Abendliche Spittelkolonnaden

Ist doch nur ein Blogartikel… – Ein Blick hinter den Vorhang

Fertig ist sie, meine Beitragsserie über die Geschichte der Berliner Spittelkolonnaden. Vier einzelne Beiträge, jeweils zu einer einzelnen Periode aus der Geschichte dieses schönen Bauwerks, dazu eine umfassende Fotogalerie mit historischen Aufnahmen und aktuellen Bildern – alles das ist nun auf der Website meines Berlin-Projektes Anderes.Berlin zu finden.

Das war ein ganz hübsches Stück Arbeit. Angefangen von zahllosen Samstagen, die ich in der Abteilung für Berlin-Studien der Zentralen Landesbibliothek zugebracht habe, um zu recherchieren und Informationen zusammenzutragen, über viele, viele Stunden Online-Recherche, um weitere Daten und Fakten zu finden, bis hin zum Schreiben der Texte für die einzelnen Artikel, war ich wenigstens ein halbes Jahr damit befaßt – Zeit, angefüllt mit dem Aufstöbern und Studieren einzelner, kleinerer und größerer Zeitungsartikel, dem Lesen von Büchern, dem Durchsuchen von Bibliothekskatalogen, dem Sitzen in Lesesälen öffentlicher Bibliotheken, dem Durchsuchen des Internets, dem Notieren jedes noch so winzigen Fakts, dem buchstabengetreuen Abschreiben wichtiger Zitate, dem zeitlichen Ordnen der Fakten, dem Protokollieren jeder benutzten Quelle und so weiter und so fort. Besonders spannend wird es, wenn solche Quellen einander widersprechen. Welche Aussage stimmt? Was ist wahr, was falsch? Gibt es weitere Quellen, bestenfalls sogar schriftliche Zeugnisse aus der betreffenden Zeit selbst? All das macht wahnsinnig Spaß und erinnert manchmal an Detektivarbeit.

Als ich dann alle Fakten und Informationen gesammelt hatte, ging es an’s Schreiben. Nun mußte ich all die Daten und einzelnen Geschichtchen zu einem großen Ganzen zusammenbringen,  zu einer zusammenhängenden, unterhaltsamen und möglichst spannenden Geschichte. Eine Herausforderung! Ich wollte bei der Beschreibung historischer Zusammenhänge und Abläufe die stets damit verbundene Gefahr bannen, daß der Text zu trocken gerät, sich zu sehr auf die Aneinanderreihung der Fakten konzentriert und es versäumt, eine Geschichte zu erzählen. Doch wie stellte ich das am besten an? Nach einiger Überlegung verfiel ich auf die Idee, jedem der vier Artikel eine kleine Geschichte voranzustellen. Eine Geschichte, die nicht nur mit dem Gegenstand der Beitragsserie, den Spittelkolonnaden, zu tun hatte, sondern auch den jeweiligen Zeitraum jedes Artikels näher illustrierte. Eine Geschichte, die ich mir jeweils ausdachte, die aber dennoch so oder so ähnlich passiert sein könnte. Ob mir all das gelungen ist oder nicht, möge jeder Leser der Beitragsreihe selbst beurteilen. Mir hat es auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht, sie zu schreiben.

Nun war das geschriebene Wort also fertig. Doch das war ja erst der Inhalt. Solch eine Artikelserie lebt aber nicht vom Text allein. Wer will schon eine Webseite lesen, die wie eine einzige Bleiwüste daherkommt, zumal, wenn es um historische Ereignisse und Orte geht? Da müssen Illustrationen her, die das im Text Erzählte visualisieren. Darstellungen aus der Vergangenheit und, wenn wie in diesem Fall das Bauwerk noch existiert, auch aus der Gegenwart machen den Text lebendiger, nachvollziehbarer und damit letztlich interessanter. Während das für aktuelle Aufnahmen noch relativ einfach ist, für die ich nur eine kleine Fototour unternehmen, das Bauwerk fotografieren, die Bilder bearbeiten und auf die Website laden muß, stellt sich das für historische Aufnahmen schon deutlich schwieriger dar. Gibt es überhaupt welche? Und wenn ja, wo sind diese zu finden? Wieder waren viele Stunden Suche und Recherche vergangen, bis ich schließlich für jede einzelne Periode der Geschichte der Spittelkolonnaden ansprechende Darstellungen – Zeichnungen und Fotografien – gefunden hatte.

Die Berliner Spittelkolonnade
Die Spittelkolonnade in der Leipziger Straße
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
Creative Commons Lizenzvertrag

Doch damit war es nicht getan. Während ich meine eigenen Fotos ohne Probleme auf meiner Website verwenden kann, ist das für historische Bilder nicht so einfach. Da gilt es, das Urheberrecht zu beachten. Nicht alles, was man so findet, ist auch frei verfügbar. Auch nicht, wenn man es im Internet aufstöbert. Also setzte sich die Recherchearbeit fort. Diesmal ging es darum, für jedes einzelne Bild herauszufinden, wer es aufgenommen hatte und wann, ob es noch urheberrechtlich geschützt ist und wenn ja, wer die Rechte daran besitzt. Gerade der Zeitraum vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute ist da immer problematisch. Fotografien aus dieser Zeit sind einfach noch nicht alt genug, um bereits gemeinfrei zu sein. Hier gilt es herauszufinden, ob die Urheber, also die Fotografen, noch am Leben sind oder nicht. Sind sie es nicht, ist wichtig zu wissen, wann sie verstorben sind. Ist das bereits mehr als 70 Jahre her? Und selbst wenn das der Fall ist, gibt es eventuell noch andere Personen, die ebenfalls noch Rechte an der Aufnahme haben? Ein Gemälde kann beispielsweise gemeinfrei sein. Will ich jedoch ein Foto dieses Gemäldes verwenden, kann der Fotograf wiederum Urheberrechte beanspruchen, die ich beachten muß. Es ist kompliziert.

Als ich dann endlich für jedes Bild, das ich verwenden wollte, alle entsprechenden Informationen zusammenhatte, kam der nächste Schritt, denn natürlich waren nicht alle Bilder, die ich gefunden hatte und verwenden wollte, für mich so ohne weiteres nutzbar. Nun mußte ich die einzelnen Rechteinhaber anschreiben und um die Genehmigung für die Verwendung der Bilder bitten. Erfreulicherweise waren fast alle bereit, mir die Bilder für die Verwendung auf meiner Website zur Verfügung zu stellen. Danken möchte ich in diesem Zusammenhang besonders dem Bildarchiv Foto Marburg und der Stiftung Stadtmuseum Berlin, die mir einige sehr schöne und für meine Artikelserie wichtige Bilder kostenfrei zur Verfügung gestellt haben. Ich habe mich sehr gefreut, daß sie auf diese Weise mein Projekt unterstützen wollten. Für ein aus reiner Liebhaberei betriebenes, nicht kommerziell orientiertes und werbefreies Website-Projekt ist es nicht so einfach, die entsprechenden Kosten, die beispielsweise durch die nicht eben geringen Gebühren verschiedener Bildarchive entstehen können, finanziell aufzubringen.

Nun hatte ich also die Texte und ich hatte die Bilder. Jetzt galt es, all dies zusammenzubringen und möglichst ansprechend zu gestalten, damit lesenswerte Artikel daraus entstehen konnten. Auch das ist natürlich wieder eine ganze Menge Arbeit gewesen, trotz der technischen Unterstützung durch eine entsprechende Software zur Entwicklung, Gestaltung und Pflege von Websites. Bis die vier Beiträge nach und nach fertig und veröffentlicht waren, verging noch einmal ein gutes Vierteljahr. Doch nun ist es vollbracht. Viel Zeit und viel Arbeit waren also das Resultat. Aber, und das ist für mich das Wichtigste überhaupt, auch viel Spaß und Freude!

Nun war ja diese Artikelserie zu den Spittelkolonnaden nicht meine erste. Ich habe in der Vergangenheit ja schon einige Artikel auf Anderes.Berlin veröffentlicht. Warum also schreibe ich hier darüber?  Wozu noch dieser Blogbeitrag?

Nun, zum einen wollte ich allen, die es vielleicht interessieren mag, einmal einen kleinen Einblick geben, was es bedeutet, eine solche Artikelserie zu verfassen, zu gestalten und ins Leben, also online zu bringen. Zum anderen aber hat diese spezielle Artikelserie zu den Berliner Spittelkolonnaden für mich einen besonderen Stellenwert. Denn die Säulengänge des Carl von Gontard begleiten mich schon eine recht lange Zeit meines Lebens. Und das nicht nur, weil ich als Kind und Jugendlicher in der Leipziger Straße gewohnt und in der Gegend zur Schule gegangen bin, so daß ich auf meinem Schulweg tagtäglich an dem steinernen Halbrund vorüberkam.

Es begann, als ich in der fünften Klasse und gerade neu an die 18. Polytechnische Oberschule „Reinhold Huhn“ gekommen war, eine der beiden Schulen, die damals für das Wohngebiet rund um die Leipziger Straße zuständig waren. Um bei uns Kindern das Interesse für unsere nähere Umgebung und ihre Geschichte zu wecken und gleichzeitig gemeinschaftliches Arbeiten an einem gemeinsamen Projekt zu lernen, vergaben die Lehrer an jede Klasse einen Forschungsauftrag. Ziel war die selbständige Erforschung eines historischen Ereignisses, das sich in unserer Wohngegend ereignet hatte, oder der Geschichte eines Bauwerks, das sich im Umfeld unserer Schule befand. Unsere Klasse bekam den Auftrag, die Geschichte der Spittelkolonnaden zu erforschen, die erst wenige Jahre zuvor in der Leipziger Straße wiedererrichtet worden waren. Dafür wurde in unserer Klasse eine sogenannte Forschungsgruppe eingerichtet, die aus mehreren Schülern bestand und die an dem Forschungsauftrag arbeiten sollte. Heute würde man das vielleicht Projektgruppe nennen. Und weil man damals der Meinung war, daß jede Arbeitsgruppe auch einen Leiter braucht, wurde einer der Schüler dazu bestimmt. Warum unsere Klassenlehrerin dabei auf die Idee verfiel, daß ich das sein sollte, der ich doch gerade erst neu in der Klasse war und noch kaum jemanden wirklich kannte, ist für mich immer ein  Geheimnis geblieben.

Nun, das mit der Projektgruppe hat nicht so geklappt, wie es sollte. Weder haben wir als Arbeitsgruppe wirklich funktioniert (das Leiten lag mir wohl noch nie so recht), noch ging ohne Anleitung durch einen Lehrer das Konzept, mit dieser Maßnahme bei den Schülern ein breites Interesse für Stadtgeschichte und ihre nähere Umgebung zu wecken, wirklich auf. Letztlich hat sich niemand in der Klasse für den Forschungsauftrag wirklich begeistert. Wirklich niemand. Außer mir. Für mich war das eine ziemlich spannende Angelegenheit. Und so trug ich allerlei Informationen über die Spittelkolonnaden und ihre Geschichte zusammen und lieferte das Ergebnis ab – für die Klasse, versteht sich. Was ich da im einzelnen alles herausfand und zusammengefaßt darstellte, entzieht sich heute leider meiner Erinnerung. Was ich jedoch noch sehr gut weiß, ist, daß ich in Bezug auf die Klasse zwar der einzige war, der an dem Projekt arbeitete, daß ich dabei jedoch keinesfalls allein war. Denn wer mich dabei massiv unterstützte, waren meine Eltern. Durch sie lernte ich, wie man an so eine Aufgabe, bei der man am Anfang nur die Zielsetzung kennt und keine Ahnung von der Materie hat, herangeht.  Für diese und all die andere Hilfe, die ich von ihnen immer erfuhr, bin ich ihnen stets dankbar.

So ist auf diese Weise mit den Spittelkolonnaden meine erste eigene Arbeit zur Geschichte eines Berliner Bauwerks verknüpft. Mit ihnen wurde mein Interesse für die Geschichte meiner Heimatstadt Berlin geweckt, das mich seitdem nicht mehr losgelassen und letzten Endes – viele Jahre später – zu meinem Webprojekt Anderes.Berlin geführt hat. Und so ist es nur angemessen und auch folgerichtig, daß ich den Spittelkolonnaden nun endlich auch eine eigene umfassende Artikelserie auf Anderes.Berlin gewidmet habe. Es wurde Zeit dafür.