Archiv der Kategorie: Kino

Neulich in der Sneak: Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft

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Langsam vergeht das Licht im Kinosaal. Die ewig gleiche Werbung rauscht vorbei, dicht gefolgt von den Filmtrailern, von denen mir nicht einer im Gedächtnis bleibt. Doch das spielt keine Rolle, denn dann geht es auch schon los. „Nach einer wahren Geschichte“ steht für kurze Zeit auf der ansonsten dunklen Leinwand, bevor die Buchstaben wieder verblassen. Der Film beginnt mit einer New Yorker Straßenszene, die sich unschwer in die Zeit der 1920er oder 1930er Jahre datieren läßt. Die Einblendung „1929“ konkretisiert die zeitliche Einordnung noch ein wenig. Die Kamera schwenkt nach oben und rückt eine Hauswand mit einem Firmennamen in den Mittelpunkt: „Charles Scribner’s Sons“.
Ein Mann an einem Schreibtisch, der ein Manuskript redigiert. Ein weiteres wird ihm auf den Tisch gelegt, viele hundert Seiten stark. Auf dem Deckblatt steht „O Lost“. Er beginnt zu lesen… im Büro, in der Bahn und auf dem Fußweg nach Hause, im Kleiderschrank, weil jeder andere Platz im Haus von der Familie in Beschlag genommen wird… so sehr fesselt ihn das Buch und seine wundervolle Sprache. Und mich auch, denn wir Zuschauer hören ihn lesen…
Der Film beginnt ruhig. Und ruhig und bedächtig entwickelt er seine Geschichte, die Geschichte des bei „Charles Scribner‘ Sons“ beschäftigten Lektors Maxwell Perkins und seiner großen Entdeckung Thomas Wolfe.
Thomas Wolfe? Wer war Thomas Wolfe? Ich gestehe: auf diese Frage hätte ich bis heute keine Antwort gewußt. Eine Bildungslücke? Mag sein. Doch dank ihr habe ich heute etwas Neues lernen können. Denn was sich hier auf der Leinwand entfaltet, ist ein Stück Literaturgeschichte. Eines, das mich um so mehr fesselt, als es mir vorher völlig unbekannt war. Namen wie Francis Scott Fitzgerald oder Ernest Hemingway waren mir natürlich bestens bekannt, von beiden habe ich auch schon das eine oder andere gelesen. Beiden war Maxwell Perkins als Lektor verbunden. Doch von Thomas Wolfe hatte ich bis heute noch nichts gehört.
Die Art, wie der Film seine Geschichte erzählt, mögen manche als langweilig empfinden, seine Bedächtigkeit und Ruhe als Langatmigkeit mißinterpretieren. Ich empfinde sie jedoch als Gewinn. Sorgfältig wird die Geschichte der Beziehung zwischen Perkins und Wolfe vor dem Zuschauer ausgebreitet, eine Beziehung, die sich von einer anfänglichen reinen Arbeitsbeziehung in langem Ringen um Wolfes Werke, um jeden Absatz, ja um jeden Satz, hin zu einer Freundschaft entwickelt; einer Freundschaft, die aufgrund der nicht eben einfachen Künstlerpersönlichkeit Wolfes ihre Höhen und Tiefen hat, die schließlich sogar bricht und doch letztlich überlebt. Ich mag diese Art Filme, ob wahr oder nicht, Filme, die Wert auf ihre Figuren legen, sich für sie interessieren und ihnen Raum geben, sich zu entwickeln. Die ihre Triumpfe, aber auch ihre Niederlagen, ihre Selbstzweifel, ihre Schwächen zeigen, ohne über sie zu richten. Es mag – im Sinne des Blockbusterkinos, nach dem Eventhungrige heutzutage verlangen – nicht viel los sein in diesem Film, und doch ist er spannender, mitreißender und um so vieles interessanter als mancher superteure Megafilm.
Man kann über Wolfe im Lexikon nachschlagen. Auch über Scott Fitzgerald und Hemingway wird man darin etwas finden. Doch diesem Film gelingt etwas, was ein Lexikon und auch Wikipedia nicht können: über die reinen Fakten und Lebensdaten hinaus die Geschichte hinter den Büchern zu erzählen. Und zu dieser gehört untrennbar auch der großartige Lektor, ohne den die Werke dieser Autoren (und vieler anderer) vielleicht nie so großartig geworden wären, wie sie es sind.
Und so hat mir der Film die vorhin gestellte Frage beantwortet. Wer war Thomas Wolfe? Auf jeden Fall ein Autor, dessen Bücher nun auf meiner Leseliste stehen.

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Neulich in der Sneak: Knock Knock

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Wieder einmal hat es mich in die Sneak Preview verschlagen, und diesmal gab es einen Film mit Keanu Reeves. „Knock, Knock“ der Titel, den man gleich mal im Englischen belassen hatte – vielleicht, weil „Klopf, Klopf“ dann doch ein bißchen albern geklungen hätte. Regie führte Eli Roth, dessen Namen ich zwar kannte, von dem ich aber bisher nur den Film „Cabin Fever“ gesehen hatte, der die Ehre hat, maßgeblich dazu beigetragen zu haben, daß Horrorfilme mir ein Graus sind.
Wie dem auch sei – in der Sneak ließ ich mich dennoch auf den Film, der geboten wird, ein, und so tat ich es auch bei diesem. Prinzipiell vermute ich erst einmal in jedem Film das Potential, mich positiv zu überraschen. Nun, dieser hatte es definitiv nicht. In meinen Augen ist dieser Film – trotz Keanu Reeves – nichts weniger als absolute Verschwendung von Lebenszeit. Zu keiner Zeit ist er auch nur ansatzweise spannend oder überraschend, und die Figuren sind so uninteressant, wie es nur geht.
Drei Hauptfiguren gibt es: einen Familienvater, der ein Wochenende lang allein zu Haus ist, und zwei junge Frauen, die am ersten Abend im strömenden Regen scheinbar zufällig an seiner Tür stehen und um Hilfe bitten, ihn verführen, anschließend abwechselnd behaupten, Teenager oder Erwachsene zu sein, ihn schließlich gefangennehmen und ihre Spielchen mit ihm spielen, die schnell völlig durchgeknallt werden und in Folter ausarten. Das allein ist eigentlich schon öde genug – ich frage mich immer, wieso man sowas für verfilmungswürdig hält, und wieso es dann Leute gibt, die das für ansehenswert halten. Bei dieser Handlung – die ich jetzt hier leider schon verraten habe, sorry – überrascht es auch nicht, daß der Film daraus nichts mehr machen kann, was mich als Zuschauer auch nur geringfügig interessieren würde.
Soweit wäre das alles ja vielleicht Geschmackssache. Aber was bitte will mir ein Film eigentlich sagen, der es nicht mal für nötig hält, daß ich als Zuschauer etwas über die Motivation und den Hintergrund der drei Hauptfiguren erfahre? Warum handeln sie, wie sie handeln? Dazu sagt der Film so ziemlich genau gar nichts. Ich hatte sogar den Eindruck, selbst die Filmemacher haben sich für ihre Figuren nicht die Bohne interessiert. Die Mädels sind einfach nur durchgeknallt, der Familienvater liebt zwar seine Familie, aber ist eben auch nur ein Mann, der sich angesichts der beiden leckeren Maiden einfach seiner Hormone nicht erwehren kann. Geht’s noch flacher?
Warum Keanu Reeves bei diesem Film nicht nur mitwirkte, sondern auch noch ausführender Produzent war, ist und bleibt mir ein Rätsel. Selten habe ich bei einem Film so früh schon auf die Uhr geschaut und mir gewünscht, er wäre endlich vorbei. Und als er es dann ist, kann ich die Auflösung wirklich nur als Witz bezeichnen – ok, die verrate ich jetzt mal nicht.
Meine Empfehlung: meiden. Der Film ist nicht mal interessant, wenn man sich langweilt.

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Neulich in der Sneak: We Are Your Friends

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Kaum hat der Film begonnen, wird mir klar: es geht um Musik. Okay, das ist gut. Wenig später erkenne ich: es geht um elektronische Musik. Okay, das ist nicht so gut. Ich mag keine elektronische Musik. Die haben Leute verbrochen, die einen Computer darauf programmieren können, hämmernde Rhythmen – Beats, heißt das wohl – in ohrenbetäubender Lautstärke aus Lautsprecherboxen dröhnen zu lassen und – weil das allein dann doch zu langweilig wäre – darüber irgendein mehr oder weniger einfallsloses Melodiebruchstück in gefühlter Endlosschleife zu wiederholen. Aber Musiker sind das doch jedenfalls nicht. Schade, dann wird das heute wohl nichts mit einem guten Film.
Moment… Warum nochmal gehe ich in die Sneak Preview? Richtig. Ich hoffe darauf, Filme zu sehen, in die ich in der festen Überzeugung, daß sie mich nicht interessieren, nie im Leben gegangen wäre. Filme, die mich dann überraschen. Filme, die großartig sind, die mich berühren, mich einen Abend lang unterhalten, die mich zum Nachdenken bringen. Dafür nehme ich das Risiko, eine Gurke zu erwischen, gerne in Kauf. Denn oft genug ist die Rechnung für mich schon voll aufgegangen und ich habe eine persönliche Kino-Sternstunde erlebt, wo ich sie nicht erwartet hätte.
Also beiseite mit den Vorurteilen!
Und was soll ich sagen: der Film hat mich durchaus überrascht. Nicht, weil ich ihn für einen ganz großartigen Film halte. Das wäre dann doch zuviel des Lobes. Was ich ihm zunächst einmal zugute halte, ist: er erzählt eine Geschichte. Es ist die Geschichte des jungen, aufstrebenden DJs Cole Carter, der das College ausgeschlagen hat, weil er Studieren für Zeitverschwendung hält. Der für seine Musik leben will und dafür arbeitet. Er lernt einen erfolgreichen DJ – James – kennen, der ihn fördert, weil er Talent in ihm erkennt. Und in dessen viel jüngere Freundin er sich verliebt. Zugegeben, das ist keine besonders innovative Geschichte. Sie trifft auch so überhaupt nicht meinen Lebensbereich, daß es mir anfangs etwas schwerfällt, mich auf sie einzulassen. Aber der Film schafft es trotzdem, mich mitzunehmen, so daß ich nach einer Weile wissen will, wie es weitergeht.
Was mich jedoch wirklich überrascht hat, ist etwas anderes. Und zwar die Tatsache, daß ich hier tatsächlich etwas lerne – über elektronische Musik, die ich bisher immer ge- und verschmäht habe. Es gibt diese eine Szene, in der James sich eines von Coles Stücken anhört und ihm erklärt, das einzig Lebendige darin sei das integrierte Sample eines einfachen Händeklatschens. Er müsse sich bei seiner Musik auf sich selbst besinnen, auf die natürlichen Klänge in der Welt um ihn herum hören, sich selbst und seine Wahrnehmung, das, was ihn selbst berührt, darin einbringen. Das läßt mich aufhorchen, denn es paßt so gar nicht zu dem Bild, das ich mir von dieser Art Musik gemacht habe. Im Studio des DJs stehen tatsächlich echte Instrumente herum, nicht nur Laptops und Lautsprecher. Und die werden dann auch gespielt. Wie daraus in Verbindung mit dem Computer Musik wird, das zeigt der Film auf eindrucksvolle Weise. Dabei zuzusehen und -zuhören macht mir richtig Spaß. Dem Film gelingt es darüberhinaus, die musikalische Entwicklung Coles darzustellen, von diesem Moment bis zu dem Augenblick, wo er den erhaltenen Rat tatsächlich versteht und es ihm gelingt, ihn umzusetzen.
Natürlich endet diese Geschichte mit einem grandiosen Auftritt Coles vor ganz großem Publikum bei einem Festival, das ist von Anfang an vorhersehbar. Doch diese Auftrittsszene ist richtig gut gelungen. Eingeschnittene Sequenzen zu der Musik, die er dort spielt, machen die Klänge und Geräusche, derer er sich bedient hat, für den Zuschauer erlebbar, lassen seine Musik lebendig werden. Und weil einige davon aus vorherigen Szenen des Films, aus dem Leben Coles und seiner Freunde stammen, wird mir plötzlich eines bewußt: es gibt gute elektronische Musik, und auf das Elektronische kommt es dabei gar nicht an – der Computer ist nur das Instrument. Es ist einfach gute Musik. Weil sie den Zuhörer anspricht. Weil sie eine Geschichte hat, die sie erzählt. Und weil sie eben nicht nur das Geräusch eines programmierten Computers, sondern ein Werk ihres Erschaffers ist, der einen Teil seiner Seele hineingelegt hat. Und so verwundert es mich nicht mehr, als ich mich dabei ertappe, wie ich den Rhythmus aufnehme und mitwippe und wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet.
Es ist kein ganz großer Film, der mir da heute gezeigt wurde. Aber es ist ein Film, der mich berührt hat, und der mir etwas zeigte, was ich wegen meiner Vorurteile bisher nicht wußte. Vermutlich werde ich jetzt nicht gleich ein Fan elektronischer Musik werden. Aber ich werde ihr sicher auch nicht mehr so konsequent aus dem Weg gehen wie bisher; und in das eine oder andere aus diesem Genre einmal hineinhören.
Das Wort Techno fiel im ganzen Film übrigens nicht ein einziges Mal…

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