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Das Jahr geht zu Ende. Zum Glück.

Dieser Beitrag ist Teil 9 von 9 der Beitragsserie "Gedanken zum Jahreswechsel"

Rumms!
Zisch!
Krach!
Bumm!
RATTATTATTATTATT!

Was sich an diesem letzten Abend des Jahres 2024 vor meinem Fenster akustisch abspielt, klingt gefährlich.  Es pfeift. Es donnert. Es kracht. Und wenn ich hinsehe, kann ich es auch blitzen sehen. In einem fort und ununterbrochen. Da fällt es angesichts der Entwicklungen, die es in diesem Jahr gegeben hat, mehr als schwer, das lediglich für das Silvesterfeuerwerk zu halten, das es ist. Viel anders kann ein Krieg auch nicht klingen. Und dem sind wir nach diesem Jahr 2024 leider noch nähergekommen, als uns lieb sein kann.

Der Trend, den ich in meinem Text zum vorangegangenen Jahreswechsel ausgemacht hatte, hat sich in diesem Jahr 2024 leider fortgesetzt. Ja mehr noch, er hat sich verstärkt. Und zwar in jeglicher Hinsicht.

Was ich bisher nur aus Geschichtsbüchern über die Zeiten vor den beiden Weltkriegen kannte, schallt mir nun tagtäglich entgegen: Kriegspropaganda. Nur vom Frieden will irgendwie keiner etwas wissen, scheint es. Jedenfalls nicht in den höheren Etagen der hiesigen Politik. Jede noch so vorsichtige Initiative, die in diese Richtung führen könnte, wird vehement ausgeschlagen und abgewürgt. Und eigene Vorschläge werden erst gar nicht gemacht. Stattdessen erklärt man uns, es sei wichtig, die Kriegsmüdigkeit endlich abzulegen und uns kriegstüchtig zu machen.

Nie in meinem bisherigen Leben hatte ich auch nur daran gedacht, daß ich einem derartigen Wahnsinn einmal ausgesetzt sein würde. Hatte es nicht „Niemals wieder!“ geheißen? Waren das nicht die Worte, die wir immer im Gedächtnis behalten sollten? Die, die wir doch angeblich aus der Geschichte gelernt hatten? Was ist damit geworden? Vergessen? Wohl eher entsorgt.

Wenn es das ist, wo uns die Wiedervereinigung schlußendlich hingeführt hat, dann vielen Dank für nichts. Dann möchte ich deren fünfunddreißigstes Jubiläum im nächsten Jahr gar nicht feiern.

Huuuh… jetzt hab ich’s gesagt. Oder geschrieben. Undankbarer Ossi, der ich bin. Na und? Soll ich vielleicht dafür dankbar sein, daß ich mich jetzt endlich mit der Frage beschäftigen darf, ob ich einen Krieg noch erleben werde?

Ja, ich weiß, Schuld sind die anderen. Die haben angefangen. Doch so einfach ist die Welt nicht. War sie nie. Das sagen die anderen nämlich umgekehrt auch. Und nun? Wer hat jetzt recht? Meistens keiner von beiden. Zu einem Konflikt gehören nämlich immer mindestens zwei. Und wenn der nicht gelöst wird und es zum Äußersten kommt,  dann haben alle Beteiligten in irgendeiner Form ihren Anteil daran.

Ich will das jetzt gar nicht in die Tiefe analysieren. Kann ich auch gar nicht, denn dazu fehlen mir definitiv eine Menge Informationen. Denn auch das weiß ich als geschichtsinteressierter Mensch nur zu gut: in Zeiten wie diesen erfährt man allerlei, doch nie die volle Wahrheit.

Ist allein dieses Thema für mich schon Grund genug, das zu Ende gehende Jahr 2024 nicht sonderlich zu mögen, so gibt es dafür leider auch noch andere, persönlichere.

Der für mich wichtigste und zugleich traurigste ist unzweifelhaft der Tod meines geliebten Vaters im Juli dieses Jahres. Er war für mich immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben – so sehr, daß es mir jetzt, fast schon ein halbes Jahr später, immer noch unglaublich schwerfällt zu akzeptieren, daß er nun nicht mehr da ist. Mit ihm habe ich einen meiner festen Lebensanker verloren – ein Verlust, der eigentlich nicht zu kompensieren ist. Und doch muß ich versuchen, weiterzumachen und damit zurechtzukommen. Denn das Letzte, was er wollen würde, wäre, daß ich mich ob seines Todes verkriechen und unglücklich werden würde. Und so habe ich schweren Herzens meinen ganz persönlichen Abschied von ihm genommen, doch ich werde ihn immer als den liebevollen Vater, der er war, in Erinnerung behalten und ihm stets für alles, was er für mich getan und mir im Leben ermöglicht hat, dankbar sein.

Und als wäre all das nicht genug, hat dieses furchtbare Jahr 2024 auch noch ein weiteres Ereignis für mich bereitgehalten, das gut und gerne in einer Katastrophe hätten enden können. Wieder einmal hat es in meinem Wohnhaus ein Feuer gegeben. Und wieder einmal, wie bereits zwei Jahre zuvor, lag der Brandherd in der Etage unter meiner und diesmal sogar direkt unter meiner Wohnung. Glücklicherweise konnte die Feuerwehr ihn auch diesmal schnell löschen, so daß es keine ernsthaften Schäden gab. Eine unangenehme Erfahrung war es dennoch. Nicht nur wegen der durchwachten Nacht, die ich zusammen mit meinen Nachbarn auf der Straße verbringen durfte, sondern auch wegen der doch recht beträchtlichen Verschmutzung meiner Wohnung infolge des vom Feuer entwickelten Rauchs. Glücklicherweise konnte ich hier auf die tatkräftige Hilfe meiner großartigen Familie zählen, die mir an mehreren Tagen beim Reinemachen half. Habt vielen herzlichen Dank, Ihr Lieben!

Auch der Rest dieses Jahres sorgte nicht unbedingt für Erheiterung. Auch beruflich gab und gibt es jede Menge Unruhe, auf die ich hier aber nicht weiter eingehen will. Ansonsten geht das Land weiter den Bach runter, was mittlerweile auch in meinem privaten Lebensumfeld ankommt, beispielsweise wenn die Wohnungsverwaltung die angekündigte grundlegende Fahrstuhlsanierung absagt, weil die beauftragte Firma sich bei denjenigen eingereiht hat, die insolvent gegangen sind. Nun muß der ganze langwierige Prozeß der Beauftragung von neuem durchlaufen werden, beginnend mit einer Ausschreibung – und das kann dauern. Einen neuen Termin gibt es daher vorerst nicht. In der Zwischenzeit fahren wir halt weiter mit den alten Aufzügen, die geschätzt im Monatstakt reihum einmal ausfallen. Mal sehen, wie lange es dauert, bis keiner mehr geht und wir uns sportlich ans tagtägliche Treppensteigen  machen. Das verkauft man uns dann bestimmt als gesundheitsfördernde Maßnahme, die an das Mietobjekt gekoppelt ist, weswegen man die Miete erhöhen könne. Okay, das habe ich mir ausgedacht, aber wundern würde es mich nicht. So wie mich in diesem verrückt gewordenen Land mittlerweile gar nichts mehr wundert, wo man uns den Verlust des Zugriffs auf billige Energieträger als endlich erreichte Unabhängigkeit von Rußland verkauft und die daraus resultierende Pleitewelle in der Industrie als Erfolg in der Bekämpfung  des Klimawandels. Aber hey, wir Deutschen retten die Welt! Das ist doch was. Nur merkt die nichts davon…

Immerhin gab es aber dann doch noch etwas Positives in diesem Jahr. Nach meiner überaus positiven Erfahrung mit der Flußkreuzfahrt im vergangenen Jahr hatte ich mich entschlossen, dieses schöne Erlebnis in diesem Jahr gleich noch einmal zu wiederholen. Doch dieses Mal wollte ich mir einen schon lange gehegten Traum damit erfüllen: eine Reise die Donau entlang. Am liebsten wäre mir natürlich eine Fahrt von Deutschland bis zur Mündung im weit entfernten Schwarzen Meer gewesen, wegen der dortigen Nähe zur Ukraine zog ich es dann jedoch vor, lediglich die etwas kürzere Tour bis zum Eisernen Tor und zurück zu buchen. Und nach all den weniger schönen bis traurigen Erlebnissen und Erfahrungen dieses Jahres wurde mir so der Oktober zu einem wunderbar entspannten Monat der Ruhe und Entspannung. Der Himmel schien mir dafür sein schönstes Geschenk machen zu wollen, denn nach dem ersten leicht verregneten Reisetag auf der Maxima, wie das Schiff, mit dem ich unterwegs war, hieß, erstrahlten die restlichen elf Tage im hellen Glanz der wundervollen Herbstsonne, die von einem strahlend blauen, fast immer wolkenlosen Himmel auf mich herablächelte. Ach, war das eine schöne Reise! Wien, Bratislava, Budapest, Pécs, Belgrad, Novi Sad – so viele wundervolle Städte bekam ich zu sehen. Dazu die abwechslungsreiche Landschaft links und rechts der Donau – die Wachau in Österreich, die Puszta in Ungarn und schließlich die herrliche Kataraktenstrecke im Taldurchbruch der Donau durch das Balkan- und Karpatengebirge. Es war eine wunderbare Reise. Vielleicht erzähle ich demnächst an dieser Stelle das eine oder andere Erlebnis davon…

Wenn mich dieses Jahr 2024 eines gelehrt hat, so ist es die Erkenntnis, daß es nichts bringt, darauf zu warten, daß die Lage auf wundersame Weise von selbst besser wird oder daß von irgendwoher irgendein Heiland kommt, der alles zum Besseren wendet. Es bringt allerdings auch nichts, sich vorzunehmen, tatkräftig dafür zu wirken, die Welt besser zu machen. Das führt in der Regel nur dazu, daß man sich übernimmt, sich aufreibt und in die Ohnmacht rennt in dem Bestreben, Dinge zu ändern, die man objektiv allein gar nicht zu ändern in der Lage ist. Was man hingegen tun kann, ist, sich zu überlegen, was wirklich in den eigenen Möglichkeiten der Beeinflussung liegt. Dort hinein kann man dann, so man möchte, all seine Tatkraft investieren. Und diese Überlegung ist nicht einmal besonders schwer. Sie führt, wenn man sie realistisch anstellt, zunächst einmal zu einem selbst. Was man nämlich am besten beeinflussen kann, ist das eigene Leben. Hier anzusetzen hilft dabei, Verbesserungen zu erzielen, die einem selbst zugutekommen, ohne dabei seine Tatkraft zu verausgaben. Wenn man es dann noch schafft, dies ohne Egoismus, also unter Rücksichtnahme auf die Mitmenschen im eigenen Umfeld und ihre Bedürfnisse zu tun, dann beginnt man bereits, die eigene kleine Welt ein Stück besser zu machen, ohne die der anderen negativ zu beeinflussen.

Ich behaupte nun nicht, daß dies das Rezept ist, um die Welt im Großen positiv zu verändern, gar Kriege zu verhindern. Wie das geht, ich gestehe es, weiß ich nicht. Doch vielleicht kommt man ja auf dem Weg, die eigene beeinflußbare Sphäre zu verändern, mit anderen Menschen in Kontakt und kann dann gemeinsam Ideen dafür entwickeln, größere Veränderungen zusammen in Angriff zu nehmen. Oder man kommt zu der Erkenntnis, daß man mit seiner eigenen Sphäre bereits genug beschäftigt ist und daß alles weitere nur zur Verausgabung der eigenen Ressourcen führt. Für mich wäre auch das völlig in Ordnung. Wichtig ist, daß man auf diese Weise lernt, für sich selbst und im Rahmen seiner Möglichkeiten vielleicht auch für andere zu sorgen,  ohne daß man sich verausgabt. Und gleichzeitig gelingt es so, sich nicht von den negativen Entwicklungen der großen Welt – den realen wie auch den nur möglichen, angenommenen oder befürchteten – fertigmachen und lähmen zu lassen. Man bleibt tatkräftig in dem, was man bewältigen kann und schafft sich so seine positiven Erlebnisse, auch wenn einen die unvermeidbaren Schicksalsschläge  treffen mögen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch ein schönes, ein gesundes sowie ein tatkräftiges und glückliches Jahr 2025. Trotz alledem.


Das Banner auf dieser Seite wurde mit generativer KI in Adobe Photoshop erstellt.
Ersteller: Alexander Glintschert (2024).

Und wieder ist ein Jahr vorüber…

Dieser Beitrag ist Teil 4 von 9 der Beitragsserie "Gedanken zum Jahreswechsel"

Rot funkelt der Wein im Glase. Eine kleine Lampe auf dem Tisch vor mir erleuchtet nur spärlich die nähere Umgebung, und auch der am Fenster sanftes, goldenes Licht spendende Schwibbogen vermag den Rest des Zimmers kaum zu erhellen. Doch das ist auch nicht nötig. Leise spielt Musik und untermalt die ruhige und besinnliche Atmosphäre, die ich mir geschaffen habe und mit der es mir gelingt, all den Trubel auszublenden, der von der dem Jahreswechsel entgegenfiebernden Welt vor meinen Fenstern veranstaltet wird.

Das vierte Jahr in Folge halte ich es nun schon so. Es ist eine mir inzwischen lieb gewordene kleine Tradition, das Ende des Jahres allein und zurückgezogen zu begehen und leicht in das neue Jahr hinüberzugleiten. Sanft und ohne raschen Rutsch. Ganz in Ruhe.

Das Besinnliche nehme ich dabei gern wörtlich: mich besinnen auf das, was im vergangenen Jahr gewesen ist und was ich erreicht habe. Und auch, was nicht.

Ich nehme mir vor, achtsamer mit meiner Zeit umzugehen. Sie gleichermaßen bewußt zu nutzen und bewußt zu verschwenden – kurz: sie bewußt zu leben. Jedenfalls mehr als bisher.

So hatte ich es zum Ende des vorigen Jahres formuliert. Und natürlich, die Frage steht im Raum: Habe ich das erreicht? Ja? Nein? Gar nicht so leicht zu beantworten. Zumindest nicht, wenn es nicht oberflächlich sein soll. Mal sehen.

Zunächst einmal kann ich feststellen, daß mir zu der gewählten Überschrift dieses Textes „Und wieder ist ein Jahr vorüber…“ – ja, die stand tatsächlich als erstes fest – nicht wie im letzten Jahr sofort die Frage „Hatte das nicht gerade eben erst angefangen?“ und gleich danach der Satz „Das kann doch unmöglich schon wieder vorbei sein.“ eingefallen sind. Und tatsächlich, wenn ich so über das vergangene Jahr nachdenke, dann habe ich nicht den Eindruck, daß die Zeit einfach so verronnen ist. Und das liegt zu einem nicht geringen Teil daran, daß ich in der Folge meiner letztjährigen Überlegungen zu diesem Thema begonnen habe, mir Gedanken zu machen. Gedanken darüber, was falsch läuft in meinem Leben. Und was richtig. Was mir wichtig ist. Und auch, was nicht.

In der Folge dessen habe ich einige Dinge neu bewertet. Ganz persönlich. Für mich. Womit möchte ich meine Zeit verbringen? Und womit verbringe ich sie tatsächlich?

Als ich begann, darüber nachzudenken, landete ich unweigerlich bei meinem Job. Meiner beruflichen Tätigkeit. Wie stand es damit? Die Arbeit eines Softwareentwicklers ist, was ich gelernt habe und was ich seitdem ohne Unterbrechung ausübe. Dabei ist die Idee einer Karriere für mich völlig irrelevant. Und das kann ich so sicher sagen, weil ich sie ausprobiert habe. Wie so viele andere auch habe ich als Softwareentwickler begonnen und bin den Weg ins Management gegangen. Doch nach einer Weile bin ich umgekehrt. Das war es nicht, was mich interessierte. Was mir wirklich Spaß macht, worin ich gut bin, ist etwas völlig anderes. Für ein echtes Problem eine Software zu entwickeln, die es löst, ist etwas, das unglaublich erfüllend sein kann. Es beginnt bereits bei der Analyse des Problems, wenn sich Erkenntnis aufbaut und man beginnt zu verstehen, worum es geht. Es setzt sich fort, wenn man dann den kreativen Schritt macht und eine Lösung entwirft. Hier ist Kreativität gefragt. Man tritt ein in den Zyklus aus Idee, Ausprobieren, Verwerfen, Von-vorn-beginnen mit einer neuen Idee. Und hat man dann endlich einen Ansatz gefunden, der funktionieren kann, arbeitet man ihn aus und entwickelt ihn zur fertigen (Software-)Lösung. Und all das tut man nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen. Man tauscht Ideen aus, man diskutiert, mal streitet man auch. Aber nichts geht über das wunderbare Gefühl, wenn man gemeinsam, auf Augenhöhe miteinander arbeitend, etwas geschaffen hat.

Aber was lief dann falsch? Wenn ich doch die meiste Zeit Software entwickelte und mir das Spaß machte, warum hatte ich dennoch immer öfter das Gefühl, daß meine Zeit verstrich, ohne daß ich sagen konnte, wo sie denn geblieben war? Und warum blieben so viele meiner persönlichen Interessen unbeachtet, so viele meiner persönlichen Vorhaben ungetan? Ich kam zu dem Schluß, daß ich offenbar dazu übergegangen war, meine Prioritäten mit den Jahren völlig falsch zu setzen. Beginnt man wie ich als Softwareentwickler in einem kleinen, aufstrebenden Unternehmen, scheint diese Tätigkeit das Wichtigste der Welt zu sein, in das man all seine Zeit investiert. Selbst dann, wenn es nicht die eigene Firma und man nur angestellt ist. Es ist wie ein eigenes Werk, ein Baby, das man voranbringen will. Und so waren Überstunden zwar an der Tagesordnung, doch ich nahm sie gern in Kauf, konnte ich doch die erreichten Ergebnisse sehen, die ja irgendwie auch meine waren. Beginnt man dann den Weg ins Management, scheint dieselbe immense zeitliche Investition erforderlich, erst recht, wenn man seine Arbeit ernst nimmt und das Beste erreichen will. Es ändert sich nur der Grund dafür. Doch arbeitete ich mittlerweile weder in einem kleinen, aufstrebenden Unternehmen noch war ich auf der Management-Karriereleiter unterwegs. Und dennoch hatte ich, was meine Zeit betraf und wie ich sie investierte, einfach so weitergemacht wie vorher. Daß meine beruflichen und meine persönlichen Interessen und Projekte nicht vollständig deckungsgleich waren, daß also mein Beruf mir zwar Spaß machte, aber nicht meinen einzigen Lebensinhalt bildete, war mir auf meinem Weg durch mein Arbeitsleben irgendwie aus dem Blick geraten.

Doch nun, wo mir das klar geworden war, gab es keinen Grund mehr, einfach so weiterzumachen wie bisher. Beruf und Persönliches mußten wieder in die richtige Balance. Und so fällte ich die Entscheidung, die Zeit, die ich meinem Beruf zukommen ließ, zu verkürzen. Dabei beließ ich es nicht mit dem Vorsatz, einfach weniger oder keine Überstunden mehr zu machen. Ich ging einen radikaleren Schritt und entschied, nur noch vier Tage in der Woche zu arbeiten. Ein Entschluß, den ich bis heute nicht bereut habe.

In der Folge hat sich einiges für mich verändert. Was meinen Beruf betrifft, habe ich sogar den Eindruck, deutlich produktiver als vorher zu sein. Wichtig ist bei einem solchen Schritt natürlich, daß man nicht versucht, die Arbeit von fünf Tagen an vieren zu schaffen. Die Umstellung auf eine Vier-Tage-Arbeitswoche hat mich auch im Job dazu gebracht, wesentlich bedachter auszuwählen, welchen Aufgaben ich mich widme und welchen nicht. Es war ein äußerst wichtiger Lernschritt für mich zu erkennen, wie unglaublich produktivitätssteigernd ein zur rechten Zeit geäußertes Nein sein kann. Und wenn man nach eigenem Gefühl die richtige Balance zwischen Arbeit und Persönlichem erreicht hat, investiert man seine Zeit und Fähigkeiten viel bewußter in die aktuelle Tätigkeit, weil man überhaupt erst einmal in der Lage ist, darüber nachzudenken, was wichtig ist und was nicht und wann der beste Zeitpunkt ist, eine übernommene Aufgabe zu erledigen. Nach meinem Eindruck schaffe ich in den vier Tagen pro Woche in meinem Job jetzt sogar mehr als vorher in fünfen, ohne daß ich deshalb das Gefühl habe, mich zu übernehmen.

Und auch außerhalb des Jobs kam es zu deutlichen Verbesserungen in meinem Leben. Klar, ich hatte mehr Zeit. Doch das allein macht ja noch nichts besser. Es kommt darauf an, sie bewußt einzusetzen. Ich schreibe hier absichtlich nicht „sinnvoll nutzen“. Denn mir kommt es nicht darauf an, meine neu gewonnene Zeit zu rationalisieren. Wichtig ist mir, sie bewußt für das zu verwenden, was für mich gerade wichtig und erforderlich ist. Das kann ein Projekt sein, daß ich umsetzen, ein Ziel, das ich erreichen will. Das kann aber auch bewußte Verschwendung sein, wenn die Seele danach verlangt. Tagträumen, müßiggehen, bummeln, nichts erreichen müssen. Für von allem ein bißchen habe ich mir im vergangenen Jahr Zeit genommen: für einen vergleichsweise spontanen Ausflug nach Nürnberg an einem verlängerten Wochenende; für einen Urlaub im schönen Wien, wohin ich immer schon einmal wollte, und für einen anderen im Schwarzwald, wo ich vor Jahren schon einmal war, woran ich mich aber kaum noch erinnern konnte; für die Fertigstellung einer schon lange geplanten vierteiligen Artikelserie über die Spittelkolonnaden auf meiner Website Anderes.Berlin; für die Recherche zu einer weiteren, an der ich gerade noch arbeite; für die Zusammenstellung einer Spotify-Playlist mit epischer Musik, unglaublich motivierend bei allen möglichen Gelegenheiten; für die Wiederaufnahme meiner brachliegenden Mitgliedschaft im Fitneßstudio – Sport macht Spaß, Sport macht Spaß, Sport macht Spaß…

Unglaublich befreiend ist auch das Abwerfen von Ballast. Im wahrsten Sinne des Wortes. Stimmt die Balance im Leben nicht, neigt mancher zur Kompensation. Was durchaus eine gewisse Zeit funktionieren kann. Erst recht, wenn man gerne Dinge sammelt. Bücher, CDs, Schallplatten. Oder Star-Trek-Raumschiffmodelle. Deren Anschaffung kann eine gute Kompensation sein. Für eine Weile. Bis man das Gefühl hat, daß sie einen erdrücken und die Balance zusätzlich durcheinanderbringen. Dann sollte man sie dringend loswerden. Was plötzlich sehr einfach wird, wenn man seine Balance wiederfindet, wie ich in diesem Jahr ebenfalls feststellen konnte.

Ich nehme mir vor, achtsamer mit meiner Zeit umzugehen. Sie gleichermaßen bewußt zu nutzen und bewußt zu verschwenden – kurz: sie bewußt zu leben. Jedenfalls mehr als bisher.

Und? Habe ich das nun erreicht? Ich meine, in diesem Jahr ist mir dafür ein recht guter Anfang gelungen. Und bedenke ich es recht, ist dieses Vorhaben keines, bei dem man an irgendeinem Punkt im Leben sagen kann: Jetzt habe ich es geschafft. Weiter geht es nicht. Vielmehr ist es eine Haltung, eine Einstellung zum Dasein. Seine Zeit bewußt zu leben – das ist ein Vorhaben, das man jeden Tag umsetzen muß. Und dafür muß man es jeden Tag auf’s Neue in Angriff nehmen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein gesundes neues Jahr 2020. Setzt die Zeit, die Ihr habt, so bewußt ein, wie Ihr könnt.

Wirklich schon wieder ein Jahr…

Dieser Beitrag ist Teil 3 von 9 der Beitragsserie "Gedanken zum Jahreswechsel"

Und wieder einmal ist es Silvester. Das Jahr 2018 neigt sich unweigerlich dem Ende entgegen. Hatte das nicht gerade eben erst angefangen? Das kann doch unmöglich schon wieder vorbei sein.

So oder so ähnlich mag es manchem gehen, da bin ich sicher nicht der einzige. Im Alltag fällt uns meist gar nicht auf oder wir ignorieren mehr oder weniger bewußt, daß die Zeit unweigerlich voranschreitet. Doch an Tagen wie diesem, die uns mit ihrer besonderen Bedeutung, die wir ihnen beimessen, aus dem Alltäglichen herausholen, kann es geschehen, daß wir uns plötzlich dessen bewußt werden, und wir fragen uns, wo die Zeit denn nur geblieben ist.

Und so sitze auch ich nun hier und denke über das zurückliegende Jahr nach. Wieder einmal halte ich mich fern von den alljährlichen Silvesterparties. An diesem Abend, wenn alle Welt feiert und feuerwerkt, ist mir eher nach Besinnlichkeit. Während alle mit einem hoffentlich guten Rutsch ins neue Jahr schliddern, möchte ich lieber sanft hinübergleiten. Ein Glas roten Weins an einem ruhigen Abend – mehr brauche ich nicht. Es muß mir allerdings gelingen zu ignorieren, daß von draußen vor dem Fenster Geräusche an mein Ohr dringen, die mich glauben lassen könnten, es wäre Krieg.

Warum um alles in der Welt ist jetzt schon wieder Jahresende? Ach, die Zeit verrennt. Das ist ein Satz, den viele sagen.

Eins, zwei, drei – im Sauseschritt
eilt die Zeit. Wir eilen mit.

So dichtete bereits Wilhelm Busch. Doch kann Zeit eilen? Oder rennen? Wohl eher nicht. Also stimmt der Satz nicht? Dem widerspricht der Eindruck, der sich bei manchem so manches Mal – und auch bei mir gerade jetzt – einstellt, daß schon wieder soviel Zeit vergangen ist, ohne daß man es so recht merkte. Moment, ohne daß man es merkte? Ohne daß ich es merkte? Das bedeutet ja… Mir will nicht so recht gefallen, was es bedeutet. Wenn Zeit unbemerkt vergehen kann, dann geht man achtlos mit ihr um. Und Achtlosigkeit führt – das kennt man auch von anderen Ressourcen – in aller Regel zu Verschwendung. 

Aber ist das denn schlimm? Ich bin kein großer Freund davon, alles und jedes zu rationalisieren. Das passiert in unserem Zeitalter sowieso schon allerorten. Alles wird nur noch nach dem Nutzen, den es haben könnte, bewertet. Doch mit Zeit – und insbesondere der eigenen Lebenszeit – sollte man das auf keinen Fall tun. Es sei denn, man sucht das unfehlbare Rezept für permanente Unzufriedenheit. Zeit verschwenden – das kann so schön sein. Tagträumen, müßiggehen, bummeln, nichts erreichen müssen – ab und zu braucht die Seele das. Und dann sollte man mit Zeit nicht sparen, um ihr das zu gewähren.

Eine derartige Verschwendung von Zeit kann, wenn sie bewußt geschieht, eine Bereicherung sein. Der achtlose Umgang damit führt jedoch zum genauen Gegenteil. Verschwendung aus Achtlosigkeit – das wird unweigerlich zu Verlust, aus dem wieder Unzufriedenheit resultiert; Unzufriedenheit, die sich in der Frage, wo denn nur die Zeit geblieben ist, ausdrückt. 

Nein, die Zeit verrennt nicht. Sie schreitet voran – immer im gleichen Tempo. Behauptet man, sie renne, versucht man nur, die Schuld am eigenen achtlosen Umgang mit ihr auf sie abzuwälzen. Doch ändert man nur einen Buchstaben in diesem Satz, drückt er plötzlich aus, was dann wirklich passiert: Die Zeit verrinnt. Und zwar wie Sand durch die Finger…

Silvester und Neujahr – das ist stets die Zeit der guten Vorsätze. Ich denke, dieses Mal belasse ich es bei einem einzigen. Ich nehme mir vor, achtsamer mit meiner Zeit umzugehen. Sie gleichermaßen bewußt zu nutzen und bewußt zu verschwenden – kurz: sie bewußt zu leben. Jedenfalls mehr als bisher.

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein gesundes und fröhliches, vor allem aber ein bewußt gelebtes Jahr 2019. Laßt es Euch gut gehen!