mir erfreulicherweise mit, daß ich kein neues Ticket erwerben mußte. Man habe die Zugbindung, der ich bisher unterlegen hatte, aufgehoben. Ich könne also nun auch andere Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn sowie Nahverkehrszüge und S-Bahnen nutzen. Lediglich eine neue Sitzplatzreservierung müsse ich vornehmen, da die alte natürlich nicht mehr aufrechtzuerhalten sei. Und auch zu der Frage, wie mit dieser zu verfahren sei, hielt man einige Hinweise bereit:

Sie können sich – soweit verfügbar – einen Sitzplatz für Ihre neue Verbindung buchen. Die Kosten für die nicht in Anspruch genommene, ursprüngliche Reservierung können Sie zur Erstattung einreichen. Dazu können Sie den digitalen Fahrgastrechte-Antrag Digitale Fahrgastrechte nutzen.

Auf die Idee, die Kosten für eine per Internet gebuchte und per Paypal oder Kreditkarte bezahlte, aber nun hinfällige Reservierung von allein und automatisch zu erstatten, kommt man bei der Bahn ganz offensichtlich nicht. Böswillige würden jetzt wohl unterstellen, man spekuliere dort darauf, daß die Leute das vergessen. Ich würde das natürlich nie denken!

Ich brauchte nun einige Tage, bis ich die Zeit fand, mich um die Buchung einer neuen Reservierung und die Erstattung der alten zu kümmern. Daß sich das nämlich nicht ganz so einfach gestalten würde, hatte ich recht schnell herausgefunden. Zwar versprach die Mail, daß mir der Klick auf den Link zu den aktuellen Informationen dabei helfen würde, eine alternative Zugverbindung zu finden, und tatsächlich war eine entsprechende Suchmöglichkeit auf der Website, zu der ich dann geleitet wurde, auch vorhanden, doch diese lieferte bei jedem meiner Versuche immer wieder nur ein und dasselbe Ergebnis: eine alternative Verbindung konnte nicht gefunden werden. Ich würde wohl oder übel das reguläre Buchungssystem mit seinem langwierigen Buchungsprozeß nutzen müssen.

So machte ich mich also am Abend des 17. April daran, neue Sitzplatzreservierungen vorzunehmen. Da sich die Bahn nach wie vor nicht in der Lage sah, mir die angekündigten alternativen Verbindungen zu meinen abgesagten Zügen herauszusuchen, mußte ich das wohl selbst tun. Also rief ich das Buchungssystem auf und nahm meine Einstellungen vor: Ausgangsbahnhof Berlin, Zielbahnhof Bonn, Datum, gewünschte Ankunftszeit, 1. Klasse, mit Rückfahrt, noch einmal Datum und gewünschte Ankunftszeit und zu guter Letzt noch auswählen, daß bitte nur Sitzplätze reserviert werden sollen. Klick auf „Suchen“. Los ging’s. Als nächstes mußte ich meinen Zug auswählen und erfuhr endlich, worin eigentlich die ominöse Fahrplanänderung bestand: zu dem von mir gewünschten Fahrtzeitpunkt gab es nun keine durchgehende Verbindung von Berlin nach Bonn mehr. Ich würde also in Köln umsteigen müssen.

Nun gut, ich wählte eine Verbindung und anschließend einen Sitzplatz aus. Seit ich von der automatischen Platzauswahl einmal einen Fensterplatz zugewiesen bekommen hatte, der gar keiner war, weil sich lediglich die Lehne des Sitzes am Fenster befand, mache ich das immer selbst. Ein Klick auf „Weiter“ und – nanu? Müßte jetzt nicht eigentlich die Auswahl der Rückreiseverbindung folgen? Stattdessen trat ich bereits in den Zahlungsprozeß ein. Da stimmte doch was nicht!

Also wieder zurück auf Anfang. Ich stellte alles nochmal ein, Hinreise, Rückreise, 1. Klasse und zu guter Letzt noch „Nur Sitzplatzreservierung“ auswählen. Und diesmal fiel es mir auf! Kaum aktivierte ich die Option, daß ich nur Sitzplätze reservieren möchte, wurden die für die Rückreise ausgewählten Daten kommentarlos gelöscht. Die Bahn ermöglichte es mir also, ein Ticket für Hin- und Rückreise zusammen zu buchen und dafür auch Plätze zu reservieren, wollte ich aber ausschließlich Platzkarten kaufen, dann ging das nur einzeln. Inklusive Kaufprozeß. Service vom Feinsten!

Nun gut. Es war ja nicht anders möglich. Ich klickte mich also zweimal durch den gesamten Buchungsvorgang, der nicht gerade kurz war, veranlaßte damit zwei getrennte Abbuchungen von meinem Konto und hatte am Ende glücklich zwei neue Platzkartenreservierungen erstanden. Uff! Es ist schon fast müßig zu erwähnen, daß natürlich auch für die Rückfahrt keine durchgehende Verbindung zum von mir gewünschten Zeitpunkt mehr existierte.

Nun noch die Rückerstattung. In den beiden Emails hatte man mir versprochen, daß ich das digital erledigen könne. Ich war gespannt und klickte erwartungsvoll den Link an, der mit „digitale Fahrgastrechte“ benannt war. Ich landete auf einer Seite, die mir detailliert die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten beschrieb, meine digitalen Fahrgastrechte – wie können Rechte eigentlich digital sein? – geltend zu machen. Neben dem Einsenden eines entsprechend ausgefüllten Formulars per Post standen mir zwei Wege offen, das online zu erledigen: auf der Website über mein Kundenkonto oder in der Handy-App der deutschen Bahn. Da ich nun schon mal am Computer saß und die Website vor mir hatte, wählte ich diese Option.

Als erstes sollte ich mich erstmal einloggen. Man wollte ja schließlich wissen, mit wem man es zu tun hatte. Nachdem ich mich der Bahn zu erkennen gegeben hatte, versuchte ich, der zuvor erhaltenen Anweisung zu folgen:

Wählen Sie in Ihrer Buchungsübersicht die entsprechende Reise oder Streckenzeitkarte aus, für die Sie Entschädigung beantragen wollen. Klicken Sie innerhalb des Reiters „Fahrgastrechte“ den Button „Entschädigung beantragen“ an.

Ich war absolut bereit, das zu tun, nur konnte ich nach der Auswahl der entsprechenden Reise den angesprochenen Reiter „Fahrgastrechte“ leider nirgendwo entdecken. Eigentlich gab es auf der Seite überhaupt keine Reiter. Das wäre ja auch zu einfach gewesen.

Ich fing nochmal von vorne an. Das Ergebnis blieb dasselbe. Wenn der Button da irgendwo war, schien er nicht so einfach zu finden zu sein[1]Hier muß ich fairerweise anmerken, daß ich heute, als ich den Artikel schreibe, die Seite noch einmal aufgerufen habe. Zwar sind dort immer noch keine Reiter zu finden, doch ganz unten, fast am … [Weiterlesen]. Aber es gab ja noch eine andere Option.

Ich griff zu meinem Handy, rief die als „DB Navigator“ bezeichnete App der Deutschen Bahn auf und wählte meine Reise aus. Unter „Weitere Aktionen“ wurde ich sofort fündig: Entschädigung beantragen. Klick! Und schon war ich wieder raus aus der App. Mein Webbrowser startete. Da hatte jemand Entwicklungskosten gespart. Wozu die Funktion in der App noch einmal realisieren, wenn man sie schon auf der Website hat? Aber wenn es funktionierte, sollte es mir egal sein.

Tat es natürlich nicht. Stattdessen wurde mir eine Seite angezeigt, auf der lediglich stand, daß ich die Erstattung erst beantragen könne, wenn der Zeitraum meiner Reise in der Vergangenheit läge. Bitte was? Es war bereits jetzt klar, daß ich die Reservierung nicht würde wahrnehmen können, weil es die Fahrt, für die der Platz reserviert wurde, nicht mehr geben würde. Ich mußte jetzt aber trotzdem warten, bis der Termin der abgesagten Fahrt verstrichen war, bevor ich die Erstattung beantragen konnte? Warum genau? Weil der Fahrplan bis dahin vielleicht nochmal geändert werden und es die Fahrt dann plötzlich doch wieder geben könnte, oder was? Kann ich die böswillige Unterstellung von vorhin bitte nochmal sehen?

Da ich der Bahn das Geld für die obsoleten Reservierungen keinesfalls zu schenken gedachte, ich die Rückerstattung aber derzeit auch nicht beantragen konnte, blieb mir nichts anderes übrig als in meinem Kalender eine entsprechende Erinnerung zu hinterlegen.

Wenn ich nun allerdings dachte, daß die Bahn sich mit diesem Chaos zufriedengeben würde, so hatte ich mich geirrt. Obwohl ich jetzt neue Reservierungen vorgenommen hatte, schickte sie mir von nun an in unregelmäßigen Abständen immer wieder einmal eine Information, daß meine Zugverbindung nicht wie geplant fahrbar sei und ich mich doch bitte um alternative Reisemöglichkeiten bemühen solle. Diese Informationen trudelten mal per Email und mal über die Handy-App ein, manchmal auch in beiden Medien gleichzeitig, und jedesmal mußte ich genauestens prüfen, was genau nicht mehr funktionieren würde. Es war ja schließlich möglich, daß auch meine neu gebuchten Verbindungen plötzlich nicht mehr fahrbar waren. Bei der Bahn weiß man ja nie…

Wie recht ich mit dieser Befürchtung hatte, erwies sich einige Tage später. Der Monat April sollte wohl nicht vorübergehen, ohne daß die Bahn noch etwas mehr Chaos produzierte. Am 30. April trudelte nach 22 Uhr wieder eine Email ein, die ich fast schon geneigt war zu ignorieren, dann aber glücklicherweise doch noch einmal genauer in Augenschein nahm. Diesmal teilte man mir mit, daß es weitere Fahrplanänderungen gäbe, die eine meiner neuen Reiseverbindungen beträfen. Der Link zu den aktuellen Informationen half genauso wenig weiter wie beim letzten Mal und einen Grund für die Änderung suchte ich erneut vergeblich. Diesmal hatte man mir aber immerhin bereits in der Email einen alternativen Reiseplan mitgeliefert. Diesem konnte ich entnehmen, daß nun die Zugverbindung von Bonn nach Köln gestrichen worden war, und zwar offenbar so gründlich, daß die Alternative darin bestand, von Bonn nach Siegburg die Straßen- beziehungsweise U-Bahn[2]Im Verkehrsverbund von Köln und Bonn sind Straßen- und U-Bahn gewissermaßen dasselbe. Insbesondere an den unterirdischen Streckenabschnitten als U-Bahn bezeichnet, fahren die Züge aber an anderen … [Weiterlesen] zu nehmen, um von dort dann mit der Regionalbahn nach Köln zu gelangen. Davon waren nun immerhin meine Sitzplatzreservierungen nicht betroffen, so daß keine weiteren Aktivitäten meinerseits mehr erforderlich waren. Immerhin. Bei der Bahn muß man sich ja mittlerweile auch über die kleinen Dinge freuen…

Noch immer steht die Reise erst bevor. Ich darf also weiterhin gespannt darauf sein, was die Deutsche Bahn bis dahin noch für mich bereit hält.

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1 Hier muß ich fairerweise anmerken, daß ich heute, als ich den Artikel schreibe, die Seite noch einmal aufgerufen habe. Zwar sind dort immer noch keine Reiter zu finden, doch ganz unten, fast am Ende der Seite, entdecke ich dann doch noch den mit „Entschädigung beantragen“ beschrifteten Button. Ob er bei meinem ersten Versuch noch nicht da war oder ob ich ihn aufgrund der irreführenden Beschreibung des Vorgehens schlicht übersehen hatte – was ich durchaus bereit bin einzuräumen -, kann ich heute nicht mehr sagen.
2 Im Verkehrsverbund von Köln und Bonn sind Straßen- und U-Bahn gewissermaßen dasselbe. Insbesondere an den unterirdischen Streckenabschnitten als U-Bahn bezeichnet, fahren die Züge aber an anderen Stellen wie anderswo Straßenbahnen.

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