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An Kanälen entlang

Wieder stehe ich am Wassertorplatz, doch diesmal auf der anderen Seite des Hochbahnviadukts. Vor mir liegt die vierte Etappe meiner Wanderung auf dem Grünen Hauptweg Nr. 19. Vom Engelbecken hatte mich der Weg auf dem ehemaligen Luisenstädtischen Kanal entlang bis hierher geführt. Und auf eben dem Grünstreifen, den der zugeschüttete Kanal hinterlassen hat, geht es nun weiter.

Am Wassertorplatz
Der Wassertorplatz wird von der Hochbahn durchschnitten. Rechts führt sie weiter die Skalitzer Straße entlang, links die Gitschiner Straße.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Waren die Parkwege kurz vor dem Wassertorplatz zuletzt etwas ungepflegter, so sind sie nun um so eleganter. An einem Spielplatz vorbei führen sie mich an sorgsam gestutztem, saftig grünem Rasen vorbei, der sanft gewellte Hügel bedeckt. Ein winziges Tal zwischen ihnen, das eigentlich nur als Tälchen bezeichnet werden kann, wird von einer filigranen, metallischen Brücke überspannt, die reiner Dekoration dient. Denn weder strömt Wasser unter ihr entlang noch ist der Talboden weiter als einen Meter von ihrem Steg entfernt. Hübsch sieht sie aber aus.

Elisabeth-Hof
Am Erkelenzdamm befindet sich mit dem Elisabeth-Hof einer der größten Industrie- und Gewerbehöfe in Kreuzberg. Hier ein Blick auf die gesamte Fassade des Vorderhauses.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Auf der linken Seite begleitet der Erkelenzdamm den Parkstreifen. Die Hausnummern 59 und 61 gehören zu einem schönen Gebäude, an dem in goldfarbenen Lettern „Elisabeth-Hof“ steht. Zwei Toreinfahrten direkt nebeneinander führen hinein. Weil sie offenstehen, trete ich neugierig hindurch und gelange in einen kleinen sauberen Hof. Ein Brunnen erfüllt ihn mit seinem fröhlichen Plätschern und ist umgeben von üppigem Grün. An seinem Rande sitzt ein kleiner Froschkönig mit seiner goldenen Kugel. Zu den Seitenflügeln führen dunkelbraune Türen, die mit heraldischen Lilien verziert sind und von Supraporten gekrönt werden, die hier als halbkreisförmige Reliefs über dem Türsturz gestaltet sind. Das Quergebäude wird wiederum von zwei nebeneinanderliegenden Durchfahrten durchbrochen. An ihrem Ende liegt ein weiterer Hof, den ich aber nicht erreichen kann, weil die Durchfahrten mit Gittertoren verschlossen sind. Durch sie kann ich nur in ihn hineinblicken. Vor mir liegt der erste von drei Gewerbehöfen, die neben dem Wohnhof, den ich bereits durchschritten habe, zum Ensemble dieses Gebäudekomplexes gehören, der eine der größten Industrie- und Gewerbehofanlagen in Kreuzberg ist.  Die Aufgänge in die Seiten- und Quergebäude sind hier als Portale bezeichnet und durchnumeriert. Über Portal I, das mir genau gegenüberliegt, befindet sich im ersten Stock eine Tafel in der Fassade, die an den Architekten dieser Anlage erinnert: Kurt Berndt. In der zweiten Etage ist eine Uhr in die Hauswand eingelassen, die links und rechts von den Worten „Die Stunde ruft – nütze die Zeit!“ begleitet wird. Da weiß man doch gleich, worum es geht. Hier wird gearbeitet! Müßiggang hat hier keinen Platz! Nun, das sehe ich zumindest für den heutigen Tag völlig anders. Und bevor noch jemand kommt und mich zur Arbeit ruft, verlasse ich lieber den Elisabeth-Hof und gehe zurück in die Parkanlage am Erkelenzdamm.

Am Urbanhafen
Diese Parkanlage ist die Mündung des ehemaligen Luisenstädtischen Kanals in den Landwehrkanal.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Es sind nur noch wenige Schritte auf dem ehemaligen Luisenstädtischen Kanal, da verbreitert sich der Park nach links und rechts, und vor mir schimmert Wasser zwischen den Bäumen und Büschen hindurch. Es ist der vom Landwehrkanal durchflossene Urbanhafen, wo einst der Luisenstädtische Kanal abzweigte. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich ebenfalls eine Grünanlage, die jedoch von einem dunkelgrauen und – man verzeihe mir die abwertende Beurteilung – häßlichen Betonklotz dominiert wird. Das Urbankrankenhaus ist wirklich kein schöner Bau, weswegen ich auch keine weiteren Worte darüber verlieren will und meine Aufmerksamkeit lieber dem Wasserbecken zuwende, an dessen Ufer sich Schwäne tummeln. Auf meiner Seite wird es von einer schönen Uferpromenade mit angeschlossenem Park gesäumt. Mein Weg biegt nun nach rechts ab und folgt ihr am Kanal entlang. Ich passiere malerische Trauerweiden, die ihre Zweige weit über die Wasserfläche hängen lassen. Ich liebe diese Bäume, die immer von einem Hauch Melancholie umgeben zu sein scheinen.

Am Landwehrkanal
Ein Blick von der Baerwaldbrücke auf den Landwehrkanal. Im Hintergrund ist über den Bäumen die Heilig-Kreuz-Kirche zu sehen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Der Park, der hier das Ufer begleitet, ist übrigens der Böcklerpark, der nach Hans Böckler, einem Politiker und Gewerkschaftsfunktionär benannt ist. Ich muß auch nicht lange warten, da begegne ich ihm höchstselbst – allerdings nur in Form einer Büste. Da habe ich schon fast die Prinzenstraße erreicht und damit auch das Ende des Urbanhafens. Der Grüne Hauptweg Nr. 19 wechselt hier das Ufer und überquert den Landwehrkanal über die Baerwaldbrücke. Schnell noch ein letzter Blick zurück auf den Urbanhafen und dann noch einer voraus, der mir den von grünen Ufern gesäumten Kanal präsentiert. Im Hintergrund erhebt sich der Turm der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche über den Baumwipfeln.

Hausfassade am Carl-Herz-Ufer
Ein teilzerstörter und modern ergänzter Stuckfries am Haus Carl-Herz-Ufer 25.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Am Carl-Herz-Ufer führt der Weg nun weiter den Kanal entlang. Das Kreuzberg, das ich hier durchwandere, wirkt ruhig und beschaulich. Die Häuser sind ebenso wie die Straßen sehr sauber und gepflegt. Mit dem oft assoziierten alternativen Kreuzberg um Oranienstraße und Kottbusser Tor hat dieses hier gar nichts gemein. Es wirkt vielmehr fast schon bürgerlich. Das unterstreicht auch das Haus, das ich an der Straßenecke Carl-Herz-Ufer / Tempelherrenstraße erreiche. Seine Fassade ist vollkommen instandgesetzt und renoviert und wirkt wie neu. Erst auf den zweiten Blick fällt mir auf, daß die einst reichlich vorhandenen Stuck- und Fassadenelemente nicht mehr alle vorhanden sind. Hier fehlt eine Fensterbekrönung, dort ein Stück der Rahmendekoration, und da ist nur noch ein halbes Stuckrelief vorhanden. Diese fragmentierte Fassade übt einen ganz eigenen Reiz aus, so wie antike Reste, gefunden bei einer Ausgrabung. Direkt unter dem Dach befindet sich die einzige Ausnahme. Den nur noch teilweise vorhandenen Stuckfries hat man mit Malereien ergänzt. Nun tummeln sich hier merkwürdig eckige Figuren, die ihren ganz eigenen Tanz aufzuführen scheinen.

Altes Zollhaus
Das alte Zollhaus am Landwehrkanal.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Nur wenige Meter weiter meine ich dann plötzlich, mich irgendwo auf dem Lande zu befinden. Direkt am Ufer des Landwehrkanals steht inmitten hoher Bäume ein Fachwerkhaus. Auch wenn es sich älter macht als es ist – das Alte Zollhaus wurde erst 1901 als Depot für die Berliner Stadtreinigung erbaut und später als Kontrollstelle der Berliner Dampfschiffahrt genutzt -, so ist es doch ein sehr schöner und idyllischer Ort, was das darin heute beheimatete Restaurant nach Kräften unterstützt.

Immer weiter am Kanalufer entlang führt der Weg durch das Grün, bis die nebenherlaufende Brachvogelstraße – benannt nach dem Schriftsteller Albert Emil Brachvogel, dessen bekanntestes Werk der biografische Roman über Friedemann Bach ist – unvermittelt in einem Wendekreis endet. Der Weg führt ein paar Stufen hinauf durch ein Hecke – und ich stehe plötzlich am Rand einer vom Verkehr durchtosten Straße. Diese überquert über eine Brücke den Kanal, auf dessen anderer Seite sich ihm die Hochbahntrasse nähert, auf der quietschend eine U-Bahn vorbeirumpelt. Es hupt, es dröhnt, es brummt allerorten. Nach dem grünen Idyll am Kanalufer ist die Kreuzung aus Zossener und Lindenstraße mit der Gitschiner Straße ein kleiner Kulturschock.

An der naheliegenden Ampel geht es zuerst über die Zossener Straße und dann über die Waterloo-Ufer genannte Verkehrsader, so daß ich schnell wieder am Kanal stehe. Von hier aus offenbart ein Blick zurück wieder den Turm der Heilig-Kreuz-Kirche, die nun ganz nahe ist.

Hallesches-Tor-Brücke
Die Allegorie „Fischfang“ an der Hallesches-Tor-Brücke.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Zwischen Kanal und Straße wandere ich weiter bis zur nächsten Brücke. Diese trägt heute den Namen Hallesches-Tor-Brücke, war früher jedoch unter dem Namen Belle-Alliance-Brücke bekannt. Während eines kurzen Intermezzos von 1953 und 1974 führte sie auch den Namen Mehringbrücke. Zwei Skulpturen zieren das Ende des Kanalübergangs am Waterloo-Ufer, auf jeder Seite eine. Sie gehörten einst zu einem Figurenensemble von insgesamt vier Allegorien: der Flußschiffahrt, dem Fischfang, dem Gewerbefleiß und dem Fruchthandel. Nachdem zwei der Skulpturen dem Hochbahnbau weichen mußten und in der Folgezeit nach mehreren Umzügen verlorengingen, sind heute nur noch der Fischfang und die Flußschiffahrt hier zu betrachten.

Ein kurzer Abstecher zum nahegelegenen Mehringplatz, der einst der Belle-Alliance-Platz war, führt mich zu einer weiteren steinernen Figur. Sie wurde vom Bildhauer Albert Wolff geschaffen und trägt den Namen „Der Friede“, was der Palmzweig, den sie in der Hand hält, deutlich werden läßt. Die ihr zur Seite gestellte „Geschichtsschreibung“ ist gerade nicht zu sehen, denn sie umgibt ein blickdicht verplantes Baugerüst. Da sie auf diese Weise selbst auch nichts sehen kann, wird ihr Geschichtsbuch wohl einige Lücken aufweisen.

Am Mehringplatz
Die Friedenssäule von Christian Gottlieb Cantian auf dem Mehringplatz.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Dominiert wird der runde Platz jedoch von einer anderen Skulptur: der Viktoria, die in seinem Zentrum auf einer hohen Säule den Siegerkranz in die Höhe hält. Diese Friedenssäule wurde von Christian Gottlieb Cantian entworfen. Ganze 19 Meter ist sie hoch, was der obenstehenden, von Christian Daniel Rauch geschaffenen Viktoria einen schönen Rundblick über die Stadt verschaffen dürfte.

Auf dem Rückweg zum Landwehrkanal fällt der Eingang zum U-Bahnhof ins Auge, an dem in großen Lettern „BAHNHOF HALLESCHES TOR“ steht. Man muß jedoch nicht unter ihnen durch-, sondern den längeren Weg an ihnen vorbei gehen, um den Bahnhof zu erreichen. Weil es vermutlich deshalb immer einige Leute ziemlich eilig haben, die Straße zu überqueren – notfalls auch bei Rot anzeigender Ampel -, muß man als müßiger Stadtwanderer aufpassen, von ihnen nicht umgerannt zu werden.

Altes Postamt SW 61
Das Altes Postamt SW 61 am Tempelhofer Ufer 1. Es wurde vom Architekten und Postbaurat Hermann Struve entworfen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Über die Hallesches-Tor-Brücke geht es zurück auf die andere Kanalseite und dann an diesem weiter in die vorherige Richtung. Die Straße trägt jetzt den Namen Tempelhofer Ufer. Ich bin nur wenige Meter gegangen, da fällt mir auf der anderen Straßenseite ein roter Ziegelbau ins Auge. Das alte Postamt SW 61 erinnert an den gotischen Baustil, ist aber viel jünger, denn es stammt vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Heute trägt es den Namen „Hallesches Haus“.

Ich überquere den Mehringdamm, der auf der anderen Kanalseite in die Wilhelmstraße übergeht, und wandere weiter – rechts von mir der Kanal, links die Straße. Dieser Abschnitt des Grünen Hauptwegs Nr. 19 ist wegen des vorbeibrausenden Verkehrs nicht mehr so idyllisch. Die Wegmarkierungen sind sich hier nicht so recht einig, wo der Weg nun eigentlich entlangführt, denn es gibt sie auf beiden Seiten des Landwehrkanals. Ich habe also die Wahl zwischen dem Tempelhofer oder dem Halleschen Ufer. Letzteres lockt mit einem von Büschen gesäumten Weg am Kanal, der direkt unter dem Hochbahnviadukt entlangführt, doch ich entscheide mich dennoch für das Tempelhofer Ufer. Als Berliner Stadtkind schreckt mich die Straße nicht, und diese Seite hat einiges mehr zu bieten, was sich anzusehen lohnt, auch wenn man es nur auf den zweiten oder gar dritten Blick entdeckt.

Hof Tempelhofer Ufer 10
Dieses kleine Relief befindet sich an Eingang eines Gebäudes im zweiten Hinterhof Tempelhofer Ufer 10.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Um diesen zweiten oder dritten Blick riskieren zu können, muß man allerdings hin und wieder die Straße überqueren und einen Abstecher in manch offenstehende Toreinfahrt wagen. So entdecke ich in Hausnummer 10 einen eigentlich recht unspektakulären zweiten Hinterhof. Ein hoher Ziegelschornstein und ein Flachbau zwischen den umgebenden Häusern, wie er einer Werkstatt oder einer kleinen Manufaktur als Domizil dienen könnte – mehr scheint hier nicht zu sehen zu sein. Doch selbst hier hat man früher nicht auf schmückendes Beiwerk verzichtet. Der Eingang zu einem der Hinterhofhäuser ist über seiner Tür mit einem kleinen Relief verziert, das altes Handwerk darstellt.

Hector-Peterson-Schule
Blick in den Hof der Hector-Peterson-Schule am Tempelhofer Ufer 15.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Ein paar Hausnummern weiter – diesmal ist es Tempelhofer Ufer 15 – führt ein unscheinbarer Toreingang auf den großen Hof der Hector-Peterson-Schule. Der Namensgeber – eigentlich Hector Pieterson – war ein südafrikanischer Schüler, der im Alter von 12 Jahren während des Soweto-Aufstandes 1976 erschossen wurde. Als ich aus der Toreinfahrt heraustrete, erblicke ich vor und rechts von mir einen großen Bau, der irgendwie auf den ersten Blick als Schulbau erkennbar ist. Der Hof ist auf der linken Seite von hohen Bäumen bestanden, und auch in seiner Mitte grünt und blüht es. Dazwischen sind beim Bummel hindurch zahlreiche kleine und große Kunstwerke zu entdecken. Über den Eingangstüren zum Schulgebäude hat man kleine, runde, steinerne, an Medaillons erinnernde Plaketten angebracht, die Kinderfiguren zeigen. Alles in allem ein sehr verträumt wirkender Ort, der an Schultagen sicher einen anderen, weitaus lebhafteren Eindruck vermittelt.

Als ich ein Stück weiter den U-Bahnhof Möckernbrücke erreiche, fällt mir das Haus Tempelhofer Ufer 20 – wieder ein Bau mit schöner Ziegelfassade – auf. Die Fenster in der mir zugewandten Seitenwand des Hauses erkenne ich erst auf den zweiten Blick als aufgemalt. Sie scheinen sich auf einem Vorhang zu befinden, der die halbe Hauswand bedeckt und gerade herübergezogen wird. Die andere Hälfte gibt einen vom Vorhang teilweise noch verdeckten, ebenfalls gemalten Baum zur Ansicht frei. Dieses 1981 von Irene Niepel geschaffene Wandbild ist ein schönes Kunstwerk mitten im städtischen Raum. Leider ist es am unteren Ende von den Händen geistloser Narren mit stumpfsinnigen Graffiti beschmiert worden.

Anhalter Brücke
Blick auf die Anhalter Brücke über den Landwehrkanal mit dem sie überspannenden Hochbahnviadukt.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Weiter führt der Grüne Hauptweg Nr. 19 am Landwehrkanal entlang und erreicht schließlich die Anhalter Brücke. Einst befand sich an dieser Stelle eine Brücke der Berlin-Anhaltinischen Eisenbahn, über die die Zufahrtstrecke zum alten Anhalter Bahnhof führte. Die heutige Fußgängerbrücke, an der die Schriftzüge „BERLIN“ und „ANHALT“ an die alte Eisenbahnstrecke erinnern, wurde 2001 fertiggestellt. Das Viadukt der Hochbahn, das hier den Landwehrkanal verläßt, überquert an dieser Stelle Kanal und Anhalter Brücke gleichzeitig, was einen imposanten Anblick bietet.

BVG-Haus am Tempelhofer Ufer
Das BVG-Haus am Tempelhofer Ufer. Es ist so gestaltet, daß es so aussieht, als würde die Hochbahn direkt in das Haus hineinführen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Mein Weg führt nun am Deutschen Technikmuseum vorbei, was mir Gelegenheit gibt, den über dem Gebäude schwebenden Rosinenbomber zu bestaunen. Ich mache mir im Geiste eine Notiz, diesem Museum auch bald mal wieder einen Besuch abzustatten. Mit dem Kanal unterquere ich das Hochbahnviadukt, das hier direkt auf das BVG-Haus am Tempelhofer Ufer zuführt. Bis zum Zweiten Weltkrieg ist die U-Bahn hier wirklich durch ein Haus hindurchgefahren. Dann wurde es jedoch zerstört. Der heutige Neubau erinnert mit dem über der Strecke schwebenden BVG-Logo nur noch vage daran.

Nachdem die Hochbahn vom Kanal verschwunden ist, wird er nun beidseitig von Bäumen gesäumt, was ihm gleich ein viel grüneres Antlitz verleiht, obwohl ihn immer noch Straßen begleiten. Die auf meiner Seite wechselt alsbald ihren Namen in Schöneberger Ufer. Auf der anderen Seite ist ein alter Ziegelbau mit einem langen Schornstein zu sehen. Dieses alte Pumpwerk am Halleschen Ufer steht unter Denkmalschutz. Es diente von 1978 an als Lapidarium, in dem alte steinerne Denk- und Standmale bewahrt wurden, ist aber seit 2010 geschlossen und öffentlich nicht mehr zugänglich.

Dienstgebäude der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin
Der Mittelbau der Hauptfassade des ehemaligen Dienstgebäudes der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin am Schöneberger Ufer 1.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Auf meiner Seite des Kanals passiere ich derweil einen prachtvollen Klinkerbau mit zwei runden Ecktürmen. Dieses ehemalige Dienstgebäude der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin, das Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde, beherbergt heute die Bundespolizei. An seine Eisenbahnzeit erinnert noch das Flügelrad über dem Haupteingang im Mittelbau.

Nur wenige Schritte weiter unterquere ich schon wieder ein Hochbahnviadukt. Hier überquert die U-Bahnlinie U2 den Kanal und strebt linker Hand dem Gleisdreieck entgegen. Den Eingang zum Park am Gleisdreieck passiere ich hinter dem architektonisch wenig ansprechenden Parkhaus, dessen Einfahrt überdimensionierte steinerne Rosen zieren, die beweisen, daß übermäßige Vergrößerung auch wunderschöne Dinge in Monstrositäten verwandeln kann.

Park am Karlsbad
Im Park am Karlsbad zwischen den Straßen Am Karlsbad und Schöneberger Ufer.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Gegenüber ragen hinter dem Landwehrkanal die Bauten der ehemaligen Daimler-City auf, die bis zum Potsdamer Platz reichen. Der Grüne Hauptweg Nr. 19 wendet sich jedoch von ihnen ab und führt in den kleinen Park am Karlsbad hinein, eine mir sehr willkommene grüne Oase nach dem langen Marsch direkt an der Straße. Im 19. Jahrhundert befand sich hier ein Kurbad, das den Namen „Auf dem Karlsbade“ trug. Später errichtete man hier Wohnhäuser, die jedoch im Zweiten Weltkrieg ihr Ende fanden. 1950 entstand dann der Park, den ich, nachdem ich die als „Schreitender“ bezeichnete Skulptur von Hans Haffenrichter passiert habe, wieder verlasse.

Hier kreuzt der Landwehrkanal die Potsdamer Straße, die ich nun überquere. Auf dem Mittelstreifen nehme ich mir kurz die Zeit, das von Gerhard Rommel geschaffene Denkmal für den „Eisernen Gustav“ zu betrachten. Ein Blick in die andere Richtung präsentiert mir die Staatsbibliothek zu Berlin und das Kulturforum. Das markante Dach des Sony-Centers grüßt herüber. Am Kanal steigt der Weg eine steile Treppe hinab, an deren Fuß er dann eher an einen Trampelpfad erinnert. Das ist jedoch nur kurz der Fall, denn schon nähert sich von links wieder die Straße und der Pfad wird breiter. Unter Bäumen geht es nun am Ufer weiter.

Reichsversicherungsamt
Das von August Busse entworfene Gebäude am Reichpietschufer am Landwehrkanal war einst der Sitz des Reichsversicherungsamtes.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Auf der anderen Seite trägt die Straße mittlerweile den Namen Reichpietschufer, und dort kommt jetzt das von August Busse entworfene Gebäude in Sicht, das einst der Sitz des Reichsversicherungsamtes war. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es errichtet und hat die Zeiten und zwei Weltkriege überstanden. Der sogenannten modernen Überformung durch den britischen Architekten James Stirling, die lediglich die kanalseitige Fassade übrigließ, hatte es dann jedoch nichts mehr entgegenzusetzen. Heute ist hier das Wissenschaftszentrum Berlin untergebracht.

Am Schöneberger Ufer, an dem ich immer noch entlangwandere, passiere ich einen Hauseingang, an dem eine Berliner Gedenktafel an den Kunsthändler Ferdinand Möller erinnert, der hier einst seine Galerie hatte und, obwohl von den Faschisten mit der Verwertung der im Rahmen der Verfolgungsaktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmten Kunstwerke beauftragt, viele von ihnen vor der Vernichtung bewahrte.

Hinter der Bendlerbrücke rückt nun auf der gegenüberliegenden Kanalseite das gleichnamige Gebäude ins Blickfeld – der Bendlerblock. Er diente einst dem Reichsmarineamt als Sitz und beherbergt heute das Bundesministerium für Verteidigung. Bekannt ist er auch, weil sich hier die Gedenkstätte Deutscher Widerstand befindet.

Hiroshimasteg
Der Hiroshimasteg führt über den Landwehrkanal.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Die nächste Brücke ist ein kleiner Steg, der Fußgängern vorbehalten ist und den Namen Hiroshimasteg trägt. Der Grüne Hauptweg Nr. 19 überquert auf ihm den Landwehrkanal und führt dann auf dem Herkulesweg durch einen kleinen Parkstreifen. Hier in der Galandrellianlage bemerke ich auf einer Wiese einen etwa mittelgroßen Hund, der jedoch schon von weitem etwas merkwürdig anmutet. Als ich näherkomme, erkenne ich den Grund – ich habe etwas vor mir, was man in Berlin nicht alle Tage sieht: ein Schwein. Sein Besitzer führt es aus wie einen der bellenden Vierbeiner, die man sonst in Berlins Grünanlagen anzutreffen gewohnt ist. Man könnte also sagen, es handelt sich um einen echten Schweinehund.

Am Ende des Parkstreifens trifft der Weg auf eine Mauer, an der er nun entlangführt. Hinter ihr steht ein weißer villenartiger Bau, den ich genauer betrachten kann, als ich ihn passiert habe. Die Villa von der Heydt ist eine der ältesten und heute die einzige erhaltene freistehende Villa, die von der einstigen Villenbebauung des großen Tiergartenviertels aus dem 19. Jahrhundert noch erhalten ist. Direkt an sie an schließt sich das Bauhaus-Archiv, ein Museum, das Arbeiten, Dokumente und Literatur, die in Zusammenhang mit dem Bauhaus stehen, sammelt und präsentiert.

Am Landwehrkanal
Blick von der Corneliusbrücke auf den Landwehrkanal in Richtung des Tiergartens.
Fotograf: Alexander Glintschert (2017), Lizenz: Creative Commons BY-NC-CD 2.0.

Die Corneliusstraße, auf der es nun weitergeht, gibt mir mit ihrem Namen schon einen Hinweis. Und richtig, an der nächsten Brücke habe ich ihn erreicht – den Endpunkt meiner Wanderung. Ich bin dort angekommen, wo ich vor vier Etappen begonnen habe: an der Corneliusbrücke. Der Rundkurs des Grünen Hauptwegs Nr. 19 ist vollendet – ein Rundkurs um Berlins Zentrum, auf grünen Wegen und doch mitten in der Stadt. Schön war’s.