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Neulich in der Sneak: We Are Your Friends

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Kaum hat der Film begonnen, wird mir klar: es geht um Musik. Okay, das ist gut. Wenig später erkenne ich: es geht um elektronische Musik. Okay, das ist nicht so gut. Ich mag keine elektronische Musik. Die haben Leute verbrochen, die einen Computer darauf programmieren können, hämmernde Rhythmen – Beats, heißt das wohl – in ohrenbetäubender Lautstärke aus Lautsprecherboxen dröhnen zu lassen und – weil das allein dann doch zu langweilig wäre – darüber irgendein mehr oder weniger einfallsloses Melodiebruchstück in gefühlter Endlosschleife zu wiederholen. Aber Musiker sind das doch jedenfalls nicht. Schade, dann wird das heute wohl nichts mit einem guten Film.
Moment… Warum nochmal gehe ich in die Sneak Preview? Richtig. Ich hoffe darauf, Filme zu sehen, in die ich in der festen Überzeugung, daß sie mich nicht interessieren, nie im Leben gegangen wäre. Filme, die mich dann überraschen. Filme, die großartig sind, die mich berühren, mich einen Abend lang unterhalten, die mich zum Nachdenken bringen. Dafür nehme ich das Risiko, eine Gurke zu erwischen, gerne in Kauf. Denn oft genug ist die Rechnung für mich schon voll aufgegangen und ich habe eine persönliche Kino-Sternstunde erlebt, wo ich sie nicht erwartet hätte.
Also beiseite mit den Vorurteilen!
Und was soll ich sagen: der Film hat mich durchaus überrascht. Nicht, weil ich ihn für einen ganz großartigen Film halte. Das wäre dann doch zuviel des Lobes. Was ich ihm zunächst einmal zugute halte, ist: er erzählt eine Geschichte. Es ist die Geschichte des jungen, aufstrebenden DJs Cole Carter, der das College ausgeschlagen hat, weil er Studieren für Zeitverschwendung hält. Der für seine Musik leben will und dafür arbeitet. Er lernt einen erfolgreichen DJ – James – kennen, der ihn fördert, weil er Talent in ihm erkennt. Und in dessen viel jüngere Freundin er sich verliebt. Zugegeben, das ist keine besonders innovative Geschichte. Sie trifft auch so überhaupt nicht meinen Lebensbereich, daß es mir anfangs etwas schwerfällt, mich auf sie einzulassen. Aber der Film schafft es trotzdem, mich mitzunehmen, so daß ich nach einer Weile wissen will, wie es weitergeht.
Was mich jedoch wirklich überrascht hat, ist etwas anderes. Und zwar die Tatsache, daß ich hier tatsächlich etwas lerne – über elektronische Musik, die ich bisher immer ge- und verschmäht habe. Es gibt diese eine Szene, in der James sich eines von Coles Stücken anhört und ihm erklärt, das einzig Lebendige darin sei das integrierte Sample eines einfachen Händeklatschens. Er müsse sich bei seiner Musik auf sich selbst besinnen, auf die natürlichen Klänge in der Welt um ihn herum hören, sich selbst und seine Wahrnehmung, das, was ihn selbst berührt, darin einbringen. Das läßt mich aufhorchen, denn es paßt so gar nicht zu dem Bild, das ich mir von dieser Art Musik gemacht habe. Im Studio des DJs stehen tatsächlich echte Instrumente herum, nicht nur Laptops und Lautsprecher. Und die werden dann auch gespielt. Wie daraus in Verbindung mit dem Computer Musik wird, das zeigt der Film auf eindrucksvolle Weise. Dabei zuzusehen und -zuhören macht mir richtig Spaß. Dem Film gelingt es darüberhinaus, die musikalische Entwicklung Coles darzustellen, von diesem Moment bis zu dem Augenblick, wo er den erhaltenen Rat tatsächlich versteht und es ihm gelingt, ihn umzusetzen.
Natürlich endet diese Geschichte mit einem grandiosen Auftritt Coles vor ganz großem Publikum bei einem Festival, das ist von Anfang an vorhersehbar. Doch diese Auftrittsszene ist richtig gut gelungen. Eingeschnittene Sequenzen zu der Musik, die er dort spielt, machen die Klänge und Geräusche, derer er sich bedient hat, für den Zuschauer erlebbar, lassen seine Musik lebendig werden. Und weil einige davon aus vorherigen Szenen des Films, aus dem Leben Coles und seiner Freunde stammen, wird mir plötzlich eines bewußt: es gibt gute elektronische Musik, und auf das Elektronische kommt es dabei gar nicht an – der Computer ist nur das Instrument. Es ist einfach gute Musik. Weil sie den Zuhörer anspricht. Weil sie eine Geschichte hat, die sie erzählt. Und weil sie eben nicht nur das Geräusch eines programmierten Computers, sondern ein Werk ihres Erschaffers ist, der einen Teil seiner Seele hineingelegt hat. Und so verwundert es mich nicht mehr, als ich mich dabei ertappe, wie ich den Rhythmus aufnehme und mitwippe und wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet.
Es ist kein ganz großer Film, der mir da heute gezeigt wurde. Aber es ist ein Film, der mich berührt hat, und der mir etwas zeigte, was ich wegen meiner Vorurteile bisher nicht wußte. Vermutlich werde ich jetzt nicht gleich ein Fan elektronischer Musik werden. Aber ich werde ihr sicher auch nicht mehr so konsequent aus dem Weg gehen wie bisher; und in das eine oder andere aus diesem Genre einmal hineinhören.
Das Wort Techno fiel im ganzen Film übrigens nicht ein einziges Mal…

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